Lunar Aurora - Zyklus

Review

Über Bands, welche die Black-Metal-Szene über die Jahrzehnte hinweg bleibend beeinflusst haben, lässt sich durchaus kontrovers streiten. Für die deutsche Szene zwischen den mittleren Neunzigern bis hin zum furiosen Vorerst-Cut mit „Andacht“ aus dem Jahr 2007 dürfte die bayrische Truppe LUNAR AURORA wenig Diskussionsgrundlage bilden – zu klar waren die im Underground immer wieder erfolgreichen Merkmale aus geistreichen Texten, ergreifenden Momenten und einem für diese Zeit herrlich dezenten, aber bemerkenswerten Keyboardeinsatz, was fast jedes Album zu einem Highlight für sich gemacht hat.

Sound wie ein Leichentuch

Gegen die Urväter hatten es auch die anderen durchaus starken Kollektive unter dem Banner von Cold Dimensions wie GRAUPEL oder MORTUUS INFRADEAMONI schwer, denn etwa mit dem gemeinhin als absoluten Klassiker gehandelten „Seelenfeuer“ oder auch dem später zeitweise nur schwer zu erlangenden „Of Stargates And Bloodstained Celestial Spheres“ hatten LUNAR AURORA bereits einzigartige Meilensteine erschaffen. Im selben Jahr erschienen dann 2004 „Elixier Of Sorrow“ und im November schließlich „Zyklus“, ein Werk das den menschlichen Lebenszyklus im Rahmen von vier Songs zwischen Morgen und Nacht versinnbildlicht.

Zunächst einmal handelt es sich hierbei wohl um das letzte Werk der Band, dessen Sound kaum besser zum Covermotiv des Menschen in Leichentuch passen könnte. Mit rudimentär dünnen Basslinien fokussieren sich LUNAR AURORA auf kalte Riffs und rasende Ausbrüche, die mit Sindars gewohnt sphärischen Keyboardelementen umgarnt werden. Der Nachfolger „Mond“ dringt da ganz bewusst in völlig andere Regionen vor und klingt in diesem Zusammenhang beinahe mechanisch.

„Zyklus“ ist ein finst’rer Seelensturm

Dieses vom Fleisch befreite Soundskelett passt aber ideal zur Anlage von „Zyklus“, dem man nach dem ersten Vogelzwitschern in „Der Morgen“ relativ zügig anmerkt, dass sich das eingespielte Rosenheimer Trio hier eher auf die düsteren Ebenen des menschlichen Daseins stützt. Der Spannungsbogen und die damit verbundene Nachvollziehbarkeit wird über das komplette Werk stetig nach vorne getrieben. Während „Der Morgen“ im weiteren Fortgang die Reihen langsam abdunkelt, markieren „Der Tag“ und „Der Abend“ auch vermehrt stürmische Phasen.

Hinaus, im finst’ren Seelensturm, entfesselt, um die Welt zu schleifen.
Hinaus, im finst’ren Seelensturm, ins Verderben sie zu treiben.

Wie auf anderen Alben der Bayern, lohnt es sich auch bei „Zyklus“ die Texte der Bayern zur Hand zu nehmen und im Einklang mit der Musik wirken zu lassen. Beim abschließenden „Die Nacht“ dominiert schließlich der Tod. Das Leben ist ausgehaucht, wobei nun andere, auditiv nachvollziehbar gemachte, Kräfte walten. Hier finden sich flüsternd und klagend auch ein paar klare Vocals. Der Schlussepos wirkt teilweise dramatisch, aber auch gleichermaßen unausweichlich. So wie das Leben wohl manchmal eben auch in seiner wahren Natur ist.

Düstere Geschichte des menschlichen Lebens

„Zyklus“ ist weder ein Album, bei dem man sich seine Favoriten herauspickt, noch ein solches, das LUNAR AURORA im Jahr 2004 näher an die breite Hörerschaft heranführt, wie es dem Trio drei Jahre später mit „Andacht“ gelungen ist. Vielmehr handelt es sich an dieser Stelle um eine düstere Geschichte des menschlichen Lebens, die LUNAR AURORA in ihrer eigenen Nische herausragend erzählen und folglich zu einem Erlebnis machen. „Zyklus“ ist für Momente, in denen man gar nicht mal zwangsläufig große Lust auf Musik, sondern auf mentale Reisen verspürt.

07.12.2022
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