Fear Factory
Interview mit Dino Cazares zu "Genexus"

Interview

Fear Factory

Dino Cazares spannt zwar noch ein bisschen in Kalifornien aus bevor das große Touren mit FEAR FACTORY und dem neuen Album „Genexus“ beginnt. Dank Skype (moderner Technologie!) konnte er uns zuvor aber noch ein paar Fragen zum Mensch-Maschine-Konzept, neuer Technologien im Musikgeschäft und natürlich dem Album an sich beantworten.

FEAR FACTORY sind mit ihrem zehnten Studioalbum „Genexus“ zurück. Was dürfen die Fans erwarten?

Ich glaube, eines der coolen Dinge an diesem Album ist, dass es viele verschiedene Seiten der Band zeigt. Wir haben ein paar schnelle Songs, ein paar mechanisch klingende, mit synkopierten Gitarren und Schlagzeug-Pattern und viele wunderschön melodische Refrains. Natürlich gibt es diesmal auch wieder groovigeren Kram wie „Soul Hacker“, „Church Of Execution“ und dann natürlich Songs wie „Expiration Date“, eine Art Industrial-Electro-Ballade. Das Album deckt wirklich alle Phasen ab, die FEAR FACTORY ausmachen und ich glaube wir zeigen sehr ehrlich wer wir sind und wie wir klingen. Und so wie bei allen vorherigen Albem haben wir wieder ein cooles, futuristisches Albumkonzept. Ich denke, unsere Fans dürften zufrieden gestellt werden. 

Wieder einmal ist das Album vom Verhältnis zwischen Mensch und Maschine inspiriert. Gibt es denn diesmal ein paar neue Aspekte dieser Thematik?

Auf vorherigen Alben haben wir uns größtenteils auf den Kampf zwischen Mensch und Maschine bezogen. Auf diesem Album sind Mensch und Maschine mehr oder weniger eins geworden. In unserer ganzen Bandgeschichte ging es immer um die technologischen Entwicklungen im Vergleich mit der menschlichen Entwicklung, wie wir uns zusammen mit der Technologie weiterentwickelt haben. Dieses Mal geht es ganz speziell um eine Generation, in der Mensch und Maschine eins geworden sind. Dabei haben wir uns Gedanken zum Singularitäts-Konzept gemacht, in einer Zeit, in der Mensch und Maschine sich einander immer mehr annähern. Es geht um den täglichen Kampf der Maschine, die versucht sich anzupassen, unter den echten Menschen zu leben. Und wie so ziemlich alles hat auch die Maschine ein Verfallsdatum. Und als sie das herausfindet, will sie nicht sterben. Viele von uns wollen nicht sterben. Alle wollen so lang wie möglich leben. Und diese Maschine, deren Batterie abzulaufen droht, geht zu ihrem Schöpfer und fordert ein längeres Leben.

Wo kommt die Inspiration für solche Themen her? Aus dem wirklichen Leben oder der dystopischen Literatur?

Ich denke, es ist ein bisschen von beidem. Wir sind große Fans von Ray Kurzweil, Stephen Hawking und Sci-Fi-Filmen. Ganz besonders Burton (C. Bell; Anm. d. Red.), er ist wirklich immer auf dem Laufenden, was das alles angeht. Ich bin auch ein großer Fan, aber Burton taucht so richtig darin ein. Und dann ist moderne Technologie natürlich ein wichtiger Teil unseres Lebens. Und wir als Menschen müssen herausfinden, wie wir mit diesen Technologien umgehen. Viele Jobs sind aufgrund moderner Technologie überflüssig geworden. Dinge wie Bücher und CDs werden zunehmend überflüssig. Es gibt viele verschiedene Beispiele.

Wie ist deine persönliche Einstellung dazu? Bist du ein Technologie-Optimist oder stehst du der ganzen Entwicklung eher pessimistisch gegenüber?

