Edguy - Tinnitus Sanctus

Review

Am spaßbetonten Auftreten und den extravaganten Outfits von Frontmann Tobias Sammet scheiden sich schon immer die Geister. Bei objektiver Betrachtung muss man EDGUY aber zugestehen, nach wie vor zu den innovativsten und wichtigsten traditionellen Metal-Bands Deutschlands zu zählen. Um „Tinnitus Sanctus“ werden viele wohl spätestens angesichts des albernen Albumtitels einen großen Bogen schlagen. Schade eigentlich, denn sie verpassen ein Werk, das den auf den sieben Vorgängeralben eingeschlagenen Weg fortsetzt und dennoch aus diesen heraussticht.

Insgesamt wirkt die neue EDGUY-Platte zwar nicht so vielseitig wie „Rocket Ride“, dafür aber in sich geschlossener und etwas homogener. Von eintöniger Standard-Mucke ist man aber meilenweit entfernt. Die Hessen wirken nach wie vor hungrig und wollen noch lange nicht darauf verzichten, sich selbst im Rahmen ihrer musikalischen Identität immer wieder neu zu erfinden.

Mit fetten Riff-Attacken gibt „Ministry Of Saints“ das Tempo vor. Die düstere Atmosphäre von „Tears Of A Mandrake“ wird auf einen erdigen Riff-Rocker übertragen, zugleich hätte der Song aber in ähnlicher Form bereits auf „Hellfire Club“ stehen können. Auch der Midtempo-Stampfer „Sex Fire Religion“ passt grob in dieses Schema, bevor der Gute-Laune-Song „The Pride Of Creation“ und das von einem ultrasatten Basis-Riff sowie leichten Elektronik-Spielereien lebende „Nine Lives“ das musikalische Spektrum etwas aufweiten.

„Wake Up Dreaming Black“ könnte ein klassischer EDGUY-Smash-Hit der „Vain Glory Opera“-Ära sein. Dagegen markiert „Dragonfly“ die experimentelle Seite des Albums und gleichzeitig eines der absoluten Highlights. Vom leicht funkigen Gitarren-Sound bis zu den fetten Chören im Refrain stimmt hier einfach alles. Auch die Halbballade „Thorn Without A Rose“ fällt dagegen kaum ab und markiert den ruhenden Pol der Scheibe.

Weiter geht es mit dem flotten „9-2-9“, dessen poppige Melodien einigen Szene-Wächtern ein echter Dorn im Auge sein werden. Anders als es der Titel vermuten lässt, halten sich die Klassik-Reminiszenzen in „Speedhoven“ in Grenzen. Tobi Sammets Ode an den Geist der wahren Kunst ist ein sehr eigenständiges und vielschichtiges Stück geworden. Dagegen huldigt die Strophe von „Dead Or Rock“ gekonnt den großen Vorbildern QUEEN, deren „One Vision“ zwar nicht bewusst Pate gestanden haben soll, hier aber dennoch überdeutlich grüßen lässt.

Als Rausschmeißer gibt’s das launige Country-Metal-Stück „Aren’t You A Little Pervert Too“, das überdeutlich den Sammet-typischen Humor an den Tag legt und ein starkes Album zu einem würdigen Abschluss bringt. Für die Produktion zeichnete wieder einmal Sascha Paeth in den Wolfsburger Gate-Studios verantwortlich, der erwartungsgemäß überhaupt nichts anbrennen lässt und soundtechnisch keine Wünsche offen lässt.

Unterm Strich haben EDGUY also mit „Tinnitus Sanctus“ wieder einmal ein starkes Album herausgebracht, das die Trademarks der Band auf den Punkt bringt und dennoch genügend neue Elemente mit einbringt, um sich von den bisherigen Veröffentlichungen der Band abzuheben. Für die ewigen Nörgler gibt es wieder genügend Gründe, die Band zu hassen, Fans bekommen aber wieder einmal genau das, was man von EDGUY erwarten kann und wofür es sich die Band zu lieben lohnt.

10.11.2008
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