Necrotted
"Was viele vielleicht nicht wissen, wir sind große Darts-Fans!"

Interview

Die Abtsgmünder NECROTTED um das Brüdergespann Philipp/Fabian Fink an Gitarren- und Stimmposition arbeiten kontinuierlich seit 2008, spielen live und entwickeln sich mit jedem Album. Im Gegensatz zum Gros der Bands im Brutal Death/Slam Death Metal schleichen sich aber immer öfter Melodien ein und auch textlich setzt die Band eher auf eine klare Message denn auf Gewaltphantasien und Fantasy-Szenarien. Zur Veröffentlichung ihres neuen Albums „Operation: Mental Castration“ sprachen wir mit den zweien über Sitzkonzerte, Ideen für Videos aus Netflix-Produktionen und ihre Vorliebe für Darts.

Autogrammstunde mit Necrotted auf dem Summer Breeze Open Air 2018

metal.de: Hi, euer neues Album kommt bereits am nächsten Freitag raus, seid ihr schon gespannt?

Fabian: Gespannt oder aufgeregt mittlerweile vielleicht nicht mehr, aber wir freuen uns, wenn es endlich durch ist. Wir haben viel Zeit und Arbeit in dieses Album reingesteckt und sind momentan noch ein wenig in der Promophase, das ist, glaube ich, heute das dritte Interview, welches wir führen.

Philipp:  Wir machen einfach die Musik, auf die wir Bock haben und die Zeit war reif, also releasen wir es jetzt. Wir hoffen natürlich, dass es den Fans gefällt, aber große Spannung oder Erwartungen sind eigentlich nicht da.

metal.de: Heißt dass, es kommt noch eine neue Single raus? Zwei, nein halt, drei sind bereits draussen.

Philipp: Nein, es kommt nichts mehr, wir haben bereits mit den releasten Songs alles draussen, was wir vorbereitet hatten für dieses Album. Das Album ist eigentlich schon länger fertig und wir wollten das erst nach der Tour im letzten Jahr heraus bringen, aber als dann die Touren auf nächstes Jahr verschoben wurden, machte das keinen Sinn mehr, länger aufzuschieben und wir haben das so quasi vorgezogen.

metal.de: Ach genau. War die Tour mit CYTOTOXIN die einzige Tour, die ihr verschieben musstet oder war da noch mehr geplant oder in der Hinterhand?

Philipp: Das war die einzige größere Tour, die wir nun jetzt schon zum zweiten Mal verschieben mussten. Aber darüber hinaus war keine größere Tour geplant, nein. Natürlich sind auch die ganzen Festivalauftritte weggefallen. Die sind zwar dann meist verschoben worden und wir auch als Band glücklicherweise bei den meisten wieder mit bestätigt, aber wir wissen ja nicht, ob es überhaupt stattfinden wird dieses Jahr.

metal.de: Ja, ich glaube große Festivals wie Rock am Ring haben vor kurzem auch abgesagt, andere wie das Party.San, was zugegeben auch kleiner ist, sind optimistischer. Mal abwarten, ich drücke die Daumen. Wie ist es zu den Gastbeiträgen gekommen? Wart ihr vorher mit CYTOTOXIN und BENIGHTED schon dicke?

Fabian: Den Julien von BENIGHTED kennen wir schon ein Weilchen länger, denn mit denen waren wir schon öfter zusammen in der Vergangenheit auf Tour. Wir sind mittlerweile auch schon echt gut befreundet, würde ich sagen. Gerade Julien ist ein starker Typ mit dem wir echt gut können. Gerade auf Tour gab es da so manchen feucht-fröhlichen Abend. Wir sind natürlich auch Fans von den jeweiligen Bands und finden gerade Julien ist einer der stimmgewaltigsten und -umfangreichsten Sänger im ganzen Death-Metal-Genre. Auch mit CYOTOXIN sind wir vor zwei Jahren erst auf Tour gegangen, da war es für uns einfach nur naheliegend, für das neue Album Grimo deswegen anzufragen und er hat sofort zugesagt.

metal.de: Wird er auf der kommenden Tour auch live aushelfen?

