Belphegor - Conjuring The Dead

Review

Wie geht man mit Garanten um? Bei BELPHEGOR ist es einfach: Wenn Helmuth das Niveau hält und mit einigen Neuerungen überrascht, ohne den Stil zu verändern, liegt man im Achterbereich. Gesellen sich noch ein paar feine Ideen dazu, die über das Gewohnte hinausgehen, bewegt man sich im Bereich der unbedingten Kaufempfehlung. Und genau das ist die Beschreibung von „Conjuring The Dead“, dem ersten Album nach der Typhusinfektion des Bandkopfs, deren Folgen 2011 überaus verheerend waren, weil er die Krankheit zunächst verschleppt hat. Mehrere Monate im Krankenhaus, eine Operation, die Bedrohung des Lebens. Der Song „In Death“ vom neuen Werk greift diese Zeit auf, in der sich der Frontmann auch mit dem möglichen Tod auseinandersetzen musste. Gehen wir also über die Brücke und betreten das frische Album, das insgesamt zehnte der Bandgeschichte. Und auch wenn es ein wenig floskelhaft klingt, sind BELPHEGOR definitiv gestärkt aus dem ganzen Schlamassel rausgegangen. Das hört man!

Bleiben wir bei „In Death“, denn auch musikalisch nimmt der Song eine Art Sonderstellung ein. Auch wenn das Stück beispielsweise an „The Crosses Made Of Bone“ vom „Walpurgis“-Album erinnert, gehören das thrashige Riffing und der irgendwie stimmungsvolle Charakter, der phasenweise an HYPOCRISY denken lässt, nicht zu den Hauptzutaten im BELPHEGOR-Hexenkessel. Bekannt ist man als düster-diabolisches Death-Black-Mahlwerk, und genau diesem Ruf wird auch die neue Platte wieder mehr als gerecht. Genau genommen kann die längst perfektionierte Melange aus den zwei genannten Extrem-Metal-Sparten ohne Bedenken als eigener Stil beschrieben werden. Natürlich prügeln sich reichlich Combos um die Krone des Genres, die BELPHEGOR’schen Songstrukturen, gepaart mit der technischen Kompetenz, den Tritonus-Intervallen und, und, und, sind aber meist ein ganzes Stück ausgefeilter als bei den Kollegen. So viel zum Status der Band, den sie sich seit der Gründung 1992 sukzessive erspielt hat, und der sie anno 2014 zu einem, wie eingangs erwähnt, Garanten im verrußten Todessektor macht. Hach, und wieder ein Exkurs – nun, aber zur Musik.

„Gasmask Terror“ entfesselt den nuklearen Satan und ein bisschen gepflegtes „Fuck you all“-Gebrüll (eine der ersten Erkenntnisse: Die Stimme von Helmuth klingt anders, irgendwie brutaler). Von der Attitüde und dem Sound her ein typischer BELPHEGOR-Song, der allerdings ganz auf Black Metal setzt – mit Riffs, die gekonnt auf einer dünnen Linie zwischen Melodie und Dissonanz balancieren. Und mit einem so erhabenen Finale (eine dieser feinen Ideen), dass man sich ärgert, dass es nur zwei Wiederholungen und damit nicht mal 30 Sekunden lang ist. Ein fabelhafter Start, der überraschenderweise von der – in meinen Ohren – schwächsten Nummer abgelöst wird. Selbstredend ist auch der Titeltrack ein Song, für den viele Bands ihre Seele dem Deibel verhökern würden, doch das Hauptriff ist nicht gut genug, um so präsent zu sein. Zwar macht das Intro inklusive Oldschool-Horrorfilmmucke richtig Laune, die großen Momente fehlen aber. Das wird im schon erwähnten „In Death“ direkt mehrfach nachgeholt, bevor „Rex Tremendae Majestatis“ wieder bekannte songstrukturelle Muster zeigt: ein langsamer Aufbau, bei dem eine Akustikgitarre in mehreren Wiederholungen von plötzlicher Verzerrung inklusive Pinch Harmonics abgelöst wird, die auch im weiteren Verlauf nicht fehlen dürfen. Das Tempo wechselt hier fröhlich wie beim Intervalltraining – bis hin zu sehr gedrosselten Passagen – und dementsprechend variabel präsentiert sich der Song auch instrumental. Das alles ist so dermaßen BELPHEGOR, dass man beinahe das Gefühl hat, das Stück bereits zu kennen; für manche im Sinne von fehlender Abwechslung vielleicht negativ, für andere großartig, weil man sich darauf verlassen kann, immer wieder amtlich bedient zu werden, für die Band selbst eher ein großes Plus, denn der Wiedererkennungswert ist beachtlich. In der gleichen Schublade liegt auch der folgende Track – mit raffiniertem Songwriting, kreativen Breaks, tiefen Growls und Krächzen im Hals. „The Eyes“ (noch so eine feine Idee) sorgt für staunende Augen, denn die Instrumentalnummer fließt enorm episch daher und ist für BELPHEGOR-Verhältnisse fast schon zu eufonisch. Das Teil hätte gut und gerne noch mindestens eine Minute länger sein dürfen. Dann wirds wuchtig. Mit heftigen Stakkato-Riffs und omnipräsenter Brutalität stürmen die Legionen der Zerstörung übers Land und hinterlassen durch Black-Metal-Attacken reichlich verbrannte Erde. Zum ersten Mal hat Helmuth um die Unterstützung von Gastmusikern (da ist wieder so eine feine Idee) gebeten und sich dabei gleich zwei große Namen geangelt: Glen Benton von DEICIDE und Attila von MAYHEM, der durch seine auffälligen Vocals natürlich am deutlichsten hervorsticht. Trio infernale! „Flesh, Bones And Blood“ stampft erst mal mit großen, stimmungsvollen Stakkato-Schritten vorwärts und entpuppt sich als konsequente Midtempo-Ketzerei. „Lucifer, Take Her!“ setzt auf ein paar deutschsprachige Texte und verbindet Death und Black Metal erneut mit einer majestätischen Selbstverständlichkeit. Das letzte Stück ist dann mehr Outro als Song.

Eine weitere gute (feine) Idee war die produktionstechnische Umorientierung. Wurde „Blood Magick Necromance“ noch unter den Augen, Ohren und Fingern von Peter Tägtgren im Abyss Studio eingespielt, ist man diesmal nach Florida gereist, um „Conjuring The Dead“ in den Mana Studios in Florida aufzunehmen – von HATE-ETERNAL-Chef Erik Rutan, der schon CANNIBAL CORPSE und andere Größen im Studio hatte. Das Ergebnis ist ein sehr viel organischerer Sound als auf den vergangenen Alben, dem es aber keineswegs an Druck fehlt. Ja, man ist eigentlich geneigt, dem Klang der Platte ein saftiges „perfekt“ zu attestieren. Ein deutlicher Mehrwert! Beim Artwork, das vom griechischen Künstler Seth Siro Anton (mit dem man schon für „Pestapokalypse IV“ zusammengearbeitet hat) gefertigt wurde, hatte man hingegen schon bessere Händchen. Unterm Strich ergibt das alles neun höllenfeurige Punkte und ein extrem fesselndes Album, das ein wenig, anders kann ich es nicht in Worte fassen, reifer anmutet, dabei aber noch teuflischer klingt als die letzten Veröffentlichungen. Allein die magere Spielzeit fällt negativ auf, doch hier ist das Niveau so hoch, dass einem beim Meckern schwindelig wird.

03.08.2014
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