Fields Of The Nephilim - Dawnrazor

Review

Besser spät als nie – der Tellerrandblick auf eine der einflussreichsten Bands des Gothic Rock. Die Rede ist natürlich von FIELDS OF THE NEPHILIM, deren Frühwerk auf metal.de bislang sträflich vernachlässigt worden ist und deren Debütalbum „Dawnrazor“ nur ein Grund für den fast schon entrückten Status der Band ist. Erstaunlich genug, denn zunächst sah es nicht danach aus, als ob sich die Band einmal für höhere Weihen empfehlen könnte. Das Quintett um den charismatischen Sänger und Frontmann Carl McCoy gründete sich 1984 im britischen Stevenage, Hertfordshire und orientierte sich auf der Suche nach einer eigenen Ausdrucksform zunächst an vorhandenen Vorbildern.

FIELDS OF THE NEPHILIM kehrten im Frühjahr 1987 im Italo-Western-Style zurück

Das erste Line-Up umfasste den Saxofonisten Gary Wisker, der auf der ersten veröffentlichten EP „Burning The Fields“ (1985) zu hören ist, aber schon bald durch den Rhythmusgitarristen Peter Yates ersetzt wurde. Es folgte eine weitere EP („Returning To Gehenna“, 1986) sowie die Single „Power“, und damit einhergehend schraubte die Band an ihrem optischen Stil: Mit der Single „Preacher Man“ und dem Album „Dawnrazor“ kehrten FIELDS OF THE NEPHILIM im Frühjahr 1987 im Italo-Western-Style zurück, und nur wenige vermochten die recht deutlichen Parallelen zu den unlängst erfolgreichen SISTERS OF MERCY nicht zu sehen. Der Dirty-Cowboy-Look mit den langen mehlbepuderten Ledermänteln, den Hüten und der Schweißerbrille von McCoy war für den damaligen Geschmack so neu nun auch nicht.

Gute 30 Jahre und Dutzende Nachahmer später darf das Urteil ein wenig milder ausfallen. Und „Dawnrazor“ ging dann doch einen etwas anderen Weg als beispielsweise „First And Last And Always“. Sicherlich gab es bei der gezupften Gitarrenarbeit von Paul Wright Parallelen zum Spiel von Wayne Hussey, aber der FIELDS-Gitarrist webte seine Patterns halt noch ein wenig dichter. Zudem verwendeten Carl McCoy & Co. keinen Drumcomputer, sondern hatten mit Nod Wright einen gleichsam agilen wie präzisen Drummer in ihren Reihen. Komplettiert wurde die Musikerriege von Tony Pettitt, dessen Bassläufe auch heute noch Trademark-Qualitäten haben, und eben Peter Yates, der als zweiter Gitarrist für die verzerrten Powerchords und teilweise für die einfacheren Leads zuständig war.

Zwischen Gemeinsamkeiten und Trademark-Qualitäten

Beim Intro „The Harmonica Man“ (im Original von Ennio Morricone) knüpfen FIELDS OF THE NEPHILIM an ihr Dusty-Cowboy-Image an, um im Verlauf ihrer 35-minütigen Reise (das ursprüngliche Vinyl-Album hatte nur acht Songs, die auf CD um fünf Tracks erweitert wurden) sich thematisch breiter aufzustellen: Da haben psychedelische und mythische Elemente ebenso ihren Platz wie nukleare Endzeitszenarien im treibenden Opener „Slow Kill“. Schaurig schön ist hier in Carl McCoys Stimme die Verbindung zwischen tiefer Tonlage und diesem jammernden Vibrato. Eine Sache, mit der der Sänger immer wieder experimentierte.

Und auch musikalisch haben sich FIELDS OF THE NEPHILIM recht breit aufgestellt. Neben den riffgetriebenen, mit Strophe, Bridge und Refrain nachvollziehbar aufgebauten Gothic-Rock-Stücken gibt es auf „Dawnrazor“ auch breiter angelegte Songs – das längliche „Vet For The Insane“ beispielsweise, das sich mit seinen Gitarrenpatterns fies ins Unterbewusstsein einschmeichelt, oder der dramatisch-dräuende Titeltrack. Das abschließende „The Sequel“ besitzt wiederum einen tollen Refrain, setzt aber etwas unvermittelt ein – als ‚Sequel‘ eben.

Ebenfalls nicht schlecht ist „Dust“, das zwischen dünnem Gummibandbassriff und einem anschwellenden, euphorischen Hauptthema wechselt und für die Cowboyseite des Albums steht. Bleibt noch das eingängige, wenn auch etwas eindimensionale „Volcane (Mr. Jealousy Has Returned)“ sowie „Reanimator“, bei dem man immer das Gefühl hatte, dass der Refrain etwas hinter den Möglichkeiten blieb.

Erweiterte Tracklist der CD-Version von „Dawnrazor“

Die Tracklist von „Dawnrazor“ wurde in der CD-Version um die fünf Songs der „Power“- und „Preacher Man“-Singles erweitert – eine Sache, die man durchaus unterschiedlich bewerten kann. Einerseits war gerade das unwiderstehlich treibende „Preacher Man“ damals der größte Hit der Band, und „Laura II“, „Power“ (mit seinem genialen Gitarrenthema), „Secrets“ und „The Tower“ (bei dem sogar das Saxofon noch zu hören ist) sind starke Songs. Ein Gewinn für das Album also. Andererseits ist „Dawnrazor“ in seiner ursprünglichen Inkarnation ein in sich geschlossenes Album, die unterschiedlichen Produktionen fügen sich nicht völlig harmonisch zusammen, und auch die Band selbst hatte zwischen den Aufnahmen hörbar einen weiteren Entwicklungsschub genommen.

Aber das ist Kritteln auf hohem Niveau. Wer wollte, konnte seinen Player entsprechend programmieren, und Enthusiasten wird das eh nicht davon abgehalten haben, sich das Album und die Singles zuzulegen – vor allem, da bereits wenige Monate später der neue, aufregende Track „Blue Water“ auf den Markt kam. Das Nachfolgealbum „The Nephilim“ ließ zudem keine anderthalb Jahre auf sich warten und setzte auf das vorherige nochmals einen drauf – aber das ist eine andere Geschichte und wird in diesem Rahmen sicherlich noch einmal separat besprochen.

01.05.2019

- Dreaming in Red -

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