Kamelot
"Jeder trägt einen Schatten in sich."

Interview

Am 06.04.2018 ist es so weit und KAMELOT bringen mit „The Shadow Theory“ ihr mittlerweile zwölftes Studioalbum auf den Markt. Sie werden außerdem bei der nun anstehen Welttournee Material für eine Live-DVD aufnehmen. Bereits Ende Januar, noch während die Fertigstellung des neuen Albums auf Hochtouren lief, haben sich Bandchef Thomas Youngblood und Sänger Tommy Karevik die Zeit genommen, uns ein paar Einblicke in den Schaffensprozess und das Konzept hinter der Platte zu geben.

Hi Jungs. Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt. Jetzt, wo der Release des neuen KAMELOT-Albums näher rückt, wie geht es euch? Seid ihr erleichtert, aufgeregt, ausgepowert…?

Tommy K.: Ja, alles das!

Thomas Y.: Vor allem, weil wir das Master buchstäblich heute erst bekommen haben. Der finale Mix, der gestern gemacht wurde. Wir haben die Deadlines also bis aufs Letzte ausgeschöpft. Jetzt, da es fertig ist, ist das natürlich aufregend. Wir sind sehr zufrieden mit dem Songwriting und der Umsetzung. Der Mix ist etwas, über das man sich immer total viele Gedanken macht. Man kann das tollste Album haben, aber wenn der Mix dem nicht gerecht wird, wird es komplett anders wahrgenommen. Aber der Mix ist toll, das Master wird sicher auch toll sein, und wir haben uns beim Artwork wieder richtig Mühe gegeben. Wenn es raus ist, können wir vielleicht ein wenig Schlaf nachholen.

Tommy K.: Ja… Wie Thomas schon gesagt hat, ist das hier quasi die letzte Minute der Albumproduktion. Wir haben das Master ja noch garnicht gehört. Es war bisher wirklich, wirklich stressig. Aber gleichzeitig fühlt man sich erleichtert, dass jetzt alles zusammengekommen ist. Im Produktionsprozess fragt man sich manchmal, wie daraus am Ende etwas werden soll, weil alles einfach irgendwie rumschwimmt. Kreative Ideen und so. Es fühlt sich alles etwas vage an. Aber jetzt, wenn wir uns das Gesamtwerk anhören und das Artwork ansehen, wissen wir, dass wir unser Bestes gegeben haben. Und das beruhigt.

Gibt es auf diesem KAMELOT-Album etwas Neues, das es besonders macht? Seid ihr vielleicht in irgendeiner Form anders vorgegangen?

Thomas Y.: Wir haben einen Schritt weiter in Richtung eines moderneren Sounds gemacht. Bei manchen Songs, nicht bei allen. Bei „Haven“ haben wir das schon ein wenig gemacht, zum Beispiel bei „Insomnia“. Einige dieser Elemente haben wir auch auf „The Shadow Theory“ adaptiert. Wir wollten den Mix ein wenig heavier machen. Ich weiß nicht, ob „mehr Metal“ der richtige Ausdruck ist… einfach ein Sound, der ein wenig mehr „auf die Fresse“ ist. Das Songwriting war ähnlich wie bei „Haven“. Ich bin anfangs ein paar Mal nach Deutschland gereist, um Songs mit unserem Keyboarder (Oliver Palotai, Anm. d. Red.) zu schreiben. Tommy ist nach Wolfsburg gefahren, um mit unserem Produzenten Sascha (Sascha Paeth, Anm. d. Red.) zu arbeiten.

Es gibt ja auch wieder ein lyrisches Konzept. Die Eindrücke, die ich gewonnen habe, hatten viel mit Verlust, dem Ende von Dingen, Desillusionierung und dem Verschwimmen von Identität zu tun. Könnt ihr uns ein wenig mehr Hintergrund dazu geben?

Thomas Y.: Das klingt ja fröhlich (alle lachen)

Liege ich damit denn falsch?

