Rainbow
The Polydor Years

Special

Rainbow

Nachdem kürzlich schon IRON MAIDEN zu neuen Vinyl-Ehren gekommen sind, bekommt mit RAINBOW nun eine weitere Legende eine Neuauflage in schwarzem Vinyl. Unter dem Titel “The Polydor Years” sind alle Platten bis einschließlich “Bent Out Of Shape” nun in einer edlen Box zusammengefasst. Das 180g schwere Vinyl macht dabei schön was her und auch die Cover kommen hier, im Gegensatz zu den mickrigen CD-Bildchen, natürlich besser zur Geltung (Stichwort “Rising” ). Die ersten vier Alben kommen dabei zusätzlich noch in schönen Gatefold-Covern daher. Kann sich definitiv sehen lassen. Starten wir also eine Reise durch die Geschichte einer der einflussreichsten Bands des Hard Rock!


 

RAINBOW waren eine Band mit zwei Gesichtern. Das eine ist das mystische, das die Klassikeralben “Rising”, “On Stage” und “Long Live Rock ‘n’ Roll” hervorgebracht hat und den Hard Rock mitprägte. Das andere Gesicht ist weitaus kommerzieller, kann aber auch Hit-Singles wie “Since You’ve Been Gone” und “I Surrender” verzeichnen. Dazwischen befindet sich das Debütalbum “Ritchie Blackmore’s Rainbow”, das eine Band zeigt, die ihren Stil erst noch finden muss. Die beiden herausragenden Pfeiler der Platte sind Namensgeber und ex-DEEP PURPLE-Gitarrist Ritchie Blackmore und der junge Ronnie James Dio. Obgleich das Debüt teilweise noch orientierungslos wirkt, kristallisiert sich aber auch hier schon heraus, wie gut die beiden Protagonisten miteinander harmonieren und welches Potential in der Band schlummert. Folgerichtig sind mit “Man On The Silver Moutain”, “Catch The Rainbow”, “The Temple Of The King” und “Sixteenth Century Greensleeves” auch vier Stücke auf dem Album, die zurecht zu den großen des Hard Rock gezählt werden. Der Rest des Materials kann da nicht ganz mithalten, aber der erste Schritt in Richtung Rock-Olymp war getan.

 

Nur ein Jahr nach dem gelungenen Einstand 1975 befanden sich Dio und Blackmore auf ihrem kreativen Höhepunkt. Die Backingband wurde für die neue Platte “Rising” ausgetauscht, was für mehr musikalische Qualität bei RAINBOW sorgte, und auch das Songwriting war gegenüber dem Vorgänger immens verbessert worden. Die Entscheidung Basser Jimmy Bain (der auch auf DIOs ersten Soloalben zu hören ist) und Drummer Cozy Powell in die Band zu holen zahlte sich vollends aus, bekamen die neuen Kompositionen hierdurch doch das entscheidende Quäntchen mehr Power. “Rising” enthält NUR Hits. Sechs Mal gibt es Hard Rock in Vollendung mit einer unglaublichen Gesangsleistung von Ronnie James Dio und einem exzellent aufspielenden Ritchie Blackmore. Das erwähnte kreative Hoch der beiden kulminiert in der vorletzten Nummer “Stargazer”. Unterstützt vom Münchner Philharmonie Orchester werden hier in etwas über acht Minuten sämtliche Register des klassischen Hard Rock gezogen. Gleichzeitig ist “Stargazer” auch die erste gelungene Kollaboration zwischen einer Rock-Band und einem Orchester (PURPLEs “Concerto For Group And Orchestra” war weit weniger gelungen). Aber auch die anderen Nummern sind allesamt Klassiker des Hard Rock und RAINBOW mit “Rising” mit Leichtigkeit in den Rock-Olymp eingezogen.