Ich denke, es ist etwas dazwischen. Es gibt immer positive und es gibt immer negative Aspekte. Es kommt darauf an, wofür wir die Technologie verwenden. Viele Leute sind extrem verärgert darüber, dass du heutzutage so ziemlich alles umsonst herunterladen kannst. Sei es Musik, seien es Filme, oder was auch immer. Das ist sicherlich ein Thema, das die Musikwelt bewegt. Die positive Seite ist, dass wir überhaupt die Technologie für so etwas besitzen. Jetzt müssen wir die Leute nur noch dazu kriegen, für das Herunterladen auch zu zahlen. Das ist der schwierige Teil. Sich zusammen mit der Technologie entwickeln. Darauf kommt es an. Ich bin optimistisch und pessimistisch gleichermaßen.

Würdest du sagen, dass es aufgrund dieser bereitstehenden Technologien heutzutage schwieriger oder einfacher ist, als junge Band den Durchbruch zu schaffen?

Es wird auf jeden Fall immer schwieriger im Musikgeschäft zu überleben. Keiner macht mehr das große Geld, weil die Leute die Musik umsonst downloaden. Damit sage ich jetzt nichts Neues, aber auf jeden Fall wird es härter und härter. Auf der anderen Seite gibt es aber großartige Möglichkeiten, um deine Band bekannt zu machen. Es gibt unglaublich viel Social Media, wie beispielsweise Youtube. Vor ein paar Jahren hast du noch unglaublich viel Geld für ein Musikvideo zahlen müssen, jetzt kannst du das einfach ganz allein machen. Die neuen Technologien ermöglichen es jedem Musiker, ein Album in seinem Schlafzimmer aufzunehmen und danach dort ein Video zu produzieren, oder wo auch immer. Man kann es aufnehmen, so bearbeiten, dass es gut aussieht und es dann bei Youtube hochladen. Was Musikproduktion und Videoproduktion angeht – das kannst du mittlerweile ganz alleine machen. Dafür brauchst du kein Label. Aber wenn du deine Band vermarkten willst, dann brauchst du Geld und dann brauchst du ein Label im Rücken. Und deshalb macht heute keiner mehr Geld, weil die Labels es sich nicht mehr leisten können.

Kannst du kurz erklären, was der Titel des neuen FEAR-FACTORY-Albums, „Genexus“, bedeutet?

Das Wort „Genexus“ war meine Idee. Es setzt sich zusammen aus dem Wort Genesis, dem Anfang aller Zeit und Nexus, was soviel wie Verbindung bedeutet. Ich dachte mir einfach, dass das ein gutes Wortspiel sei, ein Worthybrid, zu dem Burton sich ein starkes Konzept überlegen könnte. Ich habe es ihm erzählt und er meinte nur: „Das klingt super, da fällt mir sicherlich etwas zu ein.“ Es hat einfach perfekt zu dem gepasst, woran er ohnehin schon geschrieben hatte.

Und das Albumcover visualisiert diese „Genexus“-Idee?

Ja, das Cover soll visualisieren, was man unter der „Genexus“-Generation versteht, die die neueste Entwicklungsstufe der Maschine darstellt. Was man auf dem Cover sieht, ist das Innere der Maschine, nicht das, was sie nach außen hin zeigt.

„Genexus“ enthält nach „The Industrialist“ wieder echte Drums und nicht nur eine Drum Machine. Wieso habt ihr euch diesmal wieder so entschieden?

Als wir „The Industrialist“ aufnahmen, hatten wir gerade keinen Schlagzeuger. Mit ihm lief es nicht mehr so gut und er war zu einer anderen Band gegangen. Wir waren ohne Schlagzeuger und aus Zeitgründen gezwungen, elektronische Drums einzusetzen, weil das Label das Album raushauen wollte. Gleichzeitig dachten wir uns: Wir sind es gewohnt Schlagzeugprogramme zu benutzen, wir haben das schon vorher gemacht. Warum machen wir nicht einfach ein ganzes Album auf diese Art und Weise? Burton und ich haben uns dann auch so entschieden, da es erstens eine Menge Zeit und zweitens eine Menge Geld gespart hat. Der dritte Punkt war, dass wir die Technologie dafür hatten und es einfach konnten. Jeder macht es, warum also nicht wir? Das Problem bei der Sache war, dass wir sehr offen damit umgegangen sind und es an die Öffentlichkeit gegeben haben. Ich meine, wir sind eine Band, die Technologie liebt und versucht, deren neueste Errungenschaften auch in ihrer Musik einzusetzen. Seit dem Anfang unserer Karriere ist das so. Aber als wir dann das Schlagzeugprogramm eingesetzt haben, schien es unseren Fans nicht zu gefallen, was wir bis heute nicht verstehen. Wir verstanden nicht, was daran schlimm sein sollte, ein Programm für unsere Musik zu benutzen. Wie auch immer, als wir „Genexus“ aufgenommen haben, hatten wir einen Drummer. Wir haben uns entschieden ihn einzusetzen. (lacht)

