Avatar
"Mehr emotionale Verletzlichkeit – und mehr Dynamik im Gesang"

Interview

Wir haben mit AVATAR-Frontmann Johannes Eckerström über das kommende Album „Don’t Go In The Forest“, emotionale Tiefe, körperliche Vorbereitung auf Tour und die Faszination des Verbotenen gesprochen – und darüber, warum die Band auch beim zehnten Album noch immer nach neuen Wegen sucht.

Hallo und willkommen bei metal.de. Heute sprechen wir über das neue AVATAR-Album „Don’t Go In The Forest“, das am 31. Oktober erscheint – also genau an Halloween. Das dürfte wohl kein Zufall sein.

Johannes, schön, dass du da bist. Wie geht’s dir?

Mir geht’s gut. Und ja, die Veröffentlichung an Halloween war so halb geplant. Zuerst ging es einfach darum, das Album überhaupt fertigzustellen. Als dann der Zeitrahmen stand und Halloween zufällig hineinfiel, haben wir den Termin natürlich genommen – schließlich sind wir eine Heavy-Metal-Band, und Halloween passt einfach perfekt.

An dem Tag selbst sind wir allerdings in Mexiko – dort feiert man nicht Halloween, sondern den Día de los Muertos. Kurz darauf sind wir in den USA, da ist Halloween dann wieder ein Thema. Tourtechnisch ist das alles ein kleines Durcheinander, aber als Releasedatum ist es großartig.

Im Moment bist du in Berlin, um das neue Album zu promoten. Danke, dass du dir Zeit nimmst. „Don’t Go In The Forest“ ist euer zehntes Studioalbum – was bedeutet dieses Jubiläum für dich?

Ich denke, es zeigt vor allem, dass wir dem Rat gefolgt sind, einfach dranzubleiben. Und dass wir immer noch nicht gelangweilt sind von dem, was wir tun.

Mit den Jahren wurde es immer wichtiger, sich vor jeder Platte zu fragen, warum man sie überhaupt macht. Es darf nicht bloß ein Job sein – kein „Wir brauchen ein neues Album, um Hundefutter zu kaufen“.

Wir müssen Gründe finden, Musik zu schreiben, die uns wirklich begeistert und sich wichtig anfühlt. Das ist eine Art künstlerischer Prozess: Schicht für Schicht abtragen, um näher an einen inneren Kern der Wahrheit zu kommen – zumindest an das, was man dafür hält.

Außerdem entwickeln sich die Methoden, wie wir arbeiten, ständig weiter. Wir wollen uns nie wiederholen. Dieses Album erfüllt all diese Punkte – und das macht mich glücklich. Es mag das zehnte Album sein, aber gleichzeitig fühlt es sich an wie ein Neubeginn. Bei jedem Album willst du dich wieder wie ein Anfänger fühlen – und genau so ist es.

Wie ist die Idee zu „Don’t Go In The Forest“ überhaupt entstanden?

Viele unserer Alben – etwa „Avatar Country“ oder „Dance Devil Dance“ – begannen mit einer sehr klaren Vision. Dieses Mal war es anders. Es war ein freierer, experimenteller Prozess, fast wie nach „Sgt. Pepper“ das „White Album“.

Wir wollten nicht von vornherein alles definieren, sondern zulassen, dass Dinge einfach passieren. Ich habe das „Vertraue dem Prozess“ weitergedacht zu „Vertraue dem Schönen“. Ideen kommen oft aus dem Unterbewusstsein – und diesmal wollte ich nicht sofort wissen, worum es in einem Song geht. Ich bin länger „im Wasser geblieben“, habe Intuition zugelassen. Das hat zu anderen Strukturen geführt: Statt „Don’t bore us, get to the chorus“ war das Motto eher „Nimm mich mit auf eine Reise und schau, wohin sie führt“.

So sind Stücke wie „Magic Lantern“ , „Howling at the Waves“ oder „Take This Heart and Burn It“ entstanden – sehr intuitiv, fast surreal. Natürlich musste am Ende alles zusammenfinden, damit es musikalisch funktioniert, aber ich habe diesen Moment des „Zusammenfügens“ bewusst hinausgezögert. Am Ende hat sich alles ganz natürlich gefügt – freier, vielleicht auch progressiver als zuvor.

Welche neuen musikalischen Richtungen habt ihr auf diesem Album ausprobiert?

Es ist definitiv emotionaler und verletzlicher geworden – aber gleichzeitig enthält es auch einige der schnellsten Songs, die wir seit Langem geschrieben haben.

Für mich persönlich war das Singen diesmal ein riesiger Entwicklungsschritt. Ich habe viel über die Wurzeln von Heavy Metal nachgedacht – über den Einfluss von Blues und Soul. In den 60ern, neben Psychedelic Rock und Hard Blues, entstand Soulmusik: emotional, laut, leidenschaftlich.

Ich glaube, das ging im modernen Metal manchmal verloren. Ein Sänger wie Ozzy Osbourne war für mich immer auch ein Soulsänger – jemand, der fühlt, was er singt. Das hat mich inspiriert, mehr Dynamik in meinen Gesang zu bringen – von leise und verletzlich bis hin zu kraftvoll und ekstatisch.

Ich sage manchmal: Im Vers bin ich ein bisschen Leonard Cohen, im Pre-Chorus George Michael – und im Refrain brechen die Dämme. Diese Dynamik war mein Ziel, und ich glaube, ich bin dem ziemlich nahe gekommen.

Wenn du das Album mit nur drei Worten beschreiben müsstest – welche wären das?

Metal Circus.

Und ich sage bewusst Metal Circus und nicht Circus Metal – weil ich nicht weiß, was „Circus Metal“ überhaupt sein soll. Metal Circus beschreibt die Vielfalt, das Farbenfrohe, die vielen unterschiedlichen Eindrücke, die am Ende doch zusammenpassen – wie eine Art Varieté-Show direkt aus unseren Herzen. Es ist der Metal-Zirkus.

Der Wald im Titel wirkt wie ein Symbol für Gefahr und Geheimnis. Was bedeutet er für dich persönlich?

Da gibt es mehrere Ebenen. Wenn jemand sagt: „Geh nicht in den Wald“, will man natürlich genau das tun. Das passt perfekt zu Heavy Metal, weil wir uns mit Tabus befassen – mit dem, was hinter der verbotenen Tür im eigenen Kopf steckt.

Indem man das Dunkle ans Licht bringt, kann man es heilen. Dieses Motiv zieht sich durch die ganze Platte.

Gleichzeitig sehe ich eine fast filmische Vision, wie in Twin Peaks, wo sich im Wald das Tor zur „Black Lodge“ öffnet. Ich stelle mir vor, man betritt eine Lichtung, sieht ein kleines Zirkuszelt – und darin beginnt AVATARs Welt. Dunkelheit und Freude, Schwere und Ekstase – beides gehört zusammen.

Und ja, wenn man das mit der Bibel vergleicht: Ich bin ganz klar Team Eva. Sie hat die verbotene Frucht genommen – und dadurch Wissen und Wahrheit gefunden. „Don’t Go In The Forest“ ist im Grunde genau das: Wage das Verbotene, um dich selbst zu erkennen.

Touring ist ein zentraler Teil eurer Identität. Wie bereitest du dich mental und körperlich auf eine so intensive Show vor?

Mentales und physisches Training gehen Hand in Hand – im Proberaum und im Fitnessstudio. Wenn du deinen Körper vorbereitest, trainierst du automatisch auch deinen Geist.

Wir nehmen sogar eine Roadcase mit Hanteln, Yogamatten und Springseilen mit auf Tour. Drei von uns trainieren ziemlich regelmäßig. Ich muss immer das Gleichgewicht finden: Zu Hause kann ich härter trainieren, auf Tour geht es eher um Ausdauer, Beweglichkeit und Regeneration.

Das Ziel ist, dass das Konzert nicht das körperlich Anstrengendste des Tages ist – aber auch nicht so viel, dass man die Treppe zur Bühne kaum noch hochkommt.

AVATAR waren schon immer sehr visuell. Wie beeinflussen die surrealen Elemente des Albums eure kommende Live Show? 

Ohne zu viel zu verraten – es wird Dinge auf der Bühne geben, die sich bewegen, auf eine Art, die ich so bei keiner anderen Band gesehen habe.

Aber im Kern bleibt es dabei: Wenn Lichtshow und Musik perfekt zusammenspielen, entsteht die Magie von selbst. Und mindestens die Hälfte eines Konzerts passiert durch das Publikum – durch diese Wechselwirkung zwischen uns und ihnen. Wenn alle sich fallen lassen, entsteht echte Verbindung.

Aber ja – es wird auch verrückte Dinge auf der Bühne geben. Versprochen.

Avatar 2025

Welche Bedeutung soll dieses Album langfristig für euch und eure Fans haben?

Ehrlich gesagt denke ich darüber kaum nach. Sobald ein Album fertig ist, beginne ich innerlich schon mit dem nächsten.

Im Moment geht es darum, die Songs zu teilen, sie auf die Bühne zu bringen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, sie in ihr eigenes Leben zu integrieren. Jeder verbindet Musik mit bestimmten Momenten – Freude, Verlust und Neuanfang. Manche Songs laufen auf Hochzeiten, andere auf Beerdigungen – und manchmal auf beiden.

Ich hoffe einfach, dass das Album spürbar macht, wo wir gerade stehen, und dass die Menschen fühlen, was wir beim Schreiben gefühlt haben. Wenn uns das gelingt, dann hat es seinen Zweck erfüllt.

Vielen Dank, Johannes, und alles Gute für die Tour!

Danke dir – wir sehen uns auf der Tour!

Galerie mit 30 Bildern: Avatar - The Great Metal Circus 2024 in Stuttgart
Quelle: Avatar
30.11.2025

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 38113 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

Avatar auf Tour

Kommentare