Heresy (U.K.) - Face Up To It

Review

Ende der 80er Jahre wurde der Grindcore, bzw. Hardcore vollkommen anders definiert als heutzutage. HERESY waren seinerzeit im United Kingdom eine der bekanntesten Bands aus diesem Genre und haben neben NAPALM DEATH, RIPCORD, DISCHARGE, EXTREME NOISE TERROR, CONCRETE SOX, THE STUPIDS und einigen anderen die Fahnenstange des Hardcore am höchsten gehalten.

„Face Up To It“ erschien 1988 und gehört sicherlich zu den besten Hardcore-Alben dieser Epoche (obwohl die Band selbst es erstaunlicherweise nie wirklich mochte! „Face Up To It – It’s Shit“ war ihre Aussage hinterher dazu) und hatte, der Zeit entsprechend, auch einen recht guten, modernen (!) Sound. Man darf hier natürlich keine fetten Sound-Granaten erwarten und Plastik-Triggerdrums, aber es klang nicht nach einer Aufnahme mit einem billigen Rekorder, der irgendwo im Proberaum in einer versifften Ecke stand. Das Schlagzeug wurde definitiv im Studio überarbeitet, denn vollkommen natürlich klingt es nicht, aber dafür rödeln die Gitarren sehr gut dazu und der Sänger röchelt und schreit mit klarer aber aggressiver Stimme zu jedem Song, bis die Adern am Hals austreten.

Meistens im Uptempo-Speed knattern HERESY ihre Stücke runter und versprühen dabei nicht nur Hardcore-Feeling der alten Schule mit Grindcore-Ansätzen, sondern auch eine gehörige Menge ungestüme Punk-Power. Zudem waren sie eine der wenigen englischen Bands, die stilistisch leicht in die U.S.A. rüber schielten, wo bereits Bands wie SIEGE ihr mehr oder minder erfolgreiches Unwesen trieben.

Wenn man heutige Hardcore-Bands hört (und ich meine Hardcore, nicht so einen komischen Metal-Mischmasch!) und HERESY sowie die oben genannten Bands von früher noch kennt, merkt man ganz klar, woher diese ganzen jungen Stöpsel ihre Einflüsse beziehen.

Ein weiteres spannendes Element bei HERESY und den anderen Bands aus ihrer Zeit ist, das alle irgendwie irgendwas miteinander zu tun hatten. Der Bassist von RIPCORD spielte Bass auf „Face Up To It“, Musiker von UNSEEN TERROR und NAPALM DEATH wechselten hin und her zu HERESY und zurück und irgendwie war die damalige Hardcore-Szene in England eine Inzestfamilie, die aber trotz aller Wechsel stets gut bis sehr gut funktionierte.

Das Entscheidende bei „Face Up To It“ ist, dass dieses Album vorzüglich den Zeitgeist der damaligen Epoche wiedergibt. Es wurde nicht über Monster, Kannibalen-Nonnen oder Weltraumherpes gesungen, sondern fast ausschließlich politische und soziale Themen standen im Mittelpunkt der Musik, was zudem ein Antrieb für den wütenden und vor allem ehrlichen Ausdruck der Musik war und nach wie vor ist. Aufrichtiger kann man Hardcore eigentlich kaum spielen.

Für wichtig halte ich noch anzumerken, dass HERESY gar nichts (aber auch rein gar nichts!!!) mit dem modernen Hardcore gemein haben, wie man ihn heute versteht. Hier gibt es nicht ein einziges reines Metal-Riff oder Groove-Geschrubbel, hier gibt es ausschließlich ordentlich was auf die Glocke, und zwar bis der Arzt kommt. Nix mit „Motherfucker“ oder einen auf dicke Hose und Goldkettchen. Gegen die Energie von HERESY und ihren damaligen Brüdern kann so manche selbsternannte Hardcore-Top-Truppe von heute ihre Sachen packen.

„Face Up To It“ wurde 2006 mit einigen Bonus Tracks über Boss Tuneage erstmalig auf CD veröffentlicht. Bislang gab es das Album nur auf der HERESY-CD-Compilation „Voice Your Opinion“, zu der es ein Schwester-Release mit dem Namen „Visions Of Fear“ gibt, auf dem die restlichen musikalischen Ergüsse der Band verewigt wurden. Mittlerweile haben sich Boss Tuneage sämtlichen alten Aufnahmen HERESYs angenommen und diese veröffentlicht. Dieser Stoff dürfte nicht nur für Sammler und Old-School-Hasen interessant sein, deshalb zuschlagen bevor die mit Sicherheit geringen Auflagen ausverkauft sind.

01.03.2007

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