Hell Nights 2022
20 Jahre Horror Punk
Special
Auch in diesem Jahr wird es wieder düster in Köln, wenn an Halloween zum Gipfeltreffen für alle Zombie-Punks und Rock N‘ Roll-Vampire geladen wird. Die HELL NIGHTS stehen wieder vor der Tür und in diesem Jahr gibt es sogar einen ganz besonderen Anlass für eine ausgelassene Monster-Mash. Das Event und drei der vier beteiligten Bands feiern nämlich Jubiläum und wollen dieses Event gebührend feiern. Verstärkung gibt es dabei durch die schwedischen Newcomer von LEFT HAND BLACK.
Vor gut 20 Jahren sind THE OTHER, die BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE und THE FRIGHT aus ihren vermoderten Grüften gestiegen und haben sich als verlässliche und wichtige Institutionen im Horror Rock etabliert. Gestartet mit gemeinsamen Ausgangspunkten wie den Genrevätern MISFITS und dem „Godfather Of Shock Rock“ ALICE COOPER, wandelte jede der drei Bands mit der Zeit auf eigenen musikalischen Pfaden. Dabei blieben sie jedoch stets miteinander in Kontakt und behielten sich trotz aller Widrigkeiten, welche über einen solch langen Zeitraum als Band den Weg blockieren können, ihre Liebe zu ihren Wurzeln bei.
Das klingt nach Potenzial für reichlich Gesprächsstoff und daher haben wir alle drei Frontmänner zur gemeinsamen Gesprächsrunde eingeladen. Welche Anekdoten und Geschichten sich während der vergangenen 20 Jahre angesammelt haben, lest ihr im folgenden Interview mit Thorsten Wilms aka Rod Usher (THE OTHER), Dead Richy Gein (BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE) und Lon Fright (THE FRIGHT).
Gesprächsrunde mit Rod Usher, Dead Richy Gein und Lon Fright
Thorsten, da du ja bei den HELL NIGHTS auf Veranstalterseite bist, würde ich gerne mit dir anfangen. Wir hatten das Thema ja schon mal angerissen, als wir uns letztes Jahr über Fiend Force Records unterhalten hatten. Möchtest du vielleicht trotzdem noch mal erzählen, wie es los ging mit den HELL NIGHTS und wie sich das Ganze während der letzten 20 Jahre entwickelt hat und welche Unterschiede zu damals und heute bestehen ?
Ja, das Motto 20 Jahre Horror Punk/20 Jahre HELL NIGHTS ist natürlich ein bisschen zusammengefasst. Wir spielen schon seit 1999 an Halloween in Köln, als wir noch eine kleine MISFITS-Coverband waren. Dann haben wir 2002, was wir die beiden anderen Bands als unser Gründungsjahr sehen, unseren ersten eigenen Song gespielt.
Dass wir das Ganze dann wirklich HELL NIGHTS genannt haben, ist eigentlich erst 2006 losgegangen. Da war dann auch mein guter Freund Richy direkt mit an Bord und es spielten REZUREX, BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE, BLITZKID und THE OTHER. Da hat das Baby dann wirklich seinen Namen bekommen und wurde zu der Veranstaltung, wie wir sie heute kennen. Leider nicht mehr so oft als fahrende Veranstaltung, sondern hauptsächlich in Köln, aber wenn es sich anbietet, dann hier und da doch noch mal an verschiedenen Veranstaltungsorten. Beispielsweise als Tour wie in 2015 und 2017.
Fakt ist, dass es seit der offiziellen Gründung von THE OTHER eine Halloweenshow gibt, die einen gewissen Stellenwert und ebenso eine gewisse Tradition innehat. 20 Jahre Horror Punk bezieht sich somit auf uns alle und 20 Jahre HELL NIGHTS auf unsere Veranstaltung. Wir wollen damit auch den Leuten, die sich mit dem Thema noch nicht so gut auskennen, eine Möglichkeit geben, sich da reinzubeißen. Ich denke, dass wir mit diesem Line-Up das Gefühl dieses Jubiläums sehr gut treffen.
