The Rolling Stones - Let It Bleed

Review

Am 29.November 1969 steht der Nachfolger von „Beggars Banquet“ in den britischen Plattenläden. THE ROLLING STONES veröffentlichen mit „Let It Bleed“ ihr achtes Studioalbum . Wie bereits beim Vorgänger ist Jimmy Miller für die Produktion verantwortlich. Der stark angeschlagene Brian Jones ist letztmalig auf einem Werk zu hören und wird während der Aufnahmen durch Mick Taylor ersetzt. Jones verstirbt am 3. Juli 1969 im Alter von 27 Jahren. Die Stones spielen zwei Tage nach Jones‘ Tod ein Free-Concert im Londoner Hyde Park. Eigentlich sollte der neue Gitarrist Mick Taylor vorgestellt werden. Es wurde jedoch ein Gedenkkonzert für Jones.

Brian Jones verstirbt während der Aufnahmen zu „Let It Bleed“

Von Februar bis Oktober 1969 fanden die Aufnahmen zu „Let It Bleed“ in den Olympic Studios in London statt. Lediglich „You Can’t Always Get What You Want“ war bereits vorher aufgenommen. Brian Jones spielt die Autoharp bei „You Got The Silver“ sowie die Conga, eine afrikanische Handtrommel, bei „Midnight Rambler“.

Die Platte ist düster und geprägt von einer gewalttätigen Zeit. Der Vietnam-Krieg spielt dabei eine entscheidende Rolle. Im TV sind Gewalt, Plünderungen und Verbrennungen zu sehen. Jagger erläutert in ein Interview, dass Vietnam kein Krieg im herkömmlichen Sinne war. Der Krieg produzierte hässliche Bilder, und die Menschen waren gegen diesen Krieg.

Der Opener „Gimme Shelter“ ist ein Track, der sich in der Regel auf fast allen Best-Of-Zusammenstellung befindet. Jagger und Richards kreierten den Song. Die Inspiration des Tracks war jedoch nicht Vietnam oder soziale Unruhen. Richards sah Menschen, die vor einem plötzlichen Regensturm Schutz suchten – das war der Keim der Idee. Musikalisch besticht „Gimme Shelter“ durch das markante Eröffnungsriff und den Hintergrundgesang.

Die Inspiration zu „Gimme Shelter“ war nicht der Krieg in Vietnam

Bluesig geht es mit „Love In Vain“ weiter, „Country Honk“ ist eine Country-Version der Single „Honky Tonk Women“. Wie Ende der 60er Jahre üblich erscheint die Single separat von der LP. „Live With Me“ erhält Unterstützung von Saxophonist Bobby Keys. Das Blasinstrument ist jedoch nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern prägt den Sound des Tracks. Der Titeltrack „Let It Bleed“ vermischt den vorherrschenden Blues-Rock mit Country-Elementen.

Die B-Seite der LP beginnt mit „Midnight Rambler“, einem der bekanntesten STONES-Tracks. Das Lied ist eine lose Biografie von Albert DeSalvo, der auch als „The Boston Strangler“ bekannt wurde. DeSalvo wurden 13 Morde zur Last gelegt. Richards klassifizierte „Midnight Rambler“ später als Blues-Oper. „You Got The Silver“ bewegt sich bluesig mit akustischem Akzent, “Monkey Man” lässt Richards mehr Freiraum, bleibt ansonsten beim vorherrschenden Blues-Rock.

Eine weitere Nummer, die sich auf vielen Kompilationen der Stones befindet, ist „You Can’t Always Get What You Want“. Der London Bach Choir eröffnet den Song, Al Kooper spielt Klavier und Orgel sowie das Intro des Waldhorns, während Rocky Dijon Congas, Maracas und Tamburin übernimmt. Jede Strophe fängt die Essenz des anfänglichen Optimismus und der letztendlichen Desillusionierung ein, gefolgt vom resignierten Pragmatismus des Refrains. Ausgerechnet der ehemalige US-Präsident Donald Trump nutzte ein Lied über Liebe, Politik und Drogen für seinen Wahlkampf. Die STONES distanzierten sich von jeglicher Unterstützung des ehemaligen Präsidenten und untersagten ihm die weitere Nutzung.

Ist „You Can’t Always Get What You Want“ die Antwort auf „Hey Jude”?

In einer Rezension zu „You Can’t Always Get What You Want“ wurde der Vergleich zu THE BEATLES und „Hey Jude“  bemüht. Den STONES wurde nachgesagt, dass sie dazu neigen, die Innovation der BEATLES zu nutzen, um innerhalb weniger Monate einen ähnlich gelagerten Song zu veröffentlichen. Jagger sagte zu diesem Ansatz, dass er „Hey Jude“ mag. Jedoch habe das Orchester alles versucht zu vertuschen und die STONES würden sich vorbehalten, beim nächsten Album einen Song zu veröffentlichen, der näher an „Hey Jude“ angelehnt ist.

Eine Besonderheit hat die Innenseite des Cover-Artworks. Das bekannte Cover mit den Bandmitgliedern als Hochzeitskapelle auf einer Torte, enthält auf der Rückseite der Platte den gleichen Kuchen. Ein Stück fehlt, die Stones-Figuren sind umgestürzt und die Schallplatte zerbrochen. Im Inneren der Plattenhülle folgt der Hinweis, die Musik laut abzuspielen.

“Let It Bleed” in der Retrospektive

Das Nachfolgealbum von „Beggars Banquet“ ist ein voller Erfolg, Platz eins in den britischen Charts und Platz drei in den US-Charts. Circa 2,5 Millionen Exemplare werden weltweit verkauft. „Let it Bleed“ ist das kommerziell erfolgreichste Werk der Stones in den 60er Jahren. Das Presseecho ist durchweg positiv.

Das Rolling Stone Magazine sagte, dass die Mitte des Albums großartige Songs hat, aber „Gimme Shelter“ und „You Can’t Always Get What You Want“ am wichtigsten seien, weil sie beide nach der Realität greifen und sie am Ende konfrontieren und somit fast beherrschen, was real ist oder wie sich die Realität anfühlen wird.

In einer retrospektiven Rezension vom NME-Magazin heißt es, „Let It Bleed“ zerre und necke in verschiedene musikalische Richtungen und sei ein Klassiker. In seiner STONES-Biografie aus dem Jahr 2001 merkt Stephen Davis über das Album an, dass keine Rockplatte, weder vorher noch danach, jemals das Gefühl der spürbaren Angst, die über ihrer Ära hing, so vollständig einfing und vermittelte.

Viel ist dem nicht hinzuzufügen. „Let It Bleed“ zeigt einen weiteren Entwicklungsschritt von THE ROLLING STONES. Der psychedelische Ansatz von „Their Satanic Majesties Request“ ist verschwunden. Hard- und Blues-Rock wird mit verschiedenen Elementen von Folk und Country angereichert. Die Scheibe kommt insgesamt kompakter rüber als der Vorgänger „Beggars Banquet“. Wäre anstatt der Country-Version von „Honky Tonk Women“ die Single-Version auf der LP, gäbe es keine Kritikpunkte. Die Country-Variante sorgt für leichte Abzüge, was jedoch Meckern auf hohem Niveau ist.

18.05.2022

Ein Leben ohne Musik ist möglich, jedoch sinnlos

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