Cryptopsy - Cryptopsy

Review

So Leute, da ist es nun, das lang erwartete neue Album der kanadischen Tech-Death-Spezialisten CRYPTOPSY. Gleich vorweg: Nein, Ex-Sänger Lord Worm bleibt Ex und das ist auch gut so! Wem das nicht passt, der kann zum nächsten Artikel übergehen. Und falls du, falls du dich angesprochen fühlst, immer noch nicht empört genug bist, lege ich gern noch nach: Der Typ konnte in meinen Ohren noch nie wirklich gut grunzen und klingt schlimmer als das vergammelte Abfluftrohr einer miefigen Pommesbude. Aber ich will ja nicht so sein, denn was er bald mit RAGE NUCLÉAIRE und deren Debütalbum musikalisch abliefert, passt deutlich besser zu seiner Stimme. Die Scheibe perlt gut rein. Also, zurück zu CRYPTOPSY. Matt McGachy ist nach wie vor im Rennen und macht seinen Job auch verdammt gut. Ausgewechselt wurde Bassist Éric Langlois, der von 1996 bis 2011 an den dicken Saiten pulte. Als Ersatz tritt Olivier Pinard in die Fußstapfen, der sein vorzügliches Können bereits bei VENGEFUL oder NEURAXIS zeigen konnte. Ebenso ist zu vermelden, dass Saitenhexer Jon Levasseur wieder dabei ist, der sich 2005 aus der Band verabschiedete. Kenner und Wisser dürfen sich also die Hände oder Öhrchen reiben, denn Levasseur und Chris Donaldson sind beides geniale Klampfer und Songwriter. Über Monster-Drummer Flo Mounier brauche ich wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Man sollte lediglich darauf achten, dass man beim Hören seines Spiels die Kauluke zwischendurch auch mal dicht macht, damit einem die empfindlichen Mundschleimhäute nicht austrocknen.

Schlicht betitelt mit „Cryptopsy“ stellt das Album wohl so etwas wie die Rückkehr zu alten Tugenden dar. Jap, ihr habt richtig gelesen! Vorbei ist die Zeit der modernen Experimente, des Cores (gab es den überhaupt?) und der Clean Vocals. Auf dem selbstbetitelten Album regiert der Vorschlaghammer, die volle Wucht ins Gesicht, der Tritt in die Familienplanung. Klingt lecker? Ist es auch! Und trotzdem kopieren sich CRYPTOPSY keineswegs selbst oder wärmen einfach nur (k)alten Kaffee wieder auf. Ihre Musik klingt zeitgemäß, aber bestückt mit der Durchschlagskraft von einst. Spannend ist noch zu erwähnen, dass sie die Scheibe ohne Label im Rücken veröffentlichen. Aus meiner Sicht unfassbar, dass sich scheinbar kein Label mit einem vernünftigen Angebot an die Band gewandt hat. Ich finde es von den Musikern konsequent und sehr mutig, dass sie ihr Ding (vorerst?) alleine durchziehen wollen.

Gleich zu Beginn des Albums machen CRYPTOPSY mit „Two-Pound Torch“ ganz klar, woher der Wind weht; nämlich von vorn. „Shag Harbour’s Visitors“ säbelt dich förmlich auseinander, bevor es mit „Red-Skinned Scapegoat“ ein wahnsinniges Riffmassaker gibt, eingestreute Jazz-Passagen inklusive. Schon nach diesen ersten drei Stücken dürfte mehr als deutlich sein, dass CRYPTOPSY ihre lange, sehr lange nörgelnden Fans und Kritiker erhört und den Härtegrad ihrer Musik wieder deastisch nach oben geschraubt haben. Es gibt wieder deutlich mehr Blast-Attacken, übel tiefes Gegrunze ohne klares Geheule, schweißtreibende Donnerparts und Druck und Druck und Druck. Die Band klingt dabei trotzdem immer so anspruchsvoll wie nur möglich.
Mit „Damned Draft Dodgers“ geht es munter weiter und das Stück knattert dir sauber die Birne weich. Erinnerungen an „Whisper Supremacy“ werden wach. Totales Gemetzel! „Amputated Enigma“ konnte man im Vorfeld des Albums bereits in einer Live-Version mit relativ schlechtem Sound über YouTube sichten. Spätestens ab diesem Stück habe ich stets das Gefühl, dass CRYPTOPSY auf dem Album von Lied zu Lied extremer werden. Was für ein abartig geiles Geballer die Burschen auffahren; absolut irre. „The Golden Square Mile“ bietet zunächst etwas Erholung, falls man das bei der Musik der Kanadier überhaupt sagen darf, schlägt dann aber auch schnell wieder in ein oberbrutales Hackfest um. Ich finde es immer wieder bewundernswert, wie es diese Band bislang auf jedem (!) Album geschafft hat, über die konstante Spieldauer diesen enorm hohen musikalischen Druck aufrecht zu erhalten. Die Stücke drücken und zwingen dich als Hörer regelrecht in die Ecke. Die totale Zerstörung wurde dann in Form von „Ominous“ gegossen. Das Teil rammt dich mal eben komplett weg und zeugt kurz vor Ende des Albums keineswegs von Müdigkeit, sondern setzt abermals einen deutlichen Akzent. „Cleansing The Hosts“ beschreibt das Finale und blastet abschließend alles kurz und klein, bevor es ganz plötzlich still wird und man sich von der Anspannung befreit in den Sessel zurückfallen lassen kann.

Die Produktion ist modern gehalten, klingt jedoch nicht zu klinisch oder zu steril. Die Handschrift von Chris Donaldson ist deutlich heraushörbar und das starke Ergebnis beantwortet einmal mehr die Frage, warum er mittlerweile viele Bands aus ähnlichen musikalischen Sektoren produziert. CRYPTOPSY haben mit ihrem selbstbetitelten Album ein klares und musikalisch eindrucksvolles Statement abgeliefert. Sie sind zurück mit der Wucht einer Nuklearexplosion. Hier gibt es keine Gnade, kein Durchatmen, keine großartigen Kompromisse. Wer jetzt noch meckert, muss unweigerlich auf die alten Alben zurückgreifen. Angesichts der starken Leistung, Besinnung und Entwicklung, welche die Kanadier hier aufzeigen, dürfte klar sein, dass es kein Weg zurück gibt. Und das ist auch gut so!

08.09.2012
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