Und es wird an Halloween gleichzeitig auch die Abschiedsshow von unserem Drummer. Das ist leider der negative Aspekt der Sache. Es spielt sich auch gerade schon ein potenzieller Nachfolger für den Übergang ein. Aber mal schauen, da er ein sehr talentierter Drummer und guter Freund ist, kann es auch gut sein, dass er irgendwann fest einsteigt.
Jetzt hatten wir ja schon die Themen Gründung und Mitglieder angesprochen. Magst du mal die Entwicklung von THE OTHER während der letzten 20 Jahre weiter ausführen?
Also, ich habe ein bisschen zugelegt (lacht). Im Vergleich zu beispielsweise den BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE, hatten wir ja in den vergangenen Jahren relativ häufige Besetzungswechsel.
Nach Halloween werde ich das einzige Gründungsmitglied sein. Das bleibt wohl in 20 Jahren nicht aus, wenn man sich in einer Zwischenwelt zwischen professionell agierend und professionell davon leben können bewegt. Die anderen werden das sicher bestätigen können.
Aber es gibt ja den Zuspruch und die Leute haben Bock drauf. Das gibt einem dann trotz aller Rückschläge die Kraft immer weiterzumachen und so wird es sicher noch eine ganze Weile dauern, bis wir in den Sarg kriechen.
Wie würdest du denn eure musikalische Entwicklung beschreiben? Ihr habt ja mit recht klassischem Horror Punk angefangen und habt seitdem ja auch viele andere Einflüsse aus beispielsweise Hard Rock, Metal und Goth eingeworfen.
Wir haben natürlich eine Entwicklung gemacht, um unseren eigenen Sound zu etablieren. Man will ja nicht immer die Ex-MISFITS-Coverband sein. Sicherlich war der größte Sprung, als wir dann zwei Gitarristen in der Band hatten. Auf dem letzten Album „Haunted“ haben wir die metallische Entwicklung wieder etwas zurückgenommen und versucht wieder ein bisschen punkiger und gleichzeitig düsterer zu werden.
Ich denke, das ist der Weg, den wir auch in Zukunft weitergehen wollen. Wir wurden aber auch durch Corona etwas aus der Bahn geworfen und müssen uns erstmal wieder ein bisschen finden, um uns wieder ans Songwriting zu machen. Die Auftritte auf den Sommerfestivals helfen uns gerade dabei wieder zu einer richtigen Einheit zu werden. Wahrscheinlich wird es aber die bislang längste Pause zwischen zwei Alben werden.
Ok, dann komme ich als nächstes zu Richy. Wir haben ja gerade schon über die HELL NIGHTS gesprochen und ihr habt ja auch euer eigenes Event. Magst du ein bisschen über eure Verbindung zu den HELL NIGHTS und den Vergleich zu eurem Event erzählen?
Meine Verbindung zu Thorsten besteht ja schon seit 2003. Da waren Fiend Force Records gerade in der Gründung und wir haben unsere ersten Songs auf unserer Website hochgeladen. Innerhalb kürzester Zeit hat uns Thorsten dann zum „This Is Horrorpunk“-Sampler eingeladen und wir haben unser erstes Album veröffentlicht. Wir kennen Thorsten und Fiend Force Records also quasi schon seit unserer Gründung. Und die HELL NIGHTS-Tour war dann auch unsere erste große Tour im Nightliner in Deutschland. Wir haben dann anschließend auch noch etliche Male auf den HELL NIGHTS gespielt.
Wenn wir mal nicht dort gespielt haben, haben wir angefangen an Halloween in Wien zu spielen. Das haben wir aber nie so ganz fest gemacht. Wir haben früher immer unsere Weihnachtskonzerte gespielt, weil wir Halloween meistens schon irgendwo anders gebucht waren. Als wir dann das erste Mal an Halloween in Wien gespielt haben, war das für unsere Verhältnisse eine richtig große Show und von da an haben wir begonnen ein Event draus zu machen. Aber wir haben das nie so ganz fest gemacht wie bei den HELL NIGHTS immer an Halloween zu spielen.
Ich habe ja bereits mit Thorsten über die musikalische Entwicklung von THE OTHER gesprochen. Wie würdest du denn euren musikalischen Werdegang beschreiben? Ich wart ja mehr so im Bereich Psychobilly/Horrorbilly unterwegs, als im straighten Horror Punk, wenn du mir da nicht widersprechen möchtest. Wie kam es, dass ihr eher so in diese Richtung gegangen seid und was war die Zündung für euch als Band zu starten?
