Milù
miLù

Interview

Milar Mar machen derzeit offiziell Pause, die Tour von Schiller und Gästen ist vorbei – auf Anke Hachfeld, bekannt als Sängerin von Milar Mar sowie durch die Zusammenarbeit als miLù auf Schiller-Konzerten und -CDs, muss man dennoch nicht verzichten. Pünktlich zum Nikolaus bringt sie unter dem Namen ihres neuen Ein-Personen-Projektes miLù die Single „Aus Gold“ heraus. Unterstützung erhält sie bei diesem Lied von Kim Sanders und Wolfsheim-Stimme Peter Heppner. „Aus Gold“ beschäftigt sich mit der Grausamkeit des Krieges. Die drei Sänger schlüpfen dabei jeder in eine andere Rolle. Ein Teil der Verkaufserlöse der Single geht an Armenhäuser des Deutschen Rotes Kreuzes in Afghanistan. Bis zum ersten miLù-Album „No Future in Gold“ müssen wir jedoch noch bis zum 1. April 2005 warten. Was genau und welche Gedanken hinter der Single, dem Album und dem Projekt stehen, über den Tod, Melancholie und was aus Milar Mar wird, erzählt die Berlinerin im Interview.

MilùBesonders diese textliche Dreiteilung bei „Aus Gold“ hat eine spezielle Wirkung. War der Song von Anfang an darauf ausgelegt, von drei Musikern gemeinsam interpretiert zu werden?

Der Gedanke war anfangs nicht da. Ich habe den Song zusammen mit meinem Produzenten Dirk Riegner geschrieben und diese ursprüngliche Version ist unter dem Namen „Für mich bist du aus Gold“ auch auf der Single drauf. Dieses Lied ist nur von mir gesungen und ist auch textlich noch ein bisschen anders als „Aus Gold“.

Inwiefern?

Es geht um etwas ganz anderes. Ein völlig anderer Hintergrund ist es jetzt aber auch nicht. Ich finde es immer ein bisschen problematisch, so etwas zu benennen. Ich möchte eigentlich am liebsten, dass die Leute selbst drauf kommen. Es geht jedenfalls wie bei „Aus Gold“ auch um den Verlust eines Kindes, aber in einem anderen Sinne.

Und wie kam es schließlich zu der Zusammenarbeit mit Peter Heppner und Kim Sanders?

Die Idee war im Ursprung gar nicht meine. Bei einem ganz anderen Song hatte mein Produzent einmal gefragt, ob ich mir vorstellen könne, diesen mit Peter zu machen. „Alle fragen Peter. Ne, das mach ich nicht“ war in etwa meine Reaktion auf den Vorschlag. Irgendwann habe ich das Peter mal erzählt. Wir kannten uns zwar bereits vor der Schiller-Tour ein bisschen, aber erst auf der Tour haben Kim, Peter und ich uns richtig angefreundet. Das ist ausgesprochen nett mit uns, von Konkurrenz keine Rede. Irgendwann war Peter in Berlin und hat mich dann dort besucht. Ich habe ihm mehrere Songs vorgespielt, unter anderem auch „Für mich bist Du aus Gold“. Die Reaktion darauf und auf das Album überhaupt war ziemlich positiv, er war sehr begeistert. So entstand die Idee, eben dieses Lied zusammen zu machen… und dann kam die Idee, den Song zu dritt zu machen. Ich habe mich hingesetzt und den Text für diese unterschiedlichen Rollen daraufhin geöffnet: Die Rolle von mir – die Mutter, die ihr Kind verloren hat. Kims Rolle – die sich das ganze von einen weiter entfernten Position anschaut, so wie wir auch, die vorm Fernseher sitzen und Bilder aus Kriegsgebieten sehen. Und Peter, der die Rolle des Soldaten übernommen hat, der im Krieg töten musste.

Was war der Auslöser oder die Motivation, den Text in diese Richtung zu erweitern?

Ich habe mich bei mir in Berlin in den Wintergarten gesetzt, mir den Song angehört und überlegt, inwiefern ich ihn öffnen und aus meiner eigenen Erfahrung heraus treten kann, die ich in „Für mich bist Du aus Gold“ beschreibe. Ich habe mir dann diese unterschiedlichen Rollen vorgestellt – das kam einfach so. Diese Zeile von Kim „Der Blick durch Kinder Augen – Vor Armut alt“ beschreibt Bilder, die wir alle kennen. Die Idee mit Peters Textteil war von meiner Seite eher so, dass sich die Beschreibung zwar schon auf eine Kriegsszenerie bezog, aber er war es, der von sich aus einen Schritt weiter gegangen ist, so dass sein Part der aus der Sicht eines Soldaten ist, der getötet hat. So schließt sich im Prinzip der Kreis in diesem Song. Und zwar in dem Sinne, dass man sich vorstellen könnte, der Soldat habe den Sohn der Mutter aus meinem Part getötet.

Ein Teil der Verkaufserlöse von „Aus Gold“ wird Armenhäusern des Deutschen Roten Kreuzes in Afghanistan zu Gute kommen. Wie ist diese Kooperation entstanden?

Das war eine Idee von Drakkar. Ich finde, das ist eine tolle Sache und hoffe, dass daraus mehr erwächst, dass wir auch die Möglichkeit haben, vor Ort zu gucken. Das ist auch geplant. Es ist toll, wenn sich die Möglichkeit bietet, mehr zu machen, als „nur“ zu unterhalten und wenn ein Text, der nachdenklich macht, konkret zu etwas führt.