Fabian: Witzig, dass du es erwähnst, denn letztes Jahr im August waren wir sogar mit BENIGHTED noch zusammen auf dem Death Coffee Party in Tschechien, als man noch spielen durfte. Das war auch kein Abstandskonzert, das war damals so in Tschechien zu der Zeit in der Rechtslage noch möglich. Das war eines von drei Konzerten, die wir im Jahr gespielt haben, mehr ging das Jahr nicht. Und eben genau da haben wir schon einen Song, nämlich den Titeltrack „My Mentral Castration“, zusammen mit Julien auf der Bühne gespielt, ohne dass irgendwer eine Idee hatte, was das war. Der Plan war da ursprünglich, erst mal auf Tour zu gehen und dann irgendwann das Album anzugehen, aufzunehmen und veröffentlichen. Aber daraus ist ja bekanntlich nix geworden.

Philipp: Ja, das hat echt Spaß gemacht. Ausser uns noch ein Haufen tschechischer oder slovenischer Grindbands und so, die natürlich echt alle auch Party gemacht haben.

metal.de: Jetzt habt ihr vor ein paar Tagen erst die letzte Single „Compulsory Consumption“ mit passend-ekligem Video veröffentlicht. Fabian tat mir am Anfang des Videos tatsächlich ein wenig Leid, denn du hast nichts auf deinem Teller während alle anderen schon reinhauen. Wie ist es zu der Idee gekommen? Ich mein man muss ja erst mal mit dem Konzept um die Ecke kommen und das auch planen.

Fabian: [lacht] Ja, das war schon so geplant. Was vielleicht nicht so bewusst ist: „Operation: Mental Castration“ ist schon ein Konzeptalbum. Es geht um einen namenlosen Protagonisten, der im Laufe der zehn Songs anfängt sich umzuschauen und seine äußeren Umstände und sich selbst zu hinterfragen. Letzten Endes muss er sich aber auch dem System beugen und worin das gipfelt mag man sich beim letzten Song vielleicht denken. Spoiler: Kein Happy End. Und da geht es eben auch um unseren Konsumismus und das „Höher, Schneller, Weiter“ der Wirtschaft, das immer neue Anreize finden muss, damit wir konsumieren.

Das haben wir jetzt halt durchs Essen dargestellt, das soll aber explizit nicht darauf beschränkt sein, es ist nur als Beispiel gewählt. Die Idee dazu kam uns eigentlich beim selber Konsumieren. Letztes Jahr ist auf Netflix „Der Schacht“ rausgekommen, der ja auch diese Wirkungsweise des Kapitalismus kritisiert und das hat uns direkt die Idee zum Video gegeben. Das ist da vom Konzept und dem optischen so mit eingeflossen. Der ein oder andere mag vielleicht sogar religiöse Parallelen erkennen, ich sag nur Abendmahl.

NECROTTED 2020: Experiment Sitzkonzert ist geglückt.

metal.de: Fabian, schreibst du die Texte komplett alleine oder ist der Rest der Band auch irgendwo beteiligt?

Fabian: Nein, ich schreibe die Texte alleine, erarbeite auch die Themen oder Konzepte, aber das gehen wir natürlich alle noch einmal an und sprechen das ab. Aber ich war bisher eigentlich immer fürs Texte schreiben zuständig.

metal.de: Ich mein, es ist bei euch als Band im Brutal oder Slam/Technical Death Metal, wenn ihr euch da auch einsortieren wollen würdet, ja auffällig, da dort ja meistens eher Gore- oder Fantasy-Lyrics stattfinden. Ihr habt sehr am Leben und auch am momenetanen Zeitgeist orientierte Lyrics. Ist euch das wichtig als Band eine Message zu haben, also macht ihr die Musik nicht nur als Unterhaltung sondern wollt die schon als Vehikel nutzen, um euren  Standpunkt rüber zu bringen?