 

 

Ich habe mich sowieso schon öfters gefragt, ob der Einsatz einer Drum Machine sich nicht ohnehin perfekt in euer Bandkonzept fügt. Plötzlich ist die Maschine ein Teil eures Sounds.

Natürlich! Ich weiß nicht, warum die Fans es nicht mochten und was daran falsch war: „Das klingt gar nicht menschlich.“ Was zur Hölle erzählt ihr da? (lacht) Worüber haben wir denn die verdammten letzten 25 Jahre gesungen?

Und was gefällt dir besser, wenn du jetzt vergleichen müsstest?

Ich mag beides. Es kommt immer drauf an. Am liebsten mag ich einen Hybrid aus beidem, aus Mensch und Maschine. Das ist es auch, was wir auf „Genexus“ gemacht haben. Mit unserem Live-Drummer haben wir die Spuren live eingespielt und dann haben wir seine Tracks stellenweise durch mechanischere Sounds ersetzt. Dabei haben wir aber darauf geachtet, das menschliche Element nicht vollkommen herauszunehmen. Wir können nicht perfekt sein – deshalb haben wir das menschliche Element drinnen gelassen. Dadurch haben wir diesen Vibe bekommen, den wir dann mit den elektronischen Sounds gemischt haben. Und ich finde die Kombination klingt fantastisch.

Wie sieht es mit deinem Gitarrensound aus? Fügst du dort auch nachträglich Sounds ein um diesen maschinellen Klang zu bekommen?

Alles fängt mit der rechten Hand an, meiner Spielhand. Du kannst mir jeden noch so schäbigen Verstärker holen und mich einstöpseln – ich werde klingen wie ich. Zudem benutze ich diese kleine Sache namens Kemper. Du hast vielleicht davon gehört, der volle Name ist Kemper Profiling Amplifier. Im Grunde kannst du damit die Sounds echter Verstärker klonen und in diesem Profiling Amp speichern. Den kann man dann direkt an den Computer anschließen und anfangen aufzunehmen. Es ist sehr einfach und sehr praktisch und ich liebe es, denn ich kann damit um die Welt reisen und habe meinen Sound immer bei mir. Jedes Mal wenn ich live spiele, klingt es exakt wie auf dem Album. Vollkommen egal, wo auf der Welt ich mich gerade befinde. Ich liebe es, wie die Technologien immer ausgefeilter werden – nicht nur in unseren Laptops und Mobiltelefonen sondern auch im Bezug auf Musik. Ich kann einfach einen Knopf drücken und mir einen der gespeicherten Sounds aussuchen und einen Effekt oder was auch immer ich will darüber legen. Das Ding ist so klein, dass ich es mit ins Flugzeug nehmen kann.

Aber vermisst du nicht manchmal trotzdem den organischen Sound, den nur ein großer Röhrenverstärker in deinem Rücken dir gibt?

Klar, deshalb klone ich ihn mir ja. (lacht) Du kannst einfach die Seele eines Verstärkers stehlen und sie im Kemper speichern. Es klingt exakt so wie der Verstärker, den ich mag.

Hast du auf „Genexus“ auch wieder achtsaitige Gitarren verwendet?

Ja, ich benutze Achtsaiter auf FEAR-FACTORY-Platten seitdem ich wieder zurück bei der Band bin. Auf „Mechanize“ gab es sie zu hören, auf „The Industrialist“ und auch auf „Genexus“. Aber der größte Teil der Songs wird auf der siebensaitigen Gitarre gespielt.

Ist es noch eine Herausforderung für dich zwischen siebensaitiger und achtsaitiger Gitarre zu wechseln? Der Hals ist ja schon noch ein Stück breiter.