Du selbst hast auch persönliche Erfahrungen mit dem Leid von Kindern gemacht, hast mit Kindern – mit Kriegskindern? – gearbeitet. Inwiefern und in welcher Position?

Ich habe ein Psychologie-, Soziologie- und Pädagogik-Studium abgeschlossen. Durch die Musik hatte sich das alles ein bisschen hingezogen, so dass ich erst 2002/2003 fertig war. Ich hab die letzten Jahre, jetzt nicht mehr, immer in verschiedenen Einrichtungen gearbeitet, habe unter anderem mit sterbenden Kindern und auch mit alten Menschen gearbeitet. Von daher ist es für mich ein großes Thema – Sterben sowieso. Ich finde, das sollte auch für jeden Menschen ein großes Thema sein; auch wenn man das nicht so gerne zulassen möchte. Ich habe mich auf jeden Fall in den letzten Jahren sehr, sehr viel mit dem Sterben und mit dem Tod auseinander gesetzt und habe auch meine Diplomarbeit darüber verfasst. Nicht über das Sterben von Kindern, sondern über Nah-Tod-Erfahrungen. Von daher bin ich schon sehr in diesem Thema.

Wie stark haben Dich denn diese Arbeit und das Studium bei Deiner Musik und den Texten beeinflusst?

Stark. Ich bin das ja alles in einer Person. Die Ideen, die ich mir nehme, kommen aus meinem Leben, aus dem, was ich erfahren habe und sind für mich auch immer eine Verarbeitung. In dem Zusammenhang klingt das immer ein wenig schäbig, aber für mich ist Musik so gesehen auch etwas Therapeutisches. Manchmal denke ich, was wäre, wenn ich diesen Kanal nicht hätte. Vielleicht wäre ich völlig wahnsinnig, weil ich gar nicht wüsste, wohin mit allem. Auf der Bühne darfst Du ja wahnsinnig sein, das fällt nicht weiter auf (lacht).

In wie weit kann man von „Aus Gold“ auf die textliche Seite des Albums „No Future in Gold“ schließen?

Es ist zum ersten Mal in meiner musikalischen Laufbahn so, dass ich auf einem Album komplett auf Deutsch texte. Ich habe bei Milar Mar lange Zeit in einer recht skurillen Phantasiesprache gesungen – das war toll und ist auch nach wie vor schön, weil es etwas ganz Eigenes ist. Für mich ist das jetzt mit den deutschen Texten sehr spannend… ganz konkret in meiner Muttersprache zu benennen, was mich gerade beschäftigt. Es ist alles etwas melancholischer. Ich habe nicht das Bedürfnis, meine Freude über die Musik kund zu tun. Für mich ist Melancholie in der Musik ganz, ganz wichtig und auch in dem, was ich an anderer Musik höre, findet sich das immer wieder.

Du hast Mila Mar bereits erwähnt. Im Moment macht Ihr gerade Pause. Steht schon fest, ob überhaupt und wenn ja, wie es weiter geht?

Ich kann nicht sagen, ob es für mich einen Weg zurück gibt. Das ist im Moment auch überhaupt nicht in meinem Kopf, in meinem Herz. Ich habe so viele Ideen, was ich an Musik noch alles machen möchte. Ich bin da auch schon immer so gewesen und lasse mich nicht auf irgendeine Sache festlegen, was natürlich im Pop-Business fatal ist. Ich mache das, was mir wichtig ist. Ich hätte schon nochmal Lust, in diese Milar Mar-Richtung zu gehen, würde es aber anders machen. Und dass dies dann Milar Mar heißt, glaube ich eher nicht.

Hinter dem Projekt miLu verbirgst Du Dich als Einzelperson. Weshalb dann der Name miLù und nicht vielleicht Dein normaler Name?

Ich finde meinen Namen Anke Hachfeld gerade im Zusammenhang mit deutschen Texten so ein bisschen schlagermäßig… Im Zusammenhang mit Milar Mar hatte ich nie darüber nachgedacht, aber jetzt schon. Ich möchte auch eine Rolle haben. Es gibt mich, Anke, als privaten Menschen – und es gibt miLù. MiLù ist natürlich auch sehr privat in dem, was ich da preisgebe. Man kann mein ganzes Leben in diesem Album finden, das ist schon erschreckend. Aber dennoch ist es auch eine Rolle, hinter der ich mich vielleicht auch manchmal verstecken kann, was auch ab und zu ganz gut ist. MiLù klingt so schön weiblich, so schön rund. Und da ich das mag, ich eine Frau bin und das alles auch sehr weiblich ist, also die Sicht der Dinge, die da präsentiert wird, ist das stimmig.

Am 31.12. stehst Du in Berlin auf der Bühne und singst Bach. Was ist das genau für ein Konzert und in welchem Rahmen, mit welchen anderen Musikern findet dieses statt?

Das Konzert wurde leider abgesagt. Ich habe dieses Jahr auf den Bach-Festspielen in Leipzig gesungen. Ich habe das Projekt Mutation Bach zusammen Bedeutung gemacht. Wir haben uns verschiedene Bach-Stücke genommen und bearbeitet, haben das ganze schließlich mit einem Trio plus Gesang gespielt. Komplett akustisch. Ich habe dazu getextet und habe Gesangslinien entwickelt, die zumindest Bach nicht vorgesehen hatte und es sind sehr schöne Sachen daraus entstanden. Es war ein ganz feiner Auftritt, sehr spannend. Ich hoffe, dass da noch einmal etwas passiert.

06.12.2004

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