Iron Maiden, Black Sabbath, Slayer, Helloween, W.A.S.P. und Testament
Super Rock 1992: metal.de schwelgt in Erinnerungen

Special

Schon als kleiner Junge war man beeindruckt vom stets bemerkenswerten Line Up der Monsters-Of-Rock-Serie gewesen. Im Sommer 1991 debütierte man dann selbst und ließ den noch faltenfreien Hals zu METALLICA und AC/DC knacken. Ein besseres Billing als damals schien nicht möglich zu sein, bis das Veranstalter-Konglomerat Ossy Hoppe & Marek Lieberberg das Super Rock ankündigten. Neben IRON MAIDEN sollten BLACK SABBATH (natürlich unter der Chorleitung von Ronnie James Dio), SLAYER, HELLOWEEN, W.A.S.P., TESTAMENT und THE ALMIGHTY an einem Tag zu sehen sein. Auch heute würde man ob einer solchen Veranstaltung mehrere Luftsprünge zelebrieren. Für einen Heranwachsenden, der gerade den Stimmbruch überwunden hatte, schien die Teilnahme an diesem Event allerdings kaum möglich. Immerhin wurde das Festival im weit entfernten Mannheim ausgetragen und man hatte kaum Hoffnungen, seine Eltern davon zu überzeugen, dass man genügend Lebenserfahrung für zwei nächtliche Zugfahrten mit einem Kumpel gesammelt hatte.

Wie schön es ist, in einem wohlbehüteten Elternhaus aufzuwachsen und die Eltern darüber hinaus ein großes Herz für Heavy Metal haben, war spätestens dann klar, als man mit Sack und Pack den Familienboliden belud und der Papa in Richtung Baden-Württemberg aufbrach.

IRON MAIDEN haben gerade ihr neuntes Album „Fear Of The Dark“ veröffentlicht und man drückt immer wieder auf die Rewind-Taste des guten alten Sony-Walkman, um den Titeltrack wieder und wieder zu hören, während die Mama vom Beifahrersitz verkündet, dass man gerade die Ausfahrt zum Maimarktgelände in Mannheim genommen hätte. Das wurde auch Zeit, immerhin soll um punkt 9 Uhr der Einlass beginnen und mein Bruder und ich wollen unbedingt in den vorderen Bereich gelangen (heute nennt man die Zone Golden Circle und wenn man genügend Geld über den Tresen schiebt aka per PayPal-Transfer abdrückt, kommt man jederzeit dort hinein) und dafür muss man schnell und vor allem pünktlich sein. Und so begibt es sich, dass wir mitten im August um 9:10 Uhr in der dritten Reihe vor der Bühne stehen und weder Getränke dabei, noch einen Sonnenschutz aufgetragen haben. Egal, diesen Platz werden wir halten.

THE ALMIGHTY: Bekannt aus Funk und Fernsehen

Den Anfang machen die Schotten-Rocker um Ricky Warwick, den man eigentlich nur als Ehegatten der MTV-Moderatorin Vanessa Warwick kennt. Sie hostet den, in Europa sonntags ausgestrahlten Headbangers Ball. Natürlich ist man ihr – wie jeder andere männliche Metaller auf diesem Globus – verfallen und erstarrt vor Ehrfurcht, als Ricky ziemlich cool die Bühne betritt. Mit der Musik kann man sich trotzdem nicht so recht anfreunden und in der Tat wirken THE ALMIGHTY ein wenig deplatziert zwischen all den härteren und schnelleren Bands.

Die Angst vor TESTAMENT hat einen Namen: Chuck Billy

Weitaus enthusiastischer fiebert man dem Auftritt der Bay-Area-Legenden von TESTAMENT entgegen. Ein wenig besorgt ist man schon. Immerhin war noch kürzlich in der Fachpresse zu lesen, dass der Hüne und Sänger Chuck Billy gerne und weit spucken kann und man die ersten Reihen während eines TESTAMENT-Konzertes besser meiden sollte. Heute ist die Bühne aber durch einen mehrere Meter breiten Graben vom Zuschauerraum getrennt, sodass selbst Billy diese Distanz nicht überbrücken kann und so fliegt seine Spucke eben hier und da ein paar Meter in die Luft, bevor er sie wieder in seinen geöffneten Mund aufnimmt. Abgesehen davon spielen die Kalifornier heute alle Lieblingssongs, während sich ein veritables, erstes Gedränge entwickelt.

Blackie mit den Kettensägen (Oder: Wie blutig W.A.S.P. wirklich sind)

Unlängst hatte man sich in der Stadtbibliothek das Tape zum Konzertmitschnitt „Live… In The Raw“ besorgt und geht ziemlich übermütig auf die heute dargebotene W.A.S.P.-Show ab. Immerhin weiß man, wie nur wenige andere am heutigen Nachmittag, den Unterhaltungswert von Stücken wie „I Wanna Be Somebody“, „Blind In Texas“ oder „Wild Child“ zu schätzen. Vielleicht liegt es an der mittlerweile heiß gewordenen Mittagssonne, gepaart mit der Aussicht auf viele weitere, vergnügliche Stunden. So richtig mag der Funke nicht auf das Publikum überspringen. Natürlich ist man selbst auch ein wenig über das völlig ausbleibende Blutbad auf der Bühne enttäuscht und wenigstens einen Kreissägen-Hüftschwung hätte Blackie Lawless schon sehen lassen können.

