Kamelot - The Black Halo

Review

Powermetalscheiben sind immer ein leidiges Thema für einen Redakteur, der monatlich ein halbes Dutzend Platten dieses Genres zugesteckt bekommt. Auch wenn mal irgendwie alles zu stimmen scheint und die Alben absolut rund funktionieren – so richtig von Hocker hauen sie einen nicht. Irgendwie hat man alles schonmal gehört, alles schonmal gefühlt und alle Genregrenzen schonmal ertastet.
Und dann bringt irgendwie still und heimlich die vierköpfige Truppe von Kamelot ihr neues Album auf den Markt und machen alles anders. Waren sie auf ‚Epica‘ schon auf seltsamen eigenen Pfaden unterwegs, so haben sie ihren Stil diesmal nicht nur verfeinert, sondern gleichzeitig auch mit Melodien versehen die ausgefeilt genug sind um wirklich von vorne bis hinten zu fesseln. Textlich halten sie sich hier an den zweiten Teil von Goethes Faust, der theoretisch recht gut vertont ist, aber in der Story stark vereinfacht und leicht entfremdet wurde, was der einzige Grund ist warum hier nicht die Höchstnote gezückt wird.
Denn das Material auf ‚The Black Halo‘ ist einfach nur fantastisch. Offensichtlich ist bei der Band genau das eingetreten, was bei allen Bands eintritt wenn sie schon so einige Alben auf dem Buckel haben: Sie erlangen Reife, verkniffeln sich in ungewöhnlicheren Melodien, schieben dem musikalischen Ausdruck eine größere Rolle zu und verleihen dem Gesamtwerk eine gewisse Tiefe, die von jungen Bands nur selten zu erwarten ist. Genauso ist es hier eingetreten, und mit einer Unterstützung von Shagrath (Dimmu Borgir), einigen Sängerinnen, sowie Stratovarius Keyboarder Jens Johansson macht man sich auf die Reise in eine herrliche einstündige Klangwelt. Gleich der fulminante Opener ‚March of Mephisto‘ zeigt dass hier absolut nichts nach Einheitsbrei klingt und eine düstere Atmosphäre erschaffen wird, die fast greifbar ist. Überraschenderweise klingt das Solo auch absolut nicht nach skandinavischem Trallala, sondern eher nach düster-progressiver Dissonanz, was sich im Kontext wunderbar macht und für mehr als eine Gänsehaut sorgt. Nach der folgenden typischen Kamelotnummer ‚When the Lights are down‘ folgt dann unaufhaltsam Kracher auf Kracher; Meisterwerk auf Meisterwerk und Atmosphärenwechsel auf Atmosphärenwechsel. Abgesehen von der großartigen Halbballade ‚Abandoned‘ ist jeder Song absolut moshbar und macht regelrecht luftgitarrensüchtig. Und wenn man es dann noch hinbekommt aus so großartigen Songs wie ‚This Pain‘, dem Titeltrack oder ‚Nothing ever dies‘ ein neunminütiges Meisterstück (‚Memento Mori‘) herausragen zu lassen, darf man sich sicher sein eines der bedeutensten Power Metal Alben des Jahres rausgebracht zu haben.
Dementsprechend herrscht hier absolute Kaufpflicht. Es entschädigt lyrisch gesehen zwar nicht das Lesen des eigentlichen Klassikers von Goethe, bringt aber soviel frischen Wind in ein zugestaubtes Genre dass man endlich wieder stolz darauf sein kann, Power Metal Fan zu sein. Also: Genießen wir das Album, lesen wir nochmal die beiden Teile von Faust, und hoffen wir dass Kamelot endlich mal den kommerzellen Erfolg bekommen, den sie verdienen!

27.03.2005
Exit mobile version