Hmm, wir haben halt das gemacht, worauf wir Lust hatten. Und ich persönlich finde nicht, dass wir sooo sehr in die Richtung Psychobilly gegangen sind. Das waren so zwei Alben und das hat uns auch gefallen, aber wir waren nie eine richtige Psychobilly-Band. Wir haben auch schon Gothic- und Punk-Songs auf unserem ersten Album gemacht.
Ich mag es eigentlich ganz gerne, wenn wir mit unserem Namen BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE, unserer Bühnenshow sowie mit der Thematik und den Texten frei spielen können. Das ist uns beispielsweise auch mit dem ersten Wiener-Lieder-Album („Mörder Blues“) gelungen, mit dem wir uns völlig freigespielt haben. Das hat uns insofern geholfen, dass wir mittlerweile auch ein großes Publikum abseits von Subkultur haben.
Zum Thema Bühnenshow: Wie kam es denn dazu, dass du mittlerweile nicht mehr fest Drummer bist während du singst, sondern wirklich hauptsächlich als Frontmann agierst?
Das wollte ich eigentlich ohnehin nicht unbedingt, das hatten wir eigentlich nur gemacht, damit wir auf Tour einen Drummer hatten und ich halt spielen konnte. Deshalb habe ich immer im Stehen und vorne gespielt, weil ich eigentlich Frontmann sein wollte. Das wurde dann zum Markenzeichen, aber es war nicht das, was ich eigentlich machen wollte mit viel Bühnenshow à la ALICE COOPER, der halt mein großes Vorbild ist.
Wir haben eigentlich die Jahre über immer wieder mit dem Gedanken gespielt uns einen Drummer zu suchen. Und als dann unser ehemaliger Basser ausgestiegen ist, haben wir das als Gelegenheit gesehen, um den Schritt zu machen. Das war eigentlich nur, um mehr Bühnenshow machen zu können und das Steh-Schlagzeug-Spiel und das Singen hatten auch ehrlich gesagt beides gelitten.
Ich habe auch gesehen, dass bei euch eine neue Compilation ansteht. Wird das dann ein Upgrade zu eurer ersten Compilation „Decade Of Decay“, oder wir das Ganze noch mal komplett neu aufgerollt?
Genau, wir haben extra versucht die erste Compilation nicht zu wiederholen. So, dass wir andere Songs nehmen bis hin zu den letzten Alben.
Geht auch darum, dass ein Kumpel von SBÄM Records, der eigentlich eher so die ganze Melody Core und Pop Punk-Schiene mit einem starken Vertrieb in den USA bedient, eine Platte machen möchte. Dafür haben wir auch einen Song, den wir auf Deutsch gesungen hatten, noch mal extra auf Englisch eingesungen.
Gab es bei dir denn auch schon mal schwierigere Zeiten?
Aber hallo. Das geht uns allen sicher gleich. Das bleibt doch in 20 Jahren gar nicht aus, dass man auch mal richtige Tiefschläge wegstecken muss. Keine unserer Bands hat ja eine permanent steigende Erfolgskurve gehabt. Wir sind auch oft genug schon mal auf die Schnauze gefallen und haben an uns selbst gezweifelt.
Auf einen super geilen Gig oder ein Erfolgserlebnis kommt dann auch mal wieder ein Downfall, wo kaum einer vor der Bühne steht. Oder etwas hat sich nicht verkauft, bei dem man wie verrückt Herzblut reingesteckt hat. Es ist halt ein ständiges Up and Down.
Lon, möchtest du mal ein bisschen erzählen? Wie kam es bei euch dazu, dass ihr bei den HELL NIGHTS mit an Bord gegangen seid?
Na, wir hatten ja nie was eigenes und haben uns immer reingezockt sowohl bei Thorsten, als auch bei Richy und dafür bin ich immer noch mega dankbar, da das ein super Sprungbrett war, um sich der Horror Punk-Welt vorzustellen. Unser erstes gemeinsames Konzert mit GHOULS (Vorgängerband von THE OTHER) in Erfurt war zum Beispiel total geil.
