Kamelot
"Lasst diese Musik einfach in ihrer eigenen kleinen Welt existieren und genießt es!"

Interview

Dass das KAMELOT-Debüt “Eternity” dieses Jahr 30 Jahre alt wird, nutzt die Band um Gitarrist Thomas Youngblood zur Veröffentlichung des schicken “Ascension”-Boxsets, das die ersten drei Alben der Band “Eternity”, “Dominion” und “Siége Perilous” wahlweise auf CD oder Vinyl beinhaltet. Wir nutzten die Gelegenheit, um über die Alben und die Ära der Band mit dem bestens aufgelegten Gitarristen zu sprechen. [Anmerkung: Ursprünglich sollten Jannik und Johannes das Interview gemeinsam führen. Die Fragen haben sich beide zusammen ausgedacht; da Johannes zum Interviewtermin aber keine Stimme mehr hatte, hat Jannik es allein durchgeführt.]

Lass und mal über die Anfänge von KAMELOT sprechen. Welche Visionen hattet ihr, als ihr die Band gestartet habt?

Da ich in Tampa aufgewachsen bin, war ich von SAVATAGE und CRIMSON GLORY beeinflusst. Als lokaler Musiker habe ich zu diesen Bands aufgesehen, weil sie nicht nur in Tampa und der örtlichen Szene gespielt haben. Vom ersten Tag an, mit 17, war es meine Vision, nicht nur in den USA zu spielen. Ich hatte gerade klassische und Jazz-Gitarre gelernt und begann, mich für IRON MAIDEN und MICHAEL SCHENKER GROUP zu interessieren. Zugleich hatten Bands aus unserer Heimat wie SAVATAGE einen Plattenvertrag und waren auf Tour. Für mich war das eine Orientierung, KAMELOT zu starten.

Euer erstes Album “Eternity” klingt sehr gut vorbereitet und ausgereift. Wie viel Weiterentwicklung fand da im Vergleich zu den Demos statt?

Genau, etwa die Hälfte davon besteht aus den Demos vor dem Plattenvertrag. Wir haben viel Zeit und Energie in den Morrisound Studios investiert. Das war das beste Studio in Florida zu der Zeit. Sie hatten zwar viel Death Metal gemacht, aber auch SAVATAGE und CRIMSON GLORY. Jim Morris hat uns produziert, aber es steckte auch sehr viel Energie darin, die Demos so ‘albumfertig’ wie möglich zu machen. Die Songs, die schon auf den Demos waren, sind wir beim Mischen noch mal neu angegangen, aber sonst gab es keine größeren Änderungen.

Wie sah das Budget aus? Die Produktion von “Eternity” klingt heute noch erstaunlich gut.

Wir haben sehr viel Geld investiert, viel aus meiner eigenen Tasche. Wir haben insgesamt mehr als unser Budget sogar überzogen. Das geht aber vielen Bands so, weil die Budgets für Newcomer üblicherweise recht niedrig sind. Zum Glück konnte ich einen Teil davon selbst finanzieren.

So verhält es sich auch mit den schicken mittelalterlichen Kostümen, die ihr auf dem Backcover tragt, nehme ich an.

Yeah, ich hatte eine lokale Kostümdesignerin gefunden, die viel für Renaissance-Veranstaltungen arbeitete. Sie fertigte zwei oder drei der Kostüme an, inklusive meinem, das ich übrigens immer noch besitze. Tatsächlich hängt es im Tampa Metal Museum, weil ich es nicht mehr benutze.

Das muss ich mir mal ansehen, wenn ich in die USA komme. Wie seid ihr damals in Kontakt mit Noise Records gekommen?

Ein Freund von mir war damals der Management-Assistent von CRIMSON GLORY. Ich beauftrage ihn damit, das Demo zu verbreiten. Vorwiegend an europäische Labels und ein, zwei in den Staaten. Er sollte sich auf Noise konzentrieren, weil ich Bands wie HELLOWEEN und STRATOVARIUS zu der Zeit liebte. Es schien das perfekte Label für uns.

Wir schickten also die Demos raus und bekamen etwa einen Monat später eine Antwort von Noise, dass sie uns unter Vertrag nehmen wollen. Später hörte ich dann, dass jemand das Demo im Büro abspielte, während der leitende A&R vorbeilief und fragte: “Wer ist das?” – “Das sind KAMELOT aus Tampa.” Und er sagte: “Lasst sie uns signen!” Wer weiß, was passiert wäre, wenn der Typ zu der Zeit nicht vorbeigelaufen wäre!

Da ihr euch bei der Labelsuche so auf Europa konzentriert habt – war dort damals der bessere Markt?

Es waren die frühen bis mittleren Neunziger. Unsere Art von Metal war in den Staaten nicht sehr populär. In Europa lief es für diese Art von Musik schon immer gut. Ich hatte in Europa schon einige Festivals besucht und hatte das Gefühl, dort wird Power Metal und Symphonic Metal ernster genommen. Also legte ich meinen Fokus auf Europa.

In einer alten Enzyklopädie vom Rock Hard hatte Johannes mal gelesen, dass Glenn Barry in die Band kam, als er sich spontan den Bass umschnallte, weil sich Sean Tibbets bei einem Gig verletzt hatte, oder so ähnlich. Stimmt das eigentlich oder ist das eine urbane Legende?

Nein, das ist später passiert, nachdem wir den Plattenvertrag bekamen. Sean hat auf den Demos gespielt, aber er wurde ungeduldig und hat uns verlassen. Also kam Glenn in die Band. Wir sind aber Freunde geblieben und als Glenn mal bei einem Gig in Florida tatsächlich nicht spielen konnte, hatte ich Sean angerufen, weil er das Material ja kannte. Das passierte sogar mal bei einer vollen Tour für ein Album … ich glaube, es war “Karma”.

Schön, dass wir das klären konnten. Könntest du dir eigentlich vorstellen, ein oder zwei der ganz alten Songs wieder in die Setlist zu packen, nun, da die Alben wiederveröffentlicht werden? Falls ja – welche würdest du aussuchen?

Das ist eine gute Frage. Es gibt eine Reihe starker Songs auf den Alben, die auch zu unserem aktuellen Stil passen würden. Ich müsste das mit der Band und vor allem unserem Sänger Tommy Karevik besprechen. Es kommt darauf an, mit was er sich wohlfühlt. Aber ich habe auch schon daran gedacht, beispielsweise “Call Of The Sea” oder “Sin” zu spielen … aber das ist noch nicht zu Ende gedacht. Interessant wäre es auf alle Fälle. Es hängt auch ein wenig davon ab, wie viele Leute das interessieren würde. Unser Publikum hat sich entwickelt. Viele kennen die alten Stücke gar nicht. Welche würdest du denn nehmen?

Puh, mein Favorit ist die “Siége Perilous” und ich mag “Where I Reign” sehr. Vom Debüt vielleicht “Black Tower”? [An dieser Stelle muss ich mich nachträglich noch einmischen: Ich würde neben den genannten sowohl den Song “Eternity” als auch “The Gleeman” und “King’s Eyes” für passend erachten! – Anm. JW]

Wie waren denn die Reaktionen von Presse und Fans auf “Eternity” damals?

Ehrlich gesagt hat es mich damals völlig umgehauen. Wir haben natürlich hart gearbeitet und waren überzeugt von dem Material, aber dann wurden wir “Bestes Metal-Debüt seit Jahren” im Rock Hard genannt. Wir gewannen Soundchecks und bekamen viel Presse. Wir hatten auch einige Tour-Angebote, was in gewisser Weise zu Problemen in der Band führte, aber die grundsätzliche Resonanz war einfach großartig.

Also seit ihr mit dem Debüt auch auf Tour gegangen?

Nein, aber uns wurde ein Paket mit VIRGIN STEELE angeboten. Einige in der Band sagten dann “Ich kann nicht für zwei Wochen weg sein”, und ich antwortete: “Zwei Wochen sind gar nichts!” Daraus konnte ich schon erkennen, dass das noch ein schwieriges Thema werden würde. Wir haben dann einvernehmlich erkannt, dass das langfristig zu nichts führen wird, weil mein Ziel von Anfang an war, KAMELOT fulltime zu betreiben.

Was hattet ihr euch für euer zweites Album “Dominion” vorgenommen?

“Dominion” war sinfonischer, würde ich sagen. Außerdem war es moderner und bewegte sich vom traditionellen Power Metal auf “Eternity” weg. Das waren unsere Ziele und wir haben sie erreicht. Es sind einige wirklich coole Songs auf dem Album. Man kann Wachstum und Entwicklung im Songwriting hören.

Die Produktion ist relativ ähnlich wie beim Debüt. Ich hatte gehofft, dass wir mit diesem Album auf Tour gehen könnten. Aber die eben angesprochenen Probleme tauchten wieder auf und das führte zur Trennung dieser Besetzung.

Das ist nachvollziehbar, wenn derartig unterschiedliche Interessen bestehen.

Ja, an dieser Stelle vielleicht ein kleiner Ratschlag für alle, die ähnliche Ziele haben: Man muss sich der Sache völlig hingeben. Wenn du es nur zum Spaß nebenbei machen willst, ist das in Ordnung, aber verschwende damit nicht die Zeit derer, die Energie darin investieren, es in Vollzeit machen zu wollen. Pack’ dein Herz und deine Seele da rein und schaue nicht zurück!

Ein sinnvoller Ratschlag. Du hast außerdem indirekt unsere nächste Frage beantwortet: Wir waren auch der Meinung, dass “Dominion” sinfonischer, progressiver und rauer ist. Das war also auch bewusste Absicht.

Absolut. Anfangs war ich einfach noch sehr von MAIDEN und PRIEST beeinflusst, dann kamen QUEENSRYCHE und New-Age-Musik dazu. Ich wollte all diese Einflüsse nutzen, um KAMELOT einzigartiger zu machen. Wir wollten uns von anderen Power-Metal-Bands abheben. Es war mir sehr wichtig, dass wir einen eigenen Sound haben.

Welches der beiden Alben magst du persönlich lieber?

Das ist sehr schwer zu sagen, weil “Eternity” natürlich der Anfang von allem war. Es bringt Erinnerungen an die Zeit im Studio zurück. Ich persönlich finde beide gleich gut. Auf “Eternity” gibt es beispielsweise in “The Gleeman” Stellen, die du nicht auf “Dominion” finden würdest. “Dominion” ist aber moderner. Für mich sind sie gleichwertig.

Wenn wir jetzt noch über “Siége Perilous” sprechen: Würdest du zustimmen, dass es eine Art Übergangsalbum ist, weil es größtenteils noch im alten Stil, aber mit neuem Sänger gehalten ist?

Ja. Ich hatte die sinfonischen Elemente weiter ausgebaut und das leitete in den Sound von Alben wie “The Fourth Legacy” und “Karma” über. Es ist die perfekte Brücke vom Sound unserer Anfangstage zu dem, was wir jetzt machen.

Hat sich die Entwicklung nach “Siége Perilous” dann organisch ergeben oder war das erneut eine bewusste Entscheidung?

Das war eine bewusste Entscheidung, mit mehr Keyboards und mehr Double Bass zu arbeiten. Außerdem haben wir bewusst ‘europäischer’ produziert. [KAMELOT wechselten ab da zu den Gate-Studios in Wolfsburg und arbeiteten mit Sascha Paeth zusammen – Anm. d. Red.] Die US-amerikanischen Produktionen zu der Zeit waren meist sehr rau und “in your face”. Ich bin aber mit ACCEPT und HELLOWEEN aufgewachsen und die hatten kristallklare und verdichtete Produktionen. Ich wollte die Produktion auf ein neues Level heben.

Man erzählte unserer Generation immer gern, dass in den Neunzigern vor allem Grunge, Extreme Metal und Industrial das Feld regierten. Hat das für euch und eure Musik jemals Schwierigkeiten bedeutet?

Damals habe ich ehrlich gesagt überhaupt nicht darüber nachgedacht. Ich denke diese Bewegungen waren eher für die L.A.-Glam-Metal-Szene ein Problem. Deswegen konzentrierte ich mich auch auf Europa, weil ich dachte, dass Grunge und Co. dort nicht so viel Einfluss hatten. Aber ich habe nie viel darüber nachgedacht, weil ich generell versuche, nicht über Dinge nachzudenken, die meinen Zielen im Weg sind.

Es ist wie mit der Veränderung von CDs zu MP3s zum Streaming und jetzt wieder CDs und Vinyl, zumindest bei unseren Fans. Ich versuche mir um solche Veränderungen keine Sorgen zu machen. Das betrifft auch alle anderen Musikrichtungen die irgendwann mal einen Trend hatten. Wir haben eine Fanbase mit unserem Nischen-Sound. Ich mache das seit 30 Jahren uns sehe Fans der ersten Stunde ebenso wie zwölfjährige Kids, die neu dabei sind.

Ich bin ein großer CD-Fan und kaufe immer noch welche.

Awesome. Es macht mich stutzig, wenn Künstler:innen sagen, dass die Leute keine CDs mehr kaufen. Ich frage mich, was sie meinen? Natürlich sind die Zahlen eingebrochen, aber die Menschen kaufen eindeutig noch CDs.

Ihr habt auch schon schicke Earbooks gemacht. Solange die noch produziert werden, werde ich sie auch immer kaufen. Ich mag dieses Format sehr.

Wunderbar! Ich stecke auch sehr viel Zeit und Energie in unsere Designs und die Verpackungen. Das war vom Anfang an meine Philosophie. Schon in die Demos haben wir die gleiche Energie investiert.

Also hast du dich auch selbst um die Aufmachung und Zusammenstellung der “Ascension”-Box gekümmert?

Ja, ich habe sehr eng mit BMG gearbeitet. Ich muss sagen, sie haben klasse Arbeit geleistet. Sie haben die Ideen schnell umgesetzt die Testpressungen pünktlich aus Europa geliefert. Ich habe vorher noch nicht mit ihnen gearbeitet, weil sie ja den Noise-Katalog aufgekauft haben, aber ich bin froh, mit ihnen zusammengearbeitet zu haben.

Habt ihr jemals darüber nachgedacht, einige der älteren Sachen neu aufzunehmen?

Nein, denn das kostet viel Zeit und das meiste Zeug ist so einzigartig, dass ich denke, dass es keinen Sinn hätte, es mit einem anderen Sänger und so weiter neu aufzunehmen. Lasst diese Musik einfach in ihrer eigenen kleinen Welt existieren und genießt es!

Das ist doch ein schönes Schlusswort!

Danke für das Interview! Hoffentlich treffen wir uns auf Tour noch persönlich!

Quelle: Thomas Youngblood
23.09.2025
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