Schandmaul - Unendlich

Review

Acht geteilt durch Zwei sind Vier. Mag diese Rechnung noch so simpel sein, sind genau diese beiden Zahlen, also Acht und Vier, für SCHANDMAUL dieser Tage von großer Bedeutung. Denn mit „Unendlich“ veröffentlichen die Münchner nun schon ihr achtes Studioalbum, nachdem in der Zwischenzeit der große weiße Storch gleich viermal bei der Band vorbeigeschaut hat. Die frisch gebackenen Eltern waren somit erst einmal anderweitig beschäftigt, ehe nach drei Jahren seit der letzten Veröffentlichung „Traumtänzer“ und vier Kindern nun auch ein neues Album das Licht der Welt erblickt. Zudem entschied man sich im Hause SCHANDMAUL nach vielen Jahren bei F.A.M.E. Recordings für einen Wechsel zum Majorlabel Universal, wo sie eine Vielzahl an Genre-Kollegen (u.a. IN EXTREMO, FAUN, …) erwartet. Manch einer möge nun „Ausverkauf“ rufen oder gar erhöhten Weichspülmodus in der ohnehin fröhlich-seichten Klangwelt der Münchner Band erwarten. Jedoch bleibt festzuhalten, dass das neue Werk ganz klar nach SCHANDMAUL klingt, was des einen Freud, vieler anderen aber auch Leid sein mag. Was man der Band immerhin zu Gute halten muss, ist, dass keine andere so klingt wie sie. Ihre Songs besaßen stets eine eigene Note und diese ist ebenfalls permanent auf „Unendlich“ zu vernehmen. Die dabei zugrunde gelegte Bezeichnung Mittelalter-Rock trifft es nur bedingt. Hinzu gesellen sich noch fröhlich Folk und Shanty in hohem Maße. Die elektrischen Instrumente, insbesondere die Gitarren, bleiben dafür im Hintergrund, greifen nur selten ein und wenn, dann vornehmlich auf Kuschelkurs. Dies lässt sich obendrein an der enorm klaren und differenzierten, aber leider etwas drucklosen Produktion erkennen. Also alles wie gehabt und spätestens nach diesem verbalen Versuch den musikalischen Rahmen zu umreißen dürfte klar sein, dass einem diese Mischung auch gehörig auf den Zeiger gehen kann, sofern man nicht zur eingefleischten Fan-Schar gehört.

Lyrisch bedient sich Thomas Lindner auf „Unendlich“ wieder der im Schandmaul-Volk seit jeher so beliebten Erzählkunst. Mal geht’ s historisch („Trafalgar“: Lord Nelsons Seeschlacht), mal märchen- und sagenhaft („Baum des Lebens“, „Kaspar“), dann aber wieder gefühlvoll emotional („Euch Zum Geleit“) bzw. feuchtfröhlich („Der Teufel …“) zu. Jedem sei dabei selbst überlassen zu beurteilen, ob die Texte bisweilen der Banalität nur gefährlich nahe kommen oder gar darin komplett versinken und kein Bein mehr auf den Boden bekommen. Ähnlich auf des Messers Schneide verhält es sich mit dem Beitrag von Geige und der Vielzahl an verschieden Flöten. Mal animierend melodisch, mal nervtötend. Doch musikalisch nehmen sich SCHANDMAUL eh wortwörtlich die Narrenfreiheit zu tun und zu lassen, was sie möchten, sodass in „In Deinem Namen“ gar Bach auf der Drehleier zitiert wird. Neben all der Fröhlichkeit besitzt „Unendlich“ aber auch einige melancholische Momente, welche die Heiterkeit ein wenig in den Hintergrund zu drängen vermögen, dem Album so Tiefgang verleihen und sich selbst in meinem Gehörgang kurzzeitig festsetzen können. Hier zu nennen sind „In Deinem Namen“, „Euch Zum Geleit“ und „Saphira“. Primär regiert auf dem neuen Silberling aber die typische Verspieltheit, besonders geprägt durch Geigenvirtuosin Anna Kränzlein und Flötistin Birgit Muggenthaler, denen in zwei instrumentalen Stücken ein Großteil der Aufmerksamkeit gewidmet wird. „Tangossa“ ist dabei flairtechnisch im Südwesten Europas, „Little Miss Midleton“ ganz klar in Irland anzusiedeln. Passend dazu gibt’s im Anschluss mit „Der Teufel …“ die bereits angesprochene feuchtfröhliche Einlage, in der FIDDLER’S GREEN und RUSSKAJA am Gesang sowohl in Englisch, als auch Russisch aushelfen. Nach dem recht drögen „Mein Bildnis“ folgt mit dem letzten Titel des Albums mein persönliches Highlight (was sich nach deutlich mehr anhört, als es für mich wirklich ist, verglichen mit den anderen Stücken aber so stehen bleiben kann). Anfangs bedächtig, überzeugt „Märchenmond“ durch einen dramatischen Aufbau, der sich in einem starken Schlusspart inklusive überraschend prägnantem Gitarrenanteil entlädt. Dies liegt vermutlich aber auch daran, dass der Song Lindners vorherigen Band WETO entliehen ist, die ihrerzeit doch deutlich härter und gitarrenorientierter zu Werke ging.

Mit „Unendlich“ bekommen die SCHANDMAUL-Jünger neues Futter, nach dem sicherlich sehnlichst gelechzt wurde. Aus meiner Sicht hätte das Album (gerade zu Beginn) auf den einen oder anderen Song verzichten können. „Trafalgar“ oder „Tippelbruder“ legen tempomäßig zwar ordentlich los, nutzen sich in meinen Ohren jedoch schon nach wenigen Durchläufen ab, zu plump und aufgesetzt wirken die Melodien und Themen dieser Songs. Vielmehr überzeugen die eher ruhigen Momente auf „Unendlich“, welche die nötige Reife vorweisen, ohne in den Kitsch abzudriften. Gutes Songwriting kann man SCHANDMAUL eben mitnichten absprechen, immerhin reden wir hier von einem der erfolgreichsten Vertreter des Genres. Die Songs besitzen Qualität, nur vermag diese nicht jedem zu gefallen. Die Platte ist dem Titel nach leider nicht unendlich gut, für Anhänger der Folk-Rock-Kombo aber sicherlich ein Pflichtkauf. Allen anderen sei hingegen geraten, ihre Nerven nicht unnötig durch die in vielen Momenten (fast schon) übertriebene Heiterkeit strapazieren zu lassen.

21.02.2014

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