Children of Bodom - Hexed

Review

Dass das Leben auf Tour für einen Musiker kein Zuckerschlecken ist, weiß auch Alexi Laiho, der mit CHILDREN OF BODOM seit über zwanzig Jahren auf Achse ist. Dieser Tage erscheint mit „Hexed“ das zehnte Album der Band, in dessen Opener „The Road“ der Sänger und Gitarrist sein mehrjähriges Tourleben aufarbeitet und im Refrain„This road’s gonna kill me“ krächzt. „Es ist wie eine Droge, weil du einfach nicht aufhören kannst“, erklärt er. „Ich kann nicht aufhören. Ich werde das tun, solange ich lebe und kann mir keinen anderen Weg vorstellen.“

„Es ist wie eine Droge“

So ähnlich verhält es sich auch mit der gesamten Band, die nicht ans Aufhören zu denkt scheint. Doch auch wenn es beharrlich weitergeht, klangen die letzten Alben der Band oft so, als wäre bei den Finnen langsam die Luft raus. Immerhin, nach den beiden Komplett-Verirrungen „Are You Dead Yet?“ und „Blooddrunk“ brachte „Relentless Reckless Forever“ die Band wieder auf Spur, auch wenn das Album etwas unausgegoren klang. „Halo Of Blood“ konnte zumindest ein paar gute Songs vorweisen, wohingegen „I Worship Chaos“ keine Highlights, dafür aber kurzweilige Unterhaltung bot.

Wird auf „Hexed“ nun alles anders? CHILDREN OF BODOM erfinden sich nicht neu, haben aber den alten Ballast abgeworfen, der sich in den vergangenen Jahren angesammelt hatte. Auf den Vorgängern gab es oft Songs, die trotz des musikalischen Könnens – das in der Band ohne Frage vorhanden ist – eindimensional und austauschbar wirkten. „Hexed“ klingt hingegen regelrecht befreit und frisch, lässt Spielfreude erkennen und bietet mehrere durchdachte Kompositionen.

CHILDREN OF BODOM werfen alten Ballast ab

Einen guten Vergleichspunkt bietet die Neuaufnahme des Songs „Knuckleduster“, der bereits vor fünfzehn Jahren auf der EP „Trashed, Lost and Strungout“ zu hören war. Zwar stellt dieser nicht unbedingt ein Highlight auf „Hexed“ dar, veranschaulicht aber die Entwicklung der Band. Die Songs sind vielschichtiger als zuvor, was daran liegt, dass CHILDREN OF BODOM ihre zweifelsfrei vorhandenen musikalischen Fähigkeiten dieses Mal besser nutzen.

Das beste Beispiel hierfür ist Keyboarder Janne Wirman, der aus einer Art Winterschlaf erwacht zu sein scheint und sein Instrument prominent in Szene setzt. Frischer Wind kommt offenbar auch durch Daniel Freyberg in die Band. Der neue Mann an der Rhythmus-Gitarre belässt es nicht bei bloßer Pflichterfüllung, sondern steuert lebendige Riffs bei, die anscheinend auch Bandchef Alexi Laiho dazu angespornt haben, wieder einmal sein volles Potenzial abzurufen. Ausgefeilte Duelle zwischen Keyboard und Gitarre stellen auf „Hexed“ dementsprechend den Höhepunkt der meisten Songs dar.

Eine kleine Stilanpassung sorgt für neue Möglichkeiten

Was „Hexed“ außerdem positiv von seinen Vorgängern abhebt, ist die Offenheit der Band, sich auch beim zehnten Album noch einmal anderen Einflüssen gegenüber zu öffnen. 70er-Jahre-Prog-Rock und Pop-Rock der 80er schimmern an vielen Stellen durch und sorgen für einprägsame Strophen sowie Refrains. Auch an dieser Stelle ist das Keyboard hervorzuheben, dass diese Einflüsse auf eine natürlich klingende Weise in den typischen CHILDREN OF BODOM-Sound einbaut. Bestes Beispiel hierfür ist der Song „Under Grass and Clover“, der alle Stärken von „Hexed“ in sich vereint und auf den Punkt bringt.

Durch diese kleine Stilanpassung erinnert „Hexed“ an vielen Stellen an „Nifelvind“, mit dem die Landsmänner von FINNTROLL vor einigen Jahren durch ähnliche Änderungen ein ähnliches Ergebnis erreichten und neue Möglichkeiten in ihrem Sound fanden. Ansonsten klingen CHILDREN OF BODOM auch im Jahr 2019 immer noch nach CHILDREN OF BODOM und mischen weiterhin harten Rock mit melodischem Death Metal, wie sie es schon seit Jahren tun.

Für die Produktion zeichnete sich Mikko Karmilla verantwortlich, in dessen Studio bereits halb Finnland zu Gast war. Dennoch klingt „Hexed“ nicht nach Stangenware, sondern klar und lebendig. Mal dominiert der Punch des Schlagzeugs, mal die Saiteninstrumente oder das Keyboard. Wirklich in die Quere kommen sich die einzelnen Instrumente jedoch nicht. Dadurch tönt das Album ungezwungen und locker aus den Boxen, versprüht trotz der harten Klänge fast schon eine gewisse Leichtigkeit.

„Hexed“ – Ein zweiter Frühling für CHILDREN OF BODOM?

Also ist alles gut geworden? Die Beharrlichkeit der Band hat sich ausgezahlt? Ja, so ist es – zumindest im Vergleich mit den direkten Vorgängern aus dem Hause Bodom. Mit etwas mehr Abstand betrachtet, lässt sich festhalten, dass „Hexed“ trotz aller Spritzigkeit das Rad nicht neu erfindet. CHILDREN OF BODOM ist dennoch ein sehr gutes Album gelungen, das in seiner Gänze musikalisch ausgereift ist und nicht zuletzt auch Spaß beim Zuhören macht.

Der finnischen Band, die aufgrund ihres Images stets auch ihrer eigenen Jugend hinterherrannte, ist mit „Hexed“ ein erwachsenes Album gelungen, das auch alte Fans und bisherige Verweigerer zufrieden stimmen könnte. Wer allerdings noch nie mit bestimmten Stilelementen der Band, wie dem stellenweise verzerrten Gekrächze von Alexi oder dem ständig präsenten Keyboard, warm geworden ist, sollte besser die Finger davon lassen. Ob dies der Beginn eines zweiten Frühlings für CHILDREN OF BODOM ist, wird jedoch erst in der Rückschau zu bewerten sein – vorausgesetzt, die Straße bringt nicht wirklich jemanden aus der Band um.

01.03.2019
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