Hate - Crusade:Zero

Review

Vermutlich kennt jeder Musikfreund den Moment, in welchem die ersten Töne eines Albums erklingen und man sich verwundert fragt, wie man überhaupt vergessen konnte, dass sich dieses musikalische Machwerk im hauseigenen Konvolut befindet. Wie konnte ich das neueste Album der Warschauer Todesschlächter nur vergessen? Doch dabei allein bleibt es nicht. Es gibt Bands, deren Neuveröffentlichungen man jahrelang verfolgt und die es – insbesondere durch zahlreich besuchte Live-Auftritte – mit jedem Mal schaffen, sich die Frage zu stellen, warum ihnen so wenig Aufmerksamkeit zuteil wird. Somit kommen wir auch schon zur Quintessenz dieser Rezension, in diesem Fall ist es neben der Einschätzung zum neuen Album zudem eine Frage: Wieso kennt eigentlich niemand HATE?

Wieso man sie überhaupt kennen sollte, ist schnell beantwortet. Noch vor wenigen Monaten hätte man von mir folgende Begründung erhalten: „Jeder Zweite trägt ein BEHEMOTH-Shirt – aber niemand kennt HATE? Das verstehe ich nicht. Im Prinzip klingen sie doch wie BEHEMOTH anno 2004 oder 2007 – nur mit weniger Inszenierung, Show und Schnickschnack.“ Natürlich werden solche Vergleiche besonders seit vergangenem Jahr nur ungern gesehen, aber die eigentliche Frage bleibt offen: Wieso denn eigentlich? Also an uns kann es nicht liegen. Nach kurzem Stöbern kann ich vermelden, dass wir unsere Pflicht erfüllt und seit 2003 ausnahmslos auf alle Alben von HATE hingewiesen haben. Von acht Vorgängern sind fünf Reviews zu vermelden, in denen mehr oder weniger jedes Mal steht, dass man HATE tunlichst antesten sollte. Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Argumente: Atmosphärischer Hassbrocken, kalte Epik, technisches Können – ein Anhör-Tipp von vorne bis hinten.

Seit dem Vorgänger „Solarflesh“ sind nun zwei Jahre vergangen und nicht nur das Cover lässt frischen (neuen?) Wind vermuten. Bereits der erste Durchlauf zeigt, dass sich HATE auf ihrem Weg weiterentwickelt haben – gezwungener- und gewolltermaßen (R.I.P. Mortifer). „Crusade:Zero“ ist energie- und hassgeladen, aber dabei doch unerwartet direkt. Die Sache mit den Intros hatten HATE beispielsweise schon immer raus, diesmal setzen sie zu Beginn einfach mal zwei hintereinander. Der Nutzen hiervon bleibt, insbesondere bezüglich des Hörflusses des Gesamten, zu hinterfragen, auch wenn „Vox Dei (A Call From Beyond)“ eher episch und „Lord, Make Me An Instrument Of Thy Wrath!“ Soli-technisch zu überzeugen vermögen. „Crusade:Zero“ fasst viele von HATEs Stärken zusammen: Es ist kraftvoll, melodisch, organisch, zeitgemäß und vielschichtig. Es klingt dabei zwar unverkennbar nach HATE, wenn man sie denn kennt, aber anders als „Erebos“, anders als „Solarflesh“, mit „Morphosis“ hat es allein von der Stimmung her nur noch wenig gemeinsam. Trotzdem ist es blasphemisch, morbide, geladen, aber nicht ganz so düster wie seine Vorgänger. Es ist direkter und zielgerichteter – nicht zuletzt ist es mehr Death Metal und weniger Inszenierung, aber es bedarf einer extra Portion Geduld, um die Stärken zu entfalten. Gegenüber „Anaclusis – An Haunting Gospel Of Malice & Hat“ erscheint es „zahmer“, kaum noch „kalt“, wohl aber organischer. Die Leads sind nach wie vor höchst melodisch, ATF Sinner hetzt in altbekannter und starker Manier, die Drums setzen gern gehörte Druckpunkte und der Sound wurde abermals verbessert. „Leviathan“ zeigt den neuen Umschwung und Tracks wie „Valley Of Darkness“ und „Rise Omega The Consequence!“ lassen keinen Stein auf dem anderen. Es lohnt sich also, den „Play“-Button zu drücken.

Und? Klingt doch gut, oder? Eben. Wieso kennt also niemand HATE?

Ist es, weil sie auch aus Polen kommen, aber VADER, DECAPITATED und BEHEMOTH sie einfach ausstechen? Vielleicht, weil sie wie BEHEMOTH klingen? Auch auf unserer Seite wurde einmal (lautstark) gemunkelt, es handele sich um eine Kopie der zuletzt genannten und womöglich bekanntesten Referenz. Eben diese „Konkurrenz“ hat vergangenes Jahr ein ziemlich fettes Ding von der Leine gelassen, somit lässt sich der Vergleich auch in aktueller Hinsicht schnell schließen: „Crusade:Zero“ ist keine Kopie des Jüngers des Zwiegehörnten, wirklich kein Stück. Keine Kopie, kein Bruder – allerhöchstens ein weit abgelegener Verwandter. Vielleicht ist auch das der Grund, warum es nur für sieben Punkte reicht: Es ist nicht ganz so vielschichtig wie man es hätte erwarten können, es ist andersartig, und es zeigt zwar Stärken, aber auch unübersehbare Schwächen und erscheint im Gesamtbild schon beinahe „plump“. Zu plump? Das nicht, „Crusade:Zero“ erscheint jedoch weder besser noch schlechter als seine Vorgänger – höchstens anders. Aber HATE sind nach wie vor hörenswert – und live eine Wucht!

Deswegen die Frage: Wieso kennt eigentlich niemand HATE? – HATE IS THE LAW! „Crusade:Zero“ mag vielleicht kein Überflieger sein, aber spätestens jetzt sollte man wirklich einmal ein Ohr riskieren.

30.04.2015

The world is indeed comic, but the joke is on mankind.

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