Tommy K.: Ich würde sagen, du bist auf einer Ebene mit dem, was wir sagen wollen. Auf „Haven“ haben wir schon angefangen, mit diesem futuristischen, dystopischen Thema zu experimentieren. Wir haben gemerkt, dass wir mit „Haven“ noch nicht durch waren, dass wir das noch ausbauen wollten. Thomas hatte diese Idee, dass wir den Archetyp „Schatten“ aus Carl Jungs Psychologie nutzen könnten. Jeder trägt einen Schatten in sich, und wenn du dir das nicht eingestehst, wird er immer größer und dunkler. Das war ein interessanter Ausgangspunkt als lose Basis für das Konzept. Das ist kein Konzept wie bei „Silverthorn“, das einer bestimmten Storyline gefolgt ist. Eben mehr ein loses Konzept, oder auch ein konzeptionelles Thema, das die drei Elemente beschreibt, die wir behandeln.

Thomas Y.: Ja, „The Shadow Theory“ basiert auf drei Ebenen. Das „Shadow Empire“, das für eine Gruppe von Oligarchen steht, die im Grunde die ganze Welt kontrollieren. Sie haben das ganze Geld und die ganze Macht. Dann gibt es den „Shadow Key“, der den Widerstand symbolisiert. Uns normale Leute hier unten, die gegen Korruption und Systeme, die Leute in ihrer Freiheit behindern, kämpfen. Oder gegen Konzerne, die dafür sorgen, dass man immer jemandem etwas schuldig ist, zum Beispiel Banken und so weiter. Dann gibt es die „Shadow Wall“, das Blendwerk, das sie benutzen, um einen Keil zwischen uns zu treiben. Sei es Religion, Politik oder Ablenkungsmanöver wie Kriege.

Albumcover des „The Shadow Theory“-Albums von Kamelot

Neben der psychologischen Ebene geht es also auch um die Gesellschaft. Es klingt auch nach sozialen Medien, wie die „beautifying filters“ in einem der Songs. Gibt es bestimmte reale Einflüsse oder Ereignisse, die ihr verarbeitet habt?

Thomas Y.: Ja. Wie sich das künftig entwickelt, wird sich zeigen, aber heute sieht man ja schon die Obsession mit Selfies, Instagram, dieser ganzen falschen Realität.

Tommy K.: Genau. Alles ist miteinander verbunden. In der Geschichte, die wir erzählen, gibt es ein globales Bewusstsein, genannt „The Chain“, die alles und jeden verbindet. In den falschen Händen kann dieses Werkzeug – sei es das Internet, das Fernsehen, die Nachrichten – sehr gefährlich werden. Wenn niemand es infrage stellt, wird es immer weiter wachsen. Und die paar Leute ganz oben werden noch mehr Geld und Macht innehaben. Mich haben die Rothschild- und Rockefeller-Familien interessiert. Es gibt ein paar Verschwörungstheoretiker, zu denen ich nicht gehöre, aber ich finde es trotzdem interessant. Zum Beispiel Theorien über das Infiltrieren von Zentralbanken, um so Kontrolle über die Wirtschaft und das Land zu bekommen.

Sowas fließt auch in das Element des „Shadow Key“ ein, den Thomas erwähnt hat. Das wachsende Bewusstsein bei den Leuten, dass diese Dinge vor sich gehen. Ein bisschen wie eine Fortführung der Revolution, um die es auf „Haven“ ging. Das ist auch die Nachricht, die wir auf der persönlichen Ebene senden möchten. Der „Shadow Key“ ist das, womit du deine eigene Dunkelheit öffnest und mehr über dich selbst und deine dunkle Seite lernst und als Mensch wächst. Das kannst du selbst tun, denn niemand anders kann es für dich tun. Du musst daran arbeiten, dich selbst zu ändern.

Also mehr Bewusstsein für sich selbst und die Außenwelt entwickeln?

Tommy K.: Ja. Nur so kannst du wissen, wer du wirklich bist und was du willst. Das ist auch der Grund, wieso wir das auf das Cover gepackt haben. Hier siehst du ein Schlüsselloch. Im Boxset gibt es den „Shadow Key“ auch als physischen Schlüssel.

Wenn wir gerade schon lose bei der Wirtschaft sind, hätte ich eine Frage zum Musikbusiness. Was mir im Moment häufiger auffällt – auch bei diesem KAMELOT-Album – ist, dass alles häppchenweise präsentiert wird. Erst das Cover, dann irgendwann die Tracklist, und so weiter. Ist es für Bands schon zu einem Muss geworden, kontinuierlich so präsent zu sein, um die Aufmerksamkeitsspanne der Fans zu bedienen? Wie nehmt ihr das als Band, die schon lange im Geschäft ist, wahr?

Thomas Y.: In gewisser Weise ist das wahrscheinlich schon länger so, auch bevor es das Internet gab. Da gab es in Magazinen dann die Ankündigung wie „hey, die SCORPIONS bringen im Sommer ein Album raus,“ und ein paar Monate später „das SCORPIONS-Album wird so und so heißen“ und „hier ist das Cover“. Das ist glaube ich eine natürliche Progression bei der Promo für fast alles, seien es Filme, Bücher oder ein Album. Das Stichwort „Aufmerksamkeitsspanne“ ist wichtig. Man könnte diese ganzen Infos jetzt auf einmal veröffentlichen, aber wenn das Album dann im April rauskommt, denkt man sich „oh, davon hab ich vor zwei Monaten mal was gehört“. Man muss immer daran denken, sowas aufzubauen, um die Leute kontinuierlich daran zu erinnern.

Das ist für dich also keine neue Entwicklung, die mit dem Internet zu tun hat, sondern das war schon immer so.

Thomas Y.: Es war schon immer so, aber das Internet macht es einfach, diese Spannung aufzubauen.

Tommy K.: Der Mechanismus ist der gleiche. Ein bisschen Geheimnistuerei steigert das Interesse.

Themawechsel. Ihr werdet auch eine KAMELOT-DVD rausbringen und auf den kommenden Touren Material dafür drehen. Könnt ihr uns schon was darüber verraten?

Thomas Y.: Ja, eine der größten Europashows wird wahrscheinlich die am 14. September in Tilburg sein. Das coole an dem Venue (013 Poppodium, Anm. d. Red.) ist, dass wir Pyros benutzen können. Wir werden auch Special Guests haben. Es wird eine tolle Show, aber wir wollen sie auch nicht komplett anders als den Rest der Tour aufziehen. Die Fans sollen ja eine normale KAMELOT-Show sehen. Jetzt haben wir endlich das passende Budget. Wir wollen die Messlatte hier wirklich hoch setzen.

Was sind die besonderen Herausforderungen für eine internationale Band wie KAMELOT? Ihr kommt ja aktuell aus drei verschiedenen Ländern; den USA, Schweden und Deutschland, und reist deshalb auch hin und her. Wie funktioniert da euer Schaffensprozess?

Thomas Y.: Es ist natürlich etwas schwieriger als bei Bands, die aus der gleichen Ecke kommen. Es ist auf jeden Fall teuer, so wie wir es machen. Ich meine, wir müssen es ja nicht so machen, wir könnten auch einfach alles über Skype regeln. Es ist so aber effektiver, vor allem zeitlich, weil man so mehr erledigt kriegt. Die Logistik ist deshalb im Grunde schon seit dem Jahr 2000 ein Thema. Die verschiedenen Nationalitäten in der Band zu haben, ist aber eine coole Sache.

Was mich dabei ja auch interessiert ist: Arbeiten deutsche Musiker anders als amerikanische? Oder schwedische? Gibt es bei KAMELOT Unterschiede, die ihr benennen könnt? Was bringt ein jeder mit?

Thomas Y.: Ich kann da nur für Olli sprechen, die Deutschen betreffend. Er ist total diszipliniert. Er geht um 10:00 Uhr ins Studio und arbeitet bis 16:00 Uhr, wie bei einem Job. Für mich ist es eher so, dass mich die Inspiration irgendwann trifft, manchmal mitten in der Nacht. Dann stehe ich auf, summe eine Melodie, oder mir kommt eine Idee wie der „Shadow Key“, um 3:00 Uhr morgens.

Tommy K.: Ich denke, das ist vielleicht garkein deutsches Ding, sondern eher ein Persönlichkeitsding. Ich bin da auch ganz schlimm. Ich denke quasi permanent darüber nach und kann nicht aufhören, zu arbeiten. Deshalb habe ich darüber nachgedacht, es wie Oliver zu machen. Einfach zu versuchen, mich auf bestimmte Zeiten einzuspielen. Meine Kreativität ist aber ganz anders als die von Oliver, denn er arbeitet wie eine deutsche Maschine.

Er hat einen An/Aus-Knopf?

Tommy K.: Ja, er hat einen An/Aus-Knopf. Dann geht er nach Hause und ist Familienvater. Für mich war es aber schon immer so ein Nonstop-Ding. Etwas unorganisiert. Sascha ist genauso wie wir und richtet sich nach der Inspiration. Das ist vielleicht nicht so effizient wie bei Oliver, aber es ist einfach ein anderer Arbeitsansatz. Ich glaube, das ist so der größte Unterschied.

Thomas Y.: Ich denke, Menschen sind halt nicht gleich. In jedem Land hat man ja auch verschiedene Stile. Es gibt natürlich Stereotype für bestimmte Länder, aber allgemein gibt es überall coole Leute oder Arschlöcher. Ich versuche gerade, Stereotype zu finden, die immer passen.

Tommy K.: Das Einzige, das mir einfällt, ist, dass Olivers Familie ursprünglich aus Ungarn stammt. Deshalb hat er diesen ethnischen Teil in sich, der beim Schreiben rauskommt. Und in meinem Fall – es kommt natürlich darauf an, was man hört, während man aufwächst – aber ich mag diese langen Melodien, die eine Geschichte erzählen. Das höre ich in amerikanischer Musik nicht so, sondern eher in skandinavischer Musik. Thomas hat auch einen etwas anderen musikalischen Hintergrund. Für dieses Album wollte er eine etwas härtere Herangehensweise, die vielleicht auch etwas damit zu tun hat, dass er Amerikaner ist. Ich weiß nicht, könnte sein. Das muss uns Thomas verraten.

Thomas Y.: Ich weiß nicht, es ist eher ein modernerer Mix.

Aus Nordamerika kommt viel Modern Metal, also gibt es da vielleicht wirklich einen Zusammenhang.

Thomas Y.: Ja, einige dieser Produktionen gefallen mir sehr gut.

In diesem Moment bekommen wir leider den Hinweis, dass unsere Zeit fast abgelaufen ist. KAMELOT müssen direkt im Anschluss weiter zu einem Promotag in Paris.

Gut, dann würde ich mal sagen, wir kommen zum Ende. Gibt es von eurer Seite noch etwas hinzuzufügen? Habe ich was Wichtiges vergessen?

Tommy K.: Ich glaube, wir haben eigentlich alles abgedeckt. Wir sind sehr froh darüber, hier zu sein.

Thomas Y.: Ich hätte was. Bei einem der Songs ist mein Sohn dabei. „Burns To Embrace“ hat einen Teil mit Kindern, und am Ende hat mein Sohn Thomas einen Part. Den habe ich in meinem Homestudio aufgenommen. Diesen persönlichen Aspekt in diesem Song zu haben, macht ihn besonders.

Tommy K.: Es war cool, das in diesem Song zu haben, denn darin geht es um das Erbe, das wir der nächsten Generation hinterlassen. Die Kinder singen „we are the last to walk the earth“ und fragen damit „was habt ihr getan?“ Das ist wirklich traurig, aber es kommt mit der Stimme von Thomas (Jr.) sehr cool rüber.

Euch beiden vielen Dank für das Interview!

Quelle: Kamelot
30.03.2018

headbanging herbivore with a camera

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