Fabian: Ja schon, es ist uns definitiv wichtig über das, was uns beschäftigt und betrifft, zu schreiben und das sind eben Dinge, die momentan bei uns ganz alltäglich sind und die wir den Hörern dann auch mitgeben wollen. Es war eigentlich schon bei Gründung so, dass wir uns so auch selber ausdrücken wollen. Vielleicht nicht auf eine Art und Weise, die zu oberlehrerhaft oder predigend daher kommt, aber das ist uns schon wichtig. Aber wir haben auch kein Problem damit, wenn andere Bands das für sich anders sehen und irgendwie das in Fantasy-Lyrics verpacken oder auch selber nicht eine Aussage haben wollen. Wir wählen auch Bands nicht danach aus, ob wir die privat hören oder so. Aber wir haben für uns eben entschieden, dass das in unsere Musik definitiv mit einfließt. Wenn man da den ein oder anderen vielleicht zum Nachdenken bringen kann oder sogar positiv beeinflusst, ist schon viel gewonnen.

metal.de: Wie ist sonst das Songwriting so abgelaufen? Hat sich durch Corona grundsätzlich was verändert?

Philipp: Nein, es hat sich nichts grundlegend geändert. Die Songs waren fertig und lagen eigentlich so mehr oder weniger schon in der Schublade und wir haben da nicht noch irgendwie Hand dran angelegt oder so. Wir nehmen schon immer getrennt auf und bringen dann alles zusammen.

metal.de: Gab es bewusst etwas, was ihr anders gemacht habt? Ich muss zugeben, ich bin nicht mit eurem kompletten Œuvre vertraut, nur mit „World Wide Warfare„, der letzten EP und dem neuen Album und muss sagen, dass neueste ist vom Songwriting und der Abwechslung her am stärksten. Es gibt leichte Black-Metal-Einflüsse, teilweise gehen die Songs fast in Grind-Gefilde rein und so weiter. War das geplant oder hat sich das natürlich irgendwo ergeben?

Philipp: Zunächst einmal, freut mich, dass du das so siehst. Ich denke auch, dass unsere neue Platte am stärksten und abwechslungsreichsten bislang ist. Um auf die Frage zu antworten: Ne, geplant war das nicht wirklich. Wir machen einfach die Musik auf die wir Bock haben. Die melodischen und auch Black-Metal-Elemente sind nicht so ganz neu, die hatten wir ja schon auf der EP mit drin, aber man entwickelt sich natürlich auch an den Instrumenten und auch musikalisch irgendwo. Wir setzen uns in der Hinsicht keine Scheuklappen. Klar wird es jetzt bei NECROTTED wahrscheinlich niemals melodischen Gesang geben oder wir jetzt komplett die Musikrichtung wechseln, aber wir probieren schon in dem Rahmen den wir haben ein wenig zu arbeiten und einfach guten, modernen Death Metal zu spielen.

metal.de: Ahh, sag niemals nie, ich meine es gibt ja Bands die musikalisch sich ziemlich gewandelt haben aber immer noch Fans haben beziehungsweise vielleicht viele neue dazugewonnen haben. *Hust* OPETH *Hust*. Gibt es vielleicht noch irgendwelche Bands die Vorbilder sind oder mit welchen ihr gerne touren würdet?

Philipp: Ja, sicherlich, aber da kann ich so spontan gar nicht so viele nennen. Mir würde es schon reichen mit unseren Freunden von BENIGHTED und CYTOTOXIN wieder loszuziehen, wie es ja geplant war eigentlich, oder überhaupt einfach mal wieder zu spielen. Aber sonst… Wir sind logischerweise noch längst nicht in Sachen Bekanntheit auf demselben Level, aber mal zusammen mit einer Band wie HEAVEN SHALL BURN eine Bühne auf einem großen Festival zu headlinen wäre schon geil. Das sind auch super Jungs, machen tolle Musik und sind immer noch super bodenständig. Auch eine Band mit Message wie wir, also das würde finde ich ganz gut passen.

metal.de: Da muss ich gleich an das Albumcharts-Battle aus letztem Jahr denken. Angenommen, ihr stößt irgendwann mal in solche Sphären vor: Wäre euch das wichtig?

