Meshuggah - Koloss

Review

Ist es tatsächlich schon vier Jahre her, seit „obZen“ erschien? In der heutigen, schnelllebigen Zeit ist das schon eine halbe Ewigkeit, die bisweilen obskure Blüten treibt. Da echauffieren sich z. B. durch Jugend und eine Portion Unwissen gesegnete Hörer darüber, dass MESHUGGAH plötzlich auf den Djent-Zug aufgesprungen wären. Geschenkt.

Fakt ist: Nach dem schon überragenden „obZen“ melden sich die schwedischen Extrem-Prog-Pioniere mit einem Meisterwerk zurück, welches eponymisch kolossal ist und seinen Titel mit der gleichen Berechtigung trägt wie dereinst „Chaosphere“. Die Meister polyrhythmischer Riffhandschrift, die mit ihrem ganz eigenen Stil eine ganze Generation beeinflusst haben, so stark wie es Bands der Größe SLAYER, FEAR FACTORY oder METALLICA vermochten – sie sind zurück. Und wenn Jens Kidman „I Am Colossus“ verkündet, ist das der Auftakt zu einem Werk, welches die Messlatte für ebenjene Generation  verdammt hoch hängt und für die Youngster überhaupt erst sichtbar macht. Hingehört, sie haben’s erfunden!

Man muss mit „Koloss“ nicht erklären, wie MESHUGGAH als Band funktionieren und wofür sie nach fast 25 Jahren Existenz stehen. Sie zelebrieren ihren Stil extremen Progressive Metals mit mathematischer Präzision und majestätischer Eleganz. Alles, wofür man diese Band kennt und schätzt, findet sich auf „Koloss“. Was sich neben der hörbaren Detailarbeit und musikalischen Justierung vor allem herausstellt ist der Kreis, der sich nach „Catch 33“ und „obZen“ nun zu schließen scheint. Mit „Koloss“ scheinen MESHUGGAH ihr persönliches Zen des Metal gefunden zu haben. Das Album brilliert mit einer dermaßen hervorragenden Balance, dass zur Perfektion nur noch ein Wimpernschlag zu fehlen scheint. Riffs, Gitarrenarbeit, Schlagwerk, Komposition, Arrangements und Klang – sämtliche Zutaten, von Mikrobestandteilen zu den groben Fragmenten, die ein Album, einen Song ausmachen, fügen sich auf „Koloss“ zu einem Gesamtbild zusammen, welches den Hörer mit einer erbarmungslosen Kanonade von Hiteinschlägen niederwalzt.

„Not for the faint of the heart“, feixte Schlagzeuger Thomas Haake im Interview mit Blabbermouth. Wenn das Album überhaupt eine Zielgruppe anspricht, dann die der Extrem-Aficionados, der Genußhörer, der Nackenbrecher und Lockenrotoren gleichermaßen. Seien es die Riffsalven von „The Demon’s Name Is Surveillance“, die rhythmische tour-de-force „Do Not Look Down“, die massive Soundwand von „Behind The Sun“, die markerschütternde Gewalt von „Marrow“… „Koloss“ lässt keinen Augenblick des eigenen Glanzes aus und dem Hörer kaum eine Minute Verschnaufpause. Das Album ist ein deutlich spürbarer, organischer Körper, der einzig und allein durch die wesentlich engere Zusammenarbeit der Band so wachsen konnte. Keine Hindernisse, keine Distanz, kein fragmentiertes Arbeiten – „Koloss“ lebt vor allem von der Stärke, zu der MESHUGGAH wieder als Einheit zurückgefunden haben.

Wenn mit dem elegischen Stück „The Last Vigil“ die letzten Töne von „Koloss“ verhallen, endet ein kolossales Werk, mit dem sich MESHUGGAH nicht neu definieren aber erneut behaupten. Ein Album der Superlative ohne Göttlichkeitsanspruch, ein Werk größtmöglicher Ausgeglichenheit und der wahrscheinlich besten Produktion, die MESHUGGAH in ihrer bisherigen Karriere erreicht haben. Ein Ausrufezeichen, vor dem keine Worte stehen müssen. Die Pioniere haben nicht nur den Weg geebnet, sie bestimmen ihn noch immer.

14.03.2012
Exit mobile version