Rotten Sound - Cycles

Review

Erhebend und doch einschüchternd, auch erschütternd. Woher nur dieser Höllenlärm? Die Mühlen des Grindcores rattern wieder, und zwar auf hohem Niveau. Wie schlecht geölt heulen und greinen Gitarren, fräßen sich wie Kreissägen in Stahlträger. Wie eine viktorianische Dampfmaschine stampft und pumpt das Schlagzeug presslufthammerartig. Und der harte Bass brandet und drückt in so tückischen Wellen durch die Boxen, dass er die Hosenbeine flattern macht. Wie eine begleitende Partitur für die hektische Rushhour einer Großstadtmetropole: ROTTEN SOUND sind der Lärm und das Tempo, der Gegenpol zur Stille und Ruhe ihrer Heimat Finnland, dem Tor zur herben Einöde.

Auf „Cycles“ nun klingen die meisten Songs so, wie sie heißen: „Days To Kill“, „Deceit“, „Decimate“ oder „Victims“. Sie signalisieren: Hier wird gehämmert und gemeißelt, hier werden Riffs zu scharfkantigen Wurfgeschossen geschmiedet, hier fliegen die Funken, von denen wir uns gern bereitwillig in Brand stecken lassen. Auch Jahre später nach der heißen Initiationsphase können wir davon nicht genug kriegen. Manchmal klingt es, als wäre ein Shuffle aus den Achtziger und frühen Neunziger versehentlich in die Zeitmaschine geraten und verzerrt, verfremdet und böse bei uns angekommen. ROTTEN SOUND erneuern das Vertrauen in die kathartische Kraft der Idee Grindcore. Wer sich zu den Fans zählt, weiß seit Langem, was diese bei aller Brachialität und Rasanz doch überraschend „groovige“ Musik mit einem anstellen kann: Sie heilt die Bedürftigen und macht Lahme wieder gehend, indem sie ihnen in Dosen portionierten Krach um die Ohren fegt.

Damit gelten sie seit bald zehn Jahren als eine der interessantesten Kräfte der modernen Grind-Society. „Exit“ war die Überschall-Therapie schlechthin, und darf sich ohne weiteres zu den besten Genre-Veröffentlichungen zählen. Aus dem Nährboden ihres abgesteckten Terrains ließ nicht mehr viel herausholen – ein weiterer Aufguss hätte unweigerlich einen Stillstand evoziert. Wer davon ausging, dass dem Kollektiv die Luft ausgehen, ja, ihnen das entscheidende Quäntchen Unberechenbarkeit, Fahrlässigkeit und Wahnsinn abhanden kommen würde, darf sich eines besseren belehren lassen. Als hätte ihnen die Geschwindigkeit den Schneid abgekauft, ist „Cycles“ bis ins kleinste Detail geschickt austariert, abwechslungsreich und geradezu catchy. Sie haben sich weiterentwickelt, wissen nun stets einen Part, einen Bruch im Blastinferno, einzuflechten, der einem einerseits die Aussicht auf ein Zug Luft garantiert und andererseits die Signifikanz der einzelnen Songs, und somit auch die der Platte, enorm steigert. Die von ROTTEN SOUND gesetzte Messlatte ragt ins Unermessliche.

19.01.2008
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