Philipp: Es wäre natürlich ein tolles Kompliment und das nimmt man auch gerne mit, aber mal abgesehen davon, dass das nie passieren wird, ist uns das auch nicht wichtig. Wir machen einfach die Musik, auf die wir Lust haben und freuen uns, wenn es den Fans draussen gefällt, aber es ist auch ok, wenn es nicht jedem gefällt. Wir haben da keine Ansprüche oder keine Erwartungshaltung in jeglicher Hinsicht. Ich meine, wir sind ja auch nicht drauf angewiesen, wir haben ja auch alle noch unsere Jobs nebenher, also hängen wir ja weder am Touring noch an Plattenverkäufen finanziell irgendwie.

metal.de: Gutes Stichwort. In Zeiten von immer mehr Streaming, wie wichtig ist euch da noch ein physisches Format wie CD oder Platte? Legt ihr darauf Wert? Sammelt ihr vielleicht sogar privat so was?

Fabian: Ja, das ist uns schon wichtig, wir haben zum ersten Mal eine Vinylversion von unserem Album mit dabei, da die Fans das gefordert hatten und wir das zuvor nie so richtig bedacht haben. Aber es gab genug Interesse und wir sind damit ans Label ran getreten und die fanden das auch eine gute Idee. Und die Platte ist schon echt gut geworden und sieht schick aus.

Philipp: [grätscht rein und zeigt eine große Dartscheibe an der Wand] Oder man hängt die sich an die Wand und wirft Pfeile drauf. Also ich persönlich habe privat jetzt keine Plattensammlung oder einen Plattenspieler und höre auch nicht darauf, aber so als Deko hänge ich mir unser Album, glaube ich, doch irgendwo ins Zimmer (lacht).

metal.de: Normalerweise wärt ihr genau jetzt um diese Zeit auf Tour geworden, wie vertreibt ihr euch sonst momentan die Zeit während Corona? Gibt es schon neue Ideen für ein neues Album oder so?

Philipp: Ja, ein paar Ideen gibt es tatsächlich schon, aber das neue Album ist noch ganz frisch, wir stecken noch mitten in der Promophase dafür, also da kann man noch nicht jetzt schon mit neuem Material rechnen so schnell [lacht]. Zeit vertreiben… ja, sonst wie wahrscheinlich jeder auch, Netflix, rumhängen. Ich meine, wir haben ja auch alle noch unsere Jobs nebenher und halten uns beschäftigt. Auch die Videoproduktion und Promo für unser neues Album hat viel Arbeit und Zeit in Anspruch genommen. Also es wird so schnell nicht langweilig. Was viele vielleicht auch nicht wissen, ich aber gerade schon gezeigt habe: Wir sind auch große Darts-Fans. Also ein paar Pfeile schmeißen geht da auch ganz gut.

Fabian: Aber ja, Touren fehlt halt schon, der direkte Kontakt mit den Fans.

metal.de: Gerade diese Musik lebt natürlich von der Energie und der Interaktion mit dem Publikum, Mosh-Pits, Wall-Of-Deaths und vieles weiter mehr. Könntet ihr euch eine Sitzplatzshow oder so überhaupt vorstellen, wenn es wieder losgehen sollte?

Fabian: Witzig dass du es erwähnst, die allerletzte Show die wir hatten im Backstage im München 2020, war nämlich genau so eine Show. Wir haben also die Erfahrung bereits gemacht. Die Halle ist normalerweise für über 1000 Leute ausgelegt, war es da mit Abstand für 200-300 Personