Wardruna - Kvitravn

Review

WARDRUNA sind nicht erst seit ihren Gastbeiträgen zur gefeierten Fernsehserie „Vikings“ im Jahr 2015 oder dem Game-Hit „Assassins Creed: Valhalla“ aus dem Jahr 2020 in aller Munde und Herzen. Die vertonte Historie in der Band hat schon immer mit dem Black-Metal-Publikum, aber auch anderen Fans von etwa Folk oder auch eher Female-Fronted-Metalbands besonders resoniert. Nun steht mit „Kvitravn“ (zu Deutsch „Weisser Rabe“, zufällig auch Künstlername von Einar) das fünfte Album in der Karriere an. Das aktuelle Album soll dabei besonders von mündlich überlieferten Geschichten und Traditionen sowie Animismus (Glaube, dass Dinge der Natur beseelt sind) inspiriert worden sein. Rein konzeptionell und auch musikalisch nach dem durchaus hier und dort kontrovers aufgenommenen „Skald“, stellt der weisse Rabe in Teilen eine Zurückschau dar, ist aber auch durchaus mit neuen Ansätzen unterwegs.

So gibt es viele Gastmusiker, neben Einar Selvik und Lindy-Fay Hella, die ja sonst die beiden festen Instanzen auf den vorigen Alben waren. Kirsten Bråten Berg und ihre Tochter Sigrid veredeln mit ihrer Vokalperformance den Rausschmeißer „Andevarljod „, Unni Løvlid und Ingebjørg Lognvik Reinholdt als zusätzlicher Sänger und Multiinstrumentalist sind ebenfalls mit an Bord und mit Eilif Gundersen gibt es einen alten Bekannten, der sich schon auf vorigen Alben für Ziegenhorn und Weidenflöte verantwortlich gezeichnet hat.

„Kvitravn“ – der weiße Rabe verzaubert erneut

„Synkverv“ steigt gleich schon einmal mit einer krummen Taktart rein und lebt hauptsächlich von der meditativen Stimmung in Kombination mit Einars und Lindys Gesang. „Kvitravn“ war bereits Singleauskopplung und kommt sowohl unterschwellig bedrohlich wie auch gleichermaßen entspannend daher. Der Schatten „Skugge“ wie auch das Grau „Grá“ sind sehr reduziert und leben eigentlich nur von Einars Gesang und kommen wahrscheinlich noch am ehesten konzeptionell und musikalisch an die ehemaligen „Skalden“, die ja auch liederlich-mündlich alte Geschichten und Gedichte vertonten, heran.

„Viseiveiding“ hat beinahe sogar ein wenig Mittelalter-Folk-Vibes, „Ni“ (Monty-Python-Witz bitte hier einsetzen) ist wahrscheinlich zusammen mit „Skugge“ einer der reduziertesten Tracks auf dem ganzen Album und wirkt mehr wie eine Predigt/Liturgie in der Kathedrale der Natur denn ein richtiger Song. Natürlich erfinden WARDRUNA hier weder ihre eigene Musik noch das Rad im (Nordic-)Folk vollkommen neu. Langgezogene Ambientpassagen und Songs, in denen eigentlich nicht viel passiert, haben auch etwa HEILUNG prima drauf. Aber was die Norweger wie auch das deutsch-dänische Projekt wunderbar schaffen, ist einen mental auf eine primitive Ebene herunterzuholen, aber trotzdem unglaublich einnehmend und betörend zu wirken. Natursamples (?) wie knisterndes Feuer, Regen und so weiter tun als Überleitungen in den Songs das Übrige, um hier ein stimmungsvolles, ausgeklügeltes und wunderbar „fliessendes“ Gesamt(-Kunst-)werk zu hinterlassen.

Anfangs gibt es beim Hören noch wenig Festhaltestellen, aber nach ein paar Umdrehungen haben sich die hintergründigen Melodien eines „Munin“, „Kvit Hjort“ oder „Vindavlarljod“ in die hinterletzten Hirnwinkel gefressen und geben den Impuls, mit „Kvitravn“ auf den Lauschern, raus in die Natur oder am liebsten gleich vom Großstadtdschungel in das nordische Eremitendasein zu flüchten.

WARDRUNA halten ihren beeindruckenden Qualitätsstandard

Dies ist logischerweise kein Metal, kein fröhlicher Schunkel-Humppa-Folk und auch nicht akademisierter, nachgebauter traditioneller norwegischer Sang und Klang. Das hier ist etwas Neues, das den Menschen auf einer ganz ursprünglichen Ebene berührt und mitnimmt, zum einen inspiriert von alter Tradition, zum anderen aber auch mit moderner Kompositionsweise, guter Produktion und einem pfiffigen Gespür für das Setzen der richtigen Spannungspunkte ausgestattet und zeigt somit über das „Alte“ hinaus.

Denn kurz bevor man in meditativer Wonne beinahe einnicken will, kommt dann der Kampfesschrei heraus oder das Tempo wird ein wenig angezogen, eine neue hintergründige Melodie über eines der alten traditionellen Instrumente (von Ziegenhorn über Kravik-Leier bis Tagelharpa, eine Pferdeschwanzharfe) kommt hervor. Wenn nicht schon HEILUNG den Soundtrack für das kommende Videospiel „Hellblade II“ liefern würden, ich hätte dem Entwicklerteam Ninja Theory alternativ dringendstens WARDRUNA empfohlen.

An „Kvitravn“ gibt es wenig zu meckern, gefühlt ist das Songwriting im Vergleich zu den Vorgängern noch besser und auf den Punkt gekommen, auch wenn sich die ein oder andere Länge hier ebenfalls eingeschlichen hat. Trotzdem gilt auch für das neueste WARDRUNA-Album, selbst wenn man schon den ganzen Runaljod-Zyklus im Schrank stehen hat und hier eigentlich musikalisch im Großen und Ganzen in demselben Rahmen bleibt: zuschlagen! Denn WARDRUNA halten ihren Qualitätsstandard auch auf „Kvitravn“ mit Leichtigkeit.

21.01.2021
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