Wir kamen da an mit 11 oder 12 Jahren (Einruf von Thorsten: Ihr habt 15 gesagt!) und ich erinnere mich bis heute, dass wir uns dachten: „Oh, GHOULS spielen, ne geile MISFITS-Coverband“. Wir hatten uns schon alle unsere Devilocks (ikonischer Hairstyle der MISFITS) wachsen lassen und dann klebt ihr euch die an (lacht). Das Konzert war natürlich trotzdem geil, aber das war auch ein kleiner Schockmoment für uns (lacht).
Wir haben dann ein bisschen SAMHAIN-beeinflusst angefangen und es kam eins zum anderen und wir haben uns da immer schön reingezeckt. Das haben wir ja jetzt wieder mal so gemacht, nur mit dem Unterschied, dass Thorsten uns zum Glück gefragt hat und ich habe mega Bock darauf.
Unsere Bands verbindet halt Geschichte und ich unterhalte mich ja auch immer mit Thorsten und Richy, an welchem Punkt wir auch emotional stehen mit den Bands und über die Ups and Downs. Da gibt es Zeiten, da hast du wirklich keinen Bock mehr. Aber uns drei verbindet, dass wir einfach immer weitermachen und an das Ganze glauben. Das ist auch genau der Spirit, den wir mit den zu den HELL NIGHTS tragen wollen und ich glaube, das merken die Leute auch.
Wie war das denn bei euch mit der stilistischen Entwicklung? Ihr habt ja auch mit Horror Punk angefangen und zwischendurch schon Hard Rock und Sleaze mit eingebracht und auf euren letzten beiden Alben ging es ja eher in die düstere Goth/Dark Rock-Richtung.
Naja, ich mach immer noch das, was ich gerade gerne höre. Das ist immer so eine Momentaufnahme. Wenn es gerade irgendwie Hard Rock oder Sleaze Metal ist, dann mache ich das und werde beim Songwriting davon beeinflusst.
Jetzt habe ich gerade mehr Bock auf Post- und Shoegaze-Sachen. Wo es mich halt hinführt. Ich achte dabei nie darauf, wie es jetzt klingen soll. Wenn es mir gefällt, dann ist es für mich gut. Das erklärt wahrscheinlich unsere Erfolgslosigkeit (lacht).
Gerade das aktuelle Album „Voices Within“ ist ja schon so mit euer düsterstes Werk. Ich habe mich gefragt, ob es vielleicht auch an der Situation lag, welche du bereits in deinem Video zum Thema „Ängste einer Undergroundband“ angesprochen hattest, dass das Album so düster klingt.
Also, ich glaube, das ganze Business-Zeug fließt da weniger mit ein, sondern es wird halt emotionaler. Ich habe irgendwann angefangen die Texte weniger in Metaphern zu schreiben, sondern einfach frei von der Leber weg.
Die ganze Corona-Geschichte hat natürlich auch dazu gezählt. Da gab es auch einige Brüche in der Band. Der Drummer, Bassist und Gitarrist wollten sich auf andere Dinge besinnen. Also stand ich erstmal alleine da und dementsprechend düster klingen auch die Songs.
Dann habe ich unseren jetzigen Gitarristen getroffen, der auch viel vom Songwriting übernimmt, bzw. mehr oder weniger 50/50. Er kommt mehr aus dem Black Metal und ich bin im Punk und Gothic aufgewachsen. Davon gibt es jetzt die Symbiose und diese unterschiedlichen Welten ergänzen sich mittlerweile sehr gut.
Ich habe jetzt endlich mal wieder jemanden gefunden, der das gleiche Herzblut hat wie ich. Wenn dann noch sowas ansteht wie HELL NIGHTS, macht mich das noch glücklicher.
Bessere Schlussworte kann es wohl nicht geben. Horror Punk und Dark Rock sind einfach nicht totzukriegen, was diese drei Veteranen auch noch nach 20 Jahren unter Beweis stellen. Wenn dann noch starke Newcomer wie LEFT HAND BLACK hinzukommen, muss die Gruftparty noch lange nicht dicht machen. Wer sich davon überzeugen möchte, kann am 31.10. in Köln vorbeischauen und sich selber ein Bild machen. Vorausgesetzt natürlich, ihr seid mutig genug und eventuelle Zombie- und Vampirbisse machen euch nichts aus…