Meshuggah
Pre-Listening-Session

Special

An einem späten Freitagabend im Januar tritt man mit etwa 60 weiteren Pressevertretern aus dem Bereich Musik einem launigen Zoom-Meeting bei. Als Gastgeber fungiert ein bestens gelaunter Tomas Haake, seines Zeichens Drummer und Langzeit-Bandmember bei MESHUGGAH. Die Geschichte zu diesem Stelldichein ist schnell erzählt: Die schwedischen Progressive-Death-Metal-Veteranen veröffentlichen mit “Immutable” in Kürze ihr neuntes Studioalbum.MESHUGGAH polarisieren mit ihrem Stil mittlerweile seit 35 Jahren. Denn immerhin findet sich neben einer treuen Fanschar und unzähligen, sogenannten Experten, die zu jeder Veröffentlichung der Band mit der Zunge schnalzen, auch ein beratungsresistenter Teil in der Bevölkerung, der standhaft behauptet, die Musik der Brachial-Groover klänge immer gleich.

Auf die Veröffentlichung von  “Immutable” freut sich Haake scheinbar mindestens genauso, wie der Rest der Teilnehmenden einfach gespannt auf das neue Material der Band ist. So werden die jeweiligen Songs fleißig über die Chatfunktion mit Kommentaren aus der ganzen Welt begleitet, wobei sich wirklich keine einzige kritische Stimme äußert.

“Immutable” startet mit einem langen, fast positiv penetranten Industrial-Intro, bevor “The Absymal Eve” die Platte auf die Endgeschwindigkeit zirkelt. Mit seinen nachgezogenen Rhythmen und dem nur als fies zu beschreibenden Bass, findet sich also schon ganz am Anfang ein echter MESHUGGAH-Standard. Natürlich ist der Sound nicht fetter als sonst auch, wie könnte er das auch sein.

Tomas Haake spricht im Verlauf des Abends immer wieder davon, dass die Band mit “Immutable” ein Stück weit zurück zu ihren Wurzeln gekehrt ist. Nicht etwa weil sie sich selbst kopieren. Viel mehr, weil sie sich für das Songwriting von ihren frühesten Lieblingskünstlern beeinflussen ließen.

“Light The Shortening Fuse” wartet mit kleineren Melodiebögen auf und beschert den Eingeweiden pulsierenden bis zerschmetternden Bass. Gefolgt wird dieses tieftönende Ungeheuer von „Phantoms“, deren coole Palm-Mute-Riffs den etwas verwaschenen Drumsound dezent übertünchen. Ein sphärisches Finale geht über in das spacige “Ligature Marks”.

Zwischendurch lassen sich auf dem Bildschirm immer wieder die konzentrierten Gesichter und mitwippenden Köpfe derjenigen erblicken, die es versäumt hatten, ihre Kamera in den Offline-Modus zu versetzen. Eines wird dabei aber schnell deutlich: Auch “Immutable” gelingt es auf fast unnachahmliche Art, die Hörerschaft in seinen Bann zu ziehen und lässt keinerlei Spielraum für Kompromisse. Ein Nebenher-Laufenlassen ist unmöglich.

“God He Sees In Mirrors” ist nicht nur der nächste Song, sondern auch ein schönes Beispiel für diese These. Der stampfende Auftakt erinnert an den “21 Minute Track”, allerdings nur für einen Augenblick. Der einsetzende, mega aggressive Gesang in Verbindung mit semi dissonanten Licks erfordert in jedem Fall die volle Konzentration.

Im Anschluss folgt dann der endgültige Beweis, dass MESHUGGAH es eben doch anders können. Mit “They Move Below” zeichnen die Musiker ein schwermütiges, zurückgenommen, aber keineswegs bescheidenes Bild und hüllen es dabei ein ein knapp zehnminütiges Instrumental-Gewand. Für viele der Anwesenden Journalisten, ist mit diesem recht überraschenden Arrangement der Album-Höhepunkt bereits gefunden.

Der Songtitel “Kaleidoscope” klingt nicht nur nach Oldschool-MESHUGGAH sondern ist es auch. Schön ins Gesicht tretender Djent, der wieder in der Champions League mitspielt. “Black Cathedral” biegt dann wieder scharf links ab und offeriert Freunden des schwedischen Death Metals ein grandioses, sehr düsteres Intro.

Das letzte Drittel des Albums bleibt kaum zu fassen und wird mit “I Am That Thirst” und “The Faultless” durch normaler Weise nicht spielbare Musik zum Gegenstand der Diskussion. Vielleicht stellen diese beiden Songs aber den Tiefpunkt der Platte dar, immerhin würden die oben erwähnten Zweifler beim Hören der nicht völlig fremdartigen Arrangements ihre Argumente finden.

“Armies Of Prepoterous” kickt den letzten Rest von Liebreiz mit einem antimelodischen Dampfhammer über den Rand des Wahnsinns und manifestiert sich in einem Donnergrollen aus Wut. Den Abschluss bildet “Last Tense”, das praktisch aus einem nicht enden wollenden Bass-Auftakt besteht, der etwas Unheilvolles heraufbeschwört. So wabert der Songs bedrohlich und man wartet – am Ende vergebens – auf eine Geysir-artige Eruption aus Rhythmus und Basszerre.

Und so bleibt der Hörer hungrig zurück. Vielleicht bleibt auch nur das stattlich bis zum Rand mit Geldstücken gefüllte Phrasenschwein. Denn die Kunstwerke der Marke MESHUGGAH lassen sich, wenn überhaupt, nur durch Zuhilfenahme vieler, vieler Bildnisse ein wenig nachvollziehbarer machen.

07.02.2022

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