 

 

Dass nach einem extrem erfolgreichen Album wie “Rising” und einer ebenso erfolgreichen Tour ein Live-Album kommen muss, ist schon seit jeher so. “On Stage” zeigt die wahrscheinlich beste RAINBOW-Besetzung, die je die Bühne geteilt hat. Neben Dio, Blackmore, Powell und Bain wird das Quintett wie schon auf “Rising” von Keyboarder Tony Carey vervollständigt. “On Stage” ist die perfekte Momentaufnahme einer super aufeinander eingespielten Band und zugleich, neben “Made In Japan” und “Live After Death”, das wohl beste Live-Album in der harten Rockgeschichte. Die ausufernden Soloeinlagen von Blackmore und Carey, sowie die gelungene Songauswahl (mit “Kill The King” gibt es sogar einen Ausblick auf das kommende Album zu hören) und Dios göttliche Gesangsleistung (man höre alleine “Mistreated”) machen das Teil zu einem Klassiker, der in jede Sammlung gehört (gerne auch mit der “Live in Munich 1977”-DVD). Punkt.

 

Wie eigentlich bei jeder neuen Studioplatte von RAINBOW wurde die Besetzung auch für das 1978 erschienene Album “Long Live Rock ‘n’ Roll” kräftig durcheinander gewürfelt. Jimmy Bain und Tony Carey wurden durch Bob Daisley (Bass, u.a. OZZY OSBOURNE) und David Stone ersetzt, was sich glücklicherweise aber nicht auf die Qualität des Songmaterials auswirkte, das von Martin Birch (u.a. IRON MAIDEN, BLACK SABBATH) ebenso wie “Rising” mit einem perfekten Sound veredelt wurde. Im Gegenteil, auch “Long Live Rock ‘n’ Roll” ist ein Klassiker des Hard Rock und zeigt das Duo Blackmore/Dio noch einmal in Höchstform. Songs wie das mystische “Gates Of Babylon”, der Titeltrack oder “Kill The King” sollte jeder Rockfan im Schlaf mitrocken können, und bei “Rainbow Eyes” dürfen auch harte Typen einmal weinen, ob Ronnies Gänsehaut-Performance. Die Qualität von “Long Live Rock ‘n’ Roll” ist unbestritten, und doch macht sich schon hier subtil eine minimale Kurskorrektur bemerkbar, denn die Songs haben nur selten Überlänge und somit (theoretisch) eher Singlepotential als das in der Vergangenheit der Fall gewesen wäre. Der Titelsong und “L.A. Connection” waren dann folglich auch Singles, die zwar noch nicht allzu hoch in die englischen Charts (Plätze 33 & 40) einsteigen konnten, Ritchie Blackmore aber in Bezug auf RAINBOW wohl auf den Geschmack gebracht haben. Wie auch immer. “Long Live Rock ‘n’ Roll” gehört wie auch seine beiden Vorgänger in jede Sammlung, die halbwegs ernst genommen werden will.

 

Danach kam der GAU. Ronnie James Dio konnte mit dem übergroßen Ego von Blackmore keine Kompromisse mehr eingehen, überwarf sich mit der Gitarren-Ikone und verließ RAINBOW noch im Jahr der Veröffentlichung von “Long Live Rock ‘n’ Roll”. Der Aufschrei in der Rockwelt war groß und niemand traute der Band zu, diesen Verlust ersetzen zu können. Mit Graham Bonnet wurde ein namhafter Vokalist gefunden, der stimmlich besser zu der jetzt deutlich US-orientierteren Ausrichtung von RAINBOW passte. Neben Bonnet wurde auch Blackmores ehemaliger DEEP PURPLE-Mitstreiter Roger Glover (Bass) in das fragile RAINBOW-Konstrukt eingegliedert. Glover übernahm auch gleich die Produktion und die Band konnte sich das erste Mal seit ihrer Gründung über zwei Top-Ten-Singles freuen. “Since You’ve Been Gone” (komponiert von ARGENT-Gitarrist Russ Ballard, Platz 6) und “All Night Long” (Platz 5) konnten in England in die Top-Ten der Charts einziehen und zeigten eine softere Variante von RAINBOW. Nicht alle Fans zeigten sich mit dieser Entwicklung einverstanden, doch der Erfolg gab Blackmore unter dem Strich Recht und so wurde auch “Down To Earth” ein erfolgreiches Album. Von den Platten, die nach der DIO-Ära veröffentlicht wurden, ist sicherlich “Down To Earth” das Album, das qualitativ noch am ehesten an die Klassiker heranreicht.

 

Gerade als die Fans den Ausstieg von Dio verkraftet und Graham Bonnet als neuen Sänger akzeptiert hatten, durfte der gute Mann nach der “Down To Earth”-Tour auch schon wieder seinen Hut nehmen. Ersatz wurde der Amerikaner Joe Lynn Turner, von dessen Verpflichtung sich Blackmore einen zusätzlichen Schub für den amerikanischen Markt erhoffte. Der blieb in den USA zunächst aus, doch konnten RAINBOW mit “I Surrender” (einer weiteren Russ Ballard-Komposition) bis auf Platz drei der englischen Charts vorpreschen. Insgesamt war “Difficult To Cure” aber zu wenig ausgereift und konnte auch härtetechnisch mit seinen Vorgänger (inklusive “Down To Earth”) nicht mithalten. Ritchie Blackmore schielte wohl nun vollends auf den amerikanischen Markt, was in Europa (trotz der Hit-Single) viele Fans enttäuschte. Songs wie “No Release” oder “Freedom Fighter” waren gute Rocksongs, aber weit von dem Niveau entfernt, das man gemeinhin mit RAINBOW assoziierte. Lediglich die Adaption von Beethovens “Ode an die Freude” (9. Sinfonie) im Titeltrack ließ noch einmal aufhorchen und die alte Klasse der Band erkennen. Neben Bonnet musste übrigens auch Drummer Cozy Powell seinen Hocker räumen und Platz für Bobby Rondinelli (heute AXEL RUDI PELL) machen. Für die musikalische Entwicklung RAINBOWs ein logischer Schritt, da Rondinelli weniger mächtig auf sein Kit eindrosch und daher besser zu den neuen Songs passte.

 

 

Auch das folgende Werk “Straight Between The Eyes” brachte trotz des beibehaltenen Kurses nicht den gewünschten Erfolg in den USA und in Europa ließ das Interesse an RAINBOW langsam nach. Das sechste Studioalbum der Band klang ebenso durchwachsen wie sein Vorgänger. Einige gute Rocksongs wie “Death Alley Driver” und “Miss Mistreated” wurden von zu viel austauschbaren und wenig packenden Stücken flankiert. Auch Blackmores Gitarrenspiel wirkte über weite Strecken uninspiriert wie selten. Der neue Keyboarder (kein RAINBOW-Album ohne Besetzungswechsel) vermochte es zudem nicht die Freiräume, die Blackmore ihm ließ, kreativ zu nutzen. So war “Straight Between The Eyes” das zweite RAINBOW-Album in Folge, das man nicht zwangsläufig im Schrank stehen haben muss.

 

Leider muss man dieses Urteil auch im Fall der letzten RAINBOW-Scheibe für Polydor fällen. “Bent Out Of Shape” ist so etwas wie der kreative Tiefpunkt der Band. Wo sich früher wahnwitzige Licks/Soli mit fesselnden Gesangsmelodien gepaart haben, ist im Jahr 1983 nicht viel mehr als austauchbarer US-(Hard)-Rock – es ist schlimm, dass man sowas im Kontext mit Ritchie Blackmore sagen muss. Ok, damals konnte man noch nicht ahnen, dass es auch einmal etwas wie BLACKMORE’S NIGHT geben würde. Wie dem auch sei, Bobby Rondinelli musste sich das durchschnittliche Geplänkel auf “Bent Out Of Shape” nicht mehr antun. Er wurde vor den Recordings durch Chuck Bürgi ersetzt, der einen ähnlich unauffälligen Job wie der Rest der Musiker erledigte. Irgendwie ist es kein Wunder, dass Ritchie Blackmore RAINBOW nach dem Album aufgelöst und sich 1984 wieder DEEP PURPLE angeschlossen hat.

Ohne kongeniale Sidekicks wie Ronnie James Dio oder den Purple-Jungs schien der große Meister immer mehr die Orientierung zu verlieren. Trotzdem hat die Reise durch die Geschichte von RAINBOW Spaß gemacht und einige Songs wieder ins Gedächtnis gerufen, die man gar nicht mehr so präsent hatte. Long Live Rock ‘n’ Roll!


17.01.2015
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