Lolita Komplex - Le Cabaret Des Marionnettes

Review

Um den großen Scoup gleich vorwegzunehmen: Die sechsköpfige Band LOLITA KOMPLEX, die sich fließend zwischen den Genres Industrial, Punk und Gothic bewegt, und die sehr offensichtlich mit ihrem Visual Key Outfit kokettiert, kommt gar nicht aus Japan, sondern aus Wien. Ich schreibe das deswegen gleich an den Anfang, weil ich mir das Debütalbum „Le Cabarett Des Marionnettes“ zweimal durchhören musste, bis mir eine große Sache spanisch vorkam und ich notgedrungen nachrecherchieren musste. Denn am Anfang sprach erstmal einiges für die Herkunft aus Fernost: Es gibt einen Wechsel aus japanisch singender Frauenstimme (!) und akzentbehaftetem, meist englischesprachigem Männergesang, die typisch schlechte japanische Abmischung, sowie ein Booklet, das auch für J-Pop-Verhältnisse durchgehen könnte. Einige Bandmitglieder sind nebenbei keine Unbekannten mehr: Erwähnter Sänger Eve Evangel, sowie Gitarrist Dushi haben schon in den 90ern die sehr erfolgreiche österreichische Band SANGUIS ET CINIS gegründet, welche damals mit etwa LACRIMOSA und GOETHES ERBEN Teil der Neuen Deutschen Todeskunst war.

Direkt in der Musik spiegelt sich das jedoch nicht wieder. Und das war auch der Grund gewesen, warum ich mir irgendwann sicher den Ursprung der Band als einen nicht japanischen bestimmen konnte: Über weite Teile der Platte wird hier biederstes deutsches Songwriting runtergestumpft. Klingt das punkige „Vienna Is Hell“, oder der groovende Rausschmeißer „Inside“ noch irgendwie nett, beginnen die restlichen Songs schnell zu nerven. Der plumpe Industrialstampfer „Lausbub“ soll wohl RAMMSTEIN imitieren, taugt aber nicht einmal als B-Seite. „Demon Child“ will zwar düster sein, wirkt aber eher träge, und „Your Misery“ hätte wirklich nicht der Opener sein müssen. Darüber hinaus zeigen einige Nummern, wie der Titeltrack, „Lo-Lee-Ta“ oder die flotten „Backstage“ und „Dance With Me“ an einigen Stellen zwar große Ansätze, besitzen aber nicht die Hingabe im Songwriting um am Ende wirklich herauszuragen. Das tun dafür zwei andere Songs, die ich auch deshalb hervorheben will, weil ich in ihnen das Prinzip des japanischen Komponierens am perfektesten verwirklicht sehe. Was ich daran nämlich am meisten schätze, ist die perfektionistische Wirrheit, mit der Genres wie selbstverständlich miteinander vermischt, und auch skurrilste Gitarrenlicks oder Songideen über die Spielzeit nach Hause gefahren weren. „Dollhouse“ ist für mich genau so ein Lied, weil es sich mutig an einem merkwürdigen Groove versucht, mit Ohrwürmern nur so um sich schmeißt und zwischenzeitlich auch mal vom fröhlichen Up-Tempo-Hauptthema in tiefes Industrialgeschrammel hinüberwechselt. Ähnlich stark – und regelrecht authentisch – sehe ich auch die Halbballade „mori ni“, die für mich genauso auch auf einer KAGEROU-Platte stehen könnte. Hierzu trägt auch der japanische Gesang von Nana und Eve Evangel bei, den vermutlich nur noch ein Muttersprachler als akzentbehaftet entlarven kann.

Und obwohl der letzte Absatz eher negativ klang, will ich ihn unter der Kategorie „Raum für Verbesserungen“, denn als Verriss verstanden wissen. Auch wenn die eigentlichen Musikkompositionen bei „Le Cabaret Des Marionnettes“ am deutlichsten zwischen der Band und einer guten Wertung stehen, habe ich großen Spaß gehabt, mich in das Album und das Bandkonzept hineinzuhören. LOLITA KOMPLEX befinden sich in der elitären Position, die erste richtige deutsche J-POP- / J-ROCK-Band zu werden, und großartige Nummern wie „Dollhouse“ untermauern diesen Anspruch. Und obwohl diese Musiksparte im Metalbereich – zu Unrecht – belächelt wird, wäre das eine Bereicherung, wenn die fantastisch wirre Art des japanischen Songwritings auch im deutschsprachigen Raum Vertretung finden würde. Bis zur zweiten Platte muss dafür aber verstanden werden, dass die Musikrichtung Visual Key nicht nur etwas Optisches, sondern auch etwas Musikalisches meint.

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02.06.2011

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