Shining - VII - Född Förlorare

Review

Als ich mich vor gar nicht so langer Zeit während eines akuten Anflugs von Langeweile hemmungslos dem Elendstourismus hingegeben und ein wenig in den Aufsätzen von ex-HELLOWEEN-Sänger Michael Kiske geschmökert habe, bin ich über folgende Passage gestolpert:

…ist eine von diesen […] Bands, die […] eigentlich immer das gleiche Album veröffentlichen und deshalb meinen […] zu dem [e]inen Prozent ehrlicher Bands in der Welt zu gehören. Als ehrliche Musik bezeichnet man […] solche, die wirklich etwas mit dem Musiker als Menschen zu tun hat […] Jeder Mensch entwickelt sich aber […] weiter [… u]nd kein Mensch, nichtmal der Allerödeste, ist nach 20 Jahren […] noch genau der Gleiche.„*

Kiske meint hier sicherlich nicht SHINING (sondern MANOWAR) – aber wenn nicht die Rede von einer Dauer von zwanzig Jahren wäre, könnte man obige Äußerungen auch auf die depressiven Schweden um Niklas Kvarforth beziehen (nicht, dass Kiske sie sich freiwillig anhören würde…).

Und gleich widerlegen. Denn obwohl die Alben SHININGs spätestens seit der „IV – The Eerie Cold“ untereinander eine sehr überschaubare Entwicklung aufweisen, transportieren sie ihre ureigene Atmosphäre und wirken dabei durchweg authentisch.

Um es also gleich zu sagen: Wer die letzten Alben SHININGs mochte, kann sich „VII – Född Förlorare“ (dt.: „Geborener Verlierer“) blind zulegen. Nichtsdestoweniger gibt es ein paar Unterschiede zu den Vorgängern, die ich in der Folge kurz umreißen möchte.

Und fange doch mit einer Gemeinsamkeit an: Auch auf „VII“ finden sich sechs Songs, von denen einer etwas aus der Reihe fällt (auf „IV – The Eerie Cold“ war es der instrumentale Titeltrack, auf „V – Halmstad“ der Ausschnitt aus Beethovens Mondschein-Sonate, auf „VI – Klagopsalmer“ das SEIGMEN-Cover „Ohm – Sommar Med Siv“): Mit „I Nattens Timma“ ist dieses Mal ein LANDBERK-Cover dabei, das auf einem komplett akustischen Fundament aus Klavier und Gitarre aufbaut. Dazu singt Kvarforth auf sehr eindringliche Weise und zeigt im Vergleich zu früheren Alben technisch hörbare Fortschritte. Allgemein würde ich das als prominentesten Unterschied zu den bisherigen SHINING-Veröffentlichungen herausstellen wollen: Fand sich auf „V“ und „VI“ nur spärlicher melodischer oder gar klarer Gesang, ist der Anteil nun immens gewachsen. Insbesondere im Kontinuum zwischen seinen markigen Schreien und „normalem“ Gesang hat sich Kvarforth deutlich entwickelt, wie im wunderbaren Song „Tiden Läker Inga Sår“ („Zeit heilt keine Wunden“) zu hören ist.

Was hat sich noch geändert? Die beiden Herren an der Gitarre, Fredric Gråby und Peter Huss, haben sich im Vergleich zu „VI“ in punkto Saitenhexerei merklich zurückgehalten – so beeindruckend ihre Soli auch sind, waren sie auf dem direkten Vorgänger wenig songdienlich und wirken folgerichtig auf „VII“ wieder integer. Die Blues-Einflüsse in der Gitarrenarbeit sind dagegen so stark wie vorher, was den Songs eine feine Würze verleiht.

Davon abgesehen hat sich tatsächlich kaum etwas geändert. SHINING sind nach wie vor Meister darin, auch Dur-Kadenzen für ihre depressiven Zwecke zu „missbrauchen“ (wieder „Tiden Läker Inga Sår“), setzen mit Hammond-Orgel (die Single „Förtvivlan Min Arvedel“ und „FFF“) oder einem Hauch Synthetik (und wieder „Tiden Läker Inga Sår“ – ich kann’s mir nicht verkneifen: Das klingt verdammt nach dem Soundtrack zu Disneys „König der Löwen“) Akzente und liefern so ein rundes siebtes Album ab – das trotz allem nicht an die Meisterwerke „IV“ und „V“ herankommt. Daran ändert nicht einmal das sprichwörtliche i-Tüpfelchen etwas, das aus einem summenden Frauenchor im abschließenden „FFF“ besteht. Das ist Gänsehaut – egal, wie sehr sich SHINING wiederholen…

*Michael Kiske, Der Spießer, S. 11.

25.05.2011
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