Hit or Shit?
ENDSTILLE – „DetoNation“

Special

„DetoNation“ von ENDSTILLE – Hit or Shit? Schizophrene One-Man-Show!

FUCK HELL, welch ein Dilemma! Da kotzen diese geilen Tiere nach zehn Jahren ein neues Album in die Welt und dann will „DetoNation“ nicht richtig zünden – dabei hat das Schwarzweißcover echt Hoffnung gemacht.

Okay, das Ding wächst, aber eher wie ein Eiterpickel. Doch sollte eine neue ENDSTILLE-Platte nicht sofort in die Luft gehen? Verwirrung. Fragen über Fragen. Und die wichtigste lautet: Sollte ein (Früh-)Fan überhaupt eine Review schreiben?

Sei objektiv. Sei objektiv. Sei – ach, halt die Fresse, Spiegelbild. Sei ENDSTILLE! Schizophreniestatus erreicht. Ich höre sie schon rufen: Womit wir hier gar nicht erst anfangen müssen, sind Vergleiche mit damals. Aber Iblis! Jaja, früher war alles besser. Und? Heute ist das Frühlingserwachen im Endloskoma, der Navigator erblindet, die unbändige Dominanz verglüht. Bastard!

Deshalb machen die Rückblicke keinen Sinn. Nicht, weil sich Bands eben weiterentwickeln bla, bla. ENDSTILLE entwickeln sich eh nicht. Der Anspruch geht ihnen auch vollkommen ab. Legitim. Nein, weil sie ihr bestes Pulver schon verschossen haben. Muss man mit leben. Verdammte Black-Metal-Punks!

Wo bleibt die Detonation, ENDSTILLE?

Zehn Jahre sind nicht wenig, aber spielt diese Zwischenzeit bei ENDSTILLE wirklich eine Rolle? Die Erwartungshaltung ob der langen Pause erwächst primär auf der Nehmerseite – für Bands ist sie nicht (immer) mit einer Schaffensphase gleichzusetzen. Das führt den Gedanken ad absurdum, denn ENDSTILLE haben sicherlich keine zehn Jahre an „DetoNation“ gewerkelt. Allein die Vorstellung.

Die Platte lief jetzt in verschiedenen Situationen rauf und runter: in der geruchsintensiven Berliner Untergrundbahn, beim Autofahren, auf dem Fahrrad im Frankenwald, des Nachts im Zug. WACHSE! Nicht für ENDSTILLE, die interessiert es wohl kaum, was hier geschrieben steht. Zu Recht. Wachse für den Schreiber. Ein letzter Versuch: volle Konzentration, jedes Detail aufsaugen.

Und es hat BUMM gemacht – aber nicht genug

Hail Satan, da ist der wohlig benebelnde Rauch, da sind die Splitter, die dir ein Lächeln ins Gesicht reißen, da ist die Höllenhitze, die das Trommelfell versengt.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen (wobei die Band Vorverurteilungen und Fehlinterpretationen gut kennt, also passt es wieder): Krieg ist widerlich und verachtenswert. Aber eine Explosion von ENDSTILLE nicht – die genießt man. „DetoNation“!

Klar, der Albumtitel ist anders gemeint. Man beachte das „N“. Aber wir wollen uns gar nicht aufs gesellschaftliche Glatteis begeben, sondern lieber – endlich – die Musik ins Fadenkreuz nehmen …

Zu wenig eindrucksvolle Momente

ENDSTILLE beginnen ihr neuntes Studioalbum mit Wucht. Bald schleicht sich ein geradezu entspannter Melodielauf in die Raserei, der positiv überrascht. Die Drums poltern – das tun sie auf „DetoNation“ oft. Dahinter wabert das typische Nebel-Riffing, das ENDSTILLE-Fans so lieben – und das den Sound der Band ausmacht.

Dass die instrumentalen Fähigkeiten einerseits nicht überborden und andererseits nicht auf Teufel komm raus überreizt werden, haben ENDSTILLE nie bestritten. Ebenso wenig ihre immergleiche Herangehensweise. Angeblich ist ein Album entstanden, dass sie nicht veröffentlicht haben, weil es zu wenig nach ENDSTILLE klingt. Monotonie.

Wer diese Fuck-off-Attitüde leben will, muss sie durchziehen wie einen endlosen Joint. Das machen ENDSTILLE. Und genau deshalb können Palaverer wie der damalige „Kapitulation 2013“-Texter grundsätzlich gern verstummen.

Abgedriftet. Zurück zur Musik. „Jericho Howls“ ist ein Volltreffer, dessen Anfang in Dauerschleife läuft. Erst das kurze Intro, dann der dramaturgische Aufbau, bei dem sich ein Alarm-Riff erster Güte entfaltet, das von plötzlich einsetzenden Tempodrums und einem aufgebrachten Zingultus untermalt wird. Besonders stark ist das Minibreak bei Sekunde sechzehn.

Hier haben wir die Brücke: Wer braucht Innovation, wenn es großartige Momente gibt? Es ist vollkommen legitim, dass sich Bands nicht nennenswert verändern, solange sie in ihrem Korsett eine gute Figur machen. Doch leider hält das nur bis zur Albumhälfte und gipfelt in einem langweiligen „Weltkrieg“ mit diesen unsäglichen gesprochenen Passagen.

Zurück zu den Momenten: Die gab es auch auf den direkten Vorgängern. „The Refined Nation“ mit seinem starken Midtemporiff, die Alte-Schule-Lektion „Nostalgia“ und die Melodie in „When Kathaaria Falls“. Hinzu kommen kreative Titel wie „Satanarchie“ und mutige wie „Reich An Jugend“ und „Sick Heil“.

„DetoNation“ ist zu ungefährlich

Es klingt komisch, aber „DetoNation“ ist in der Summe zu geordnet, zu gedrosselt, zu brav. Das mag nicht bewusst sein, denn ENDSTILLE betonen in Interviews gern, wie oldschool sie das Songwriting angehen. Deshalb scheint kein Plan hinter der Ordnung zu stehen. Was ist dann passiert?

Kollege Johannes formuliert es in seiner Review zu „DetoNation“ treffend: „In mehreren Stücken drosseln ENDSTILLE die Geschosse, um Raum für getragene, epische Parts zu schaffen“. Gab es früher allerdings auch schon und ist grundlegend nicht schlimm, aber unabhängig vom Tempo stört der ganzheitliche Rückgang von kompromissloser Wildheit, Dreck, roher Gewalt. ENDSTILLE ist keine Bestie mehr, sondern ein Kleiderschrankmonster.

Das ist kein „DetoNation“-Problem, es wird hier nur deutlicher. Daher ist es unvermeidbar, es doch zu betonen: Iblis war die Stimme von ENDSTILLE. Zingultus ist ein fantastischer Fronter, doch genau da haben wir den Knick in der Diskografie. Denn instrumental hat sich nicht viel verändert – aber es gibt keine Stücken mehr im Liederbrochenen. Niemand kreischt fieser, schmutziger, ekliger als Iblis. Und diese Intonation hat perfekt zu den Songs von ENDSTILLE gepasst.

Es mag sein, dass viele – die Band eingeschlossen – die zurückliegenden Zeilen mit einem Mittelfinger lesen. Sei es drum. Für mich ist „DetoNation“ weder Hit noch Shit. Aber ich schließe mich lieber der „Operation Wintersturm“ an, folge dem „Biblist Burner“, treffe die „Witch“, treibe Unfug „Above The Vault Of Heaven“ und kehre dann wieder zum „Ursprung“ zurück.

13.09.2023
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