HELLOWEEN und die rosafarbenen Bläschen

Vom heutigen Auftritt der – noch immer unumstrittenen – Power-Metal-Könige bleibt leider nicht sehr viel hängen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zwar steht man mit dem aktuellen Album „Pink Bubbles Go Ape“ nicht auf Kriegsfuß, aber in der Heavy Rotation läuft halt „Live In The UK“ und die darauf zu hörende, fantastische Stimmung lässt sich nicht beliebig oft reproduzieren. Zumal ein Großteil der Atmosphäre dem Publikum zu verdanken ist. Und das gibt sich heute eher zurückhaltend.

SLAYER: Das erste Mal vergisst Du nie

Neben dem Mainact ist das heute mein persönliches Highlight. Zugegeben – die Kalifornier hatten zuletzt mit „Seasons In The Abyss“ die letzte wahre Blasphemie-Speed-Thrash-Rakete gezündet. Was die Aufregung vor dem Konzert wirklich befeuert, ist wieder eine Live-Platte. „Decade Of Aggression“ ist an Weihnachten unter dem Christbaum gelegen und läuft seitdem mindestens einmal am Tag. Alleine der Moment wenn die Zuschauer verstummen und das – in jeglicher Hinsicht – haarsträubende Intro zu „Hell Awaits“ erklingt, lässt einen braven Heavy-Metal-Buben frohlocken. Und tatsächlich bringen die Herren Araya, Hanneman, King und Lombardo es heute fertig, ein ähnlich grotesk, düsteres Szenario zu komponieren. Und das bei hellem Sonnenschein. „Raining Blood“ ist wie so oft ein Höhepunkt, von „Dead Skin Mask“ und „Seasons In The Abyss“, bis hin zu „South Of Heaven“ ganz zu schweigen. Die Eintrittskarte zum extremen Metal ist schnell entwertet, die besten SLAYER-Alben sind auf dem Markt und eine grandiosere Setlist wird es nie wieder geben. Punkt.

BLACK SABBATH und der Fluch des Sängers

Den musikalischen Zugang zum Grundpfeiler des Heavy Metal hat man erst später gefunden. Heute ist man eher dem BLACK-SABBATH-Mainstream zugewandt und begeistert sich selbstredend für „Paranoid“ und „Iron Man“, die aber bitteschön vom Prince Of Darkness intoniert werden sollten. Die Kindesohren sind leider auch für Ronnie James Dio noch verschlossen, zu antiquiert klingen die klassischen Rock-Phrasen. Das genau dieser Dio dreißig Jahre später noch immer genauso gut klingt wie vor vierzig Jahren, weiß man heute noch nicht. Aber das wäre ja auch eine Abweichung im Zeitkontinuum. Den heutigen Moment verschwendet man im jugendlich Leichtsinn also und nachholen lässt er sich leider nicht mehr.

IRON fucking MAIDEN

Die Minuten vor der Show fühlen sich an wie Stunden. Die Lichttechniker klettern über Strickleitern in schwindelerregende Höhen und nehmen für die nächsten zwei Stunden ihren Arbeitsplatz ein. Vieles wird noch von Hand betrieben. Hinter dem Schlagzeug ragt ein mächtiges Backdrop mit dem Artwork von „Fear Of The Dark“ empor. Diese Analogie im Bühnenbild werden MAIDEN auch noch in dreißig Jahren verwenden, was schön ist. Den Moment als Bruce Dickinson auf die Bühne strebt, werde ich nicht vergessen. IRON MAIDEN waren die Helden meiner Jugend und sind es noch immer. Das Gedränge vor der Bühne schiebt sich in Wellen nach links und rechts, ein Umfallen ist nicht denkbar. Nach über zehn Stunden ohne Flüssigaufnahme gibt es sicherlich einige heikle Momente, die man allerdings nicht geschehen lässt. Über die gespielten Songs muss man nicht reden. Als Eddie das erste Mal in meinem Leben, vor meinen Augen während „Iron Maiden“ auf die Bühne torkelt, könnte ich heulen. Es ist alles viel berauschender, großartiger, unvergesslicher, als man es für möglich gehalten hätte. Knapp 40.000 Menschen lassen den Abend zusammen mit einer britischen Heavy-Metal-Band zum glücklichsten Moment eines Halbwüchsigen werden.

Voller Euphorie plappert man während der gesamten Rückfahrt nach München, was den Papa vor dem Einschlafen am Steuer bewahrt. Zuvor hatten die Eltern noch ein paar Festival-Shirts für die Jungs organisiert – Ihr seid einfach die Besten.

Für das Festival und die dargebotenen Bands musste man seinerzeit übrigens gerade mal knapp 60 DM zahlen. Im Vergleich dazu, legt man für mittelmäßige Sitzplätze für eine einzelne IRON-MAIDEN-SHOW über 100 Euro hin. Dafür darf man sich dann aber auch jede Menge Handys vor die Nase halten lassen. War früher alles besser?

22.02.2023

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