Carnifex - World War X

Review

Vorausgeschickt: Der Rezensent kann sich die Deathcorebands, welche er goutiert, an Zimmermannshänden abzählen. Die kalifornischen Deathcoreler CARNIFEX hatten dem Großteil ihrer Zunft mit den letzten zwei bis drei veröffentlichen Platten in ihrer Karriere immer ein, zwei Nasenspitzen voraus: Einen charismatischen Fronter und einen großen Einfluss mehr klassischen Death Metals sowie Abwechslung in Form von Einflüssen aus Black Metal oder auch progressiveren Stilen als die Konkurrenz, die im Gros einfach auf Breakdowns und Downtuning im Dutzend setzen.  Und wie ein feiner Wein, sind sie mit dem Alter eher noch besser geworden anstatt an Biss zu verlieren. „World War X“, so viel sei voraus gesagt, setzt diesen Weg fort.

„World War X“ – Mit Biss, Mut und Raffinesse auf den Höllenritt durch ein totes (?) Genre

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, was CARNIFEX ihren Mitbewerbern voraus haben, ist, dass sie den ungeheuren Abwechslungsreichtum der Songs dann auch noch unglaublich catchy verpacken: Ob das ein martialisch arrangiertes Intro mit bedeutungsschwangeren Orchestersynthies im titelgebenden Opener ist oder sich nach ein paar Durchläufen ins Ohr fräsende Refrains wie in „Visions of the End“ oder auch „All Roads Lead To Hell“.

Besagtes „Visions of the End“ walzt sich unaufhaltsam, aber auch groovig voran, mit perfekt die Riffs akzentuierenden Doublebass-Schlägen. Blasts über atmosphärische, an Black Metal angelehnte Leads wie in „This Infernal Darkness“, die so manche Pandatruppe auch nicht besser hinbekommen hätte, können CARNIFEX auch aus dem Effeff.

Dieser symphonisch beeinflusste und atmosphärische Sound mit Black-Metal-Anleihen ist seit den Vorgängern sicher nichts neues mehr, allerdings auf dem neuen Album tatsächlich am effektivsten in Szene gesetzt.  Dazu gibt es in schöner Regelmäßigkeit dann auch noch stilsichere Soli von Jordan Lockrey und Cory Arford in den Songs, die noch das Tüpfelchen aufs i setzen.

Aber keine Angst, liebe Groove- und Ballerfans: „Eyes of the Executioner“ pflügt nach dem Friedhofausflug dann wieder erwartungsgemäß den Vorgarten um, hat aber darüber auch noch gut eingesetzte und effektive Breaks zur Auflockerung mit dabei. Das Hauptproblem der meisten Bands, das konstante Rumreiten auf den tiefen Seiten in Breakdownparts, wird hier gekonnt umschifft.

CARNIFEX verbinden Eingängigkeit und Brutalität des Deathcore mit Abwechslung und anderen Genre-Einflüssen so gut wie kaum eine zweite Band

Auch die Singleauskopplung „No Light Shall Save Us“ mit Unterstützung von Alissa White-Gluz (ARCH ENEMY) hat alle bekannten CARNIFEX-Trademarks: Groovige Breakdowns, Geknüppel, einen effektiven Chorus und selbst eine Alissa, die sonst mit den letzten Scheiben ihrer Hauptband eher schlecht wegkommt bei vielen Hörern, überzeugt mit ihrem Beitrag.

„Brushed by the Wings of Demons“ hat irgendwie alles, was für eine feine, aber exquisite Schlachplatte taugt: Fette Riffs, Ballerei, atmosphärische Soli und Leads, cleane Intermezzi  und ist dabei auch noch mega eingängig. Noch eine bemerkenswerte Kleinigkeit über „World War X“: Das alles kriegen CARNIFEX in etwas über eine halben Stunde unter. Kurzweil und Anspruch, Spaß und Köpfchen, das kommt alles zusammen hier unter auf Platte. Das in einem Genre, das viele schon oft und (gerne) totgesagt haben.

Sollte es so etwas wie eine unheilige Fusion aus  „Reign in Blood“ und „Seasons on the Abyss“ im Thrash in irgendeinem Paralleluniversum geben, wäre „World War X“ ein Pendant dazu im Deathcore, das dem musikalisch und qualitätstechnisch sehr nahe kommen würde. Viel zu meckern gibt es hier eigentlich nicht. Ein wenig mehr Laufzeit wäre sicherlich nett für den ein oder anderen gewesen, allerdings kann man auch wunderbar in kurzer Zeit auf den Punkt kommen und alles gesagt haben.

Auch der Sound kommt zwar äußerst „fett“ aus Handylautsprechern oder Computerboxen, macht sich unter höherwertigen Kopfhörern aber erstaunlich flach aus. Das dürfte aber auch nur absoluten Audiophilen sauer aufstoßen. Somit eine Kaufempfehlung vom eigentlich selbsterklärten Deathcore-Hasser für eine weitere fette Deathcore-Walze aus Kalifornien.

26.07.2019
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