Klar, der Hals ist breiter, aber mit der Zeit bekommt man das schon hin. Man gewöhnt sich dran.

Es gab auch einen Besetzungswechsel bei FEAR FACTORY. Matt DeVries am Bass wurde für „Genexus“ durch Tony Campos ersetzt. Kanntet ihr beiden euch schon vorher und habt zusammen gespielt?

Ja, Tony und ich sind seit zwanzig Jahren befreundet. Er war in einer lokalen Band hier aus Los Angeles und als wir mit FEAR FACTORY starteten war er in einer anderen kleinen Death-Metal-Band aus der Umgebung. Ein paar Jahre später war er dann bei einer Truppe namens STATIC-X. Wir haben STATIC-X auf unsere erste Tour mitgenommen, damals 1995. Wir kennen ihn also schon sehr lange. Er spielt außerdem mit mir zusammen bei meinem Death-Metal-Projekt ASESINO. Es ist cool ihn jetzt in der Band zu haben, weil er einfach ein alter Freund ist. Es ist schade, dass Matt nicht mehr auf Tour gehen möchte, aber wir verstehen natürlich, dass er Zeit mit seiner Familie verbringen möchte. Matt hat zwei kleine Jungs und er will sie aufwachsen sehen. Er will da sein und auf sie aufpassen.

Wie vereinbarst du Familie und Tourleben?

Natürlich vermisse ich meine Familie auch wenn ich auf Tour bin. Aber ich vermisse es auch live zu spielen, unterwegs zu sein. Es ist Teil meines Lebens und meine Frau, meine Familie und meine Freunde verstehen das. Ich muss auf Tour gehen, damit ich meine Rechnungen bezahlen kann.

Wo wir gerade von Tourleben sprechen. Ihr werdet sehr bald in den USA zusammen mit COAL CHAMBER auf Tour sein, die ebenfalls vor kurzem ein Album herausgebracht haben. Verfolgst du die Nu-Metal-Szene, die ihr ja definitiv mit FEAR FACTORY inspiriert und initiiert habt?

Gibt es da wirklich noch so eine große Szene? Die einzige neue Band, die irgendwie in Richtung Nu Metal geht und mir gerade einfällt ist eine Truppe namens EMMURE. Aber wirklich beschäftigt habe ich mich auch nicht mit denen. Aber natürlich sind die ganzen Old-School-Bands noch unterwegs. KORN und LIMP BIZKIT sind viel in Europa unterwegs, ILL NINO sind auch noch dabei. Die meisten von denen sind gute Freunde und ich verfolge das natürlich. Aber was wirklich neue Bands angeht, bin ich nicht so auf dem Laufenden.

Hast du denn sonst irgendwelche Favoriten unter den aufstrebenden Metal-Bands, von denen du dir vorstellen könntest, dass sie in naher Zukunft mal groß werden?

Ich kann natürlich nicht vorhersagen, wer mal richtig groß wird. Wünschen würde ich es allen. Es gibt aber eine Band, die ich sehr mag. Mittlerweile haben sie glaube ich drei Alben oder so. Sie heißen BORN OF OSIRIS. Ich habe außerdem einen guten Freund in Australien. Er ist Solo-Gitarrist und sein Name ist Paul Wardingham. Ein fantastischer Gitarrist.

Werden FEAR FACTORY diesen Sommer in Europa unterwegs sein?

Ja, wir starten nächste Woche und werden eine Menge Sommerfestivals spielen. In Deutschland sind wir unter anderem beim With Full Force, dann spielen wir beim Resurrection Fest in Spanien und noch bei vielen mehr. Wir werden drei Wochen in Europa sein, dann geht es zurück nach Hause, wo wir die COAL-CHAMBER-Tour machen. Danach geht es nach Südamerika und dann nach Japan – und im November zieht es uns wieder nach Europa. Dort spielen wir eine Headliner-Tour anlässlich des 20-jährigen Jubiläums von „Demanufacture“.

Einen ordentlichen Terminplan habt ihr da. Ich hoffe, ich schaffe es zu einer der Shows und kann mir die neuen Songs live anhören. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast!

Ich bedanke mich!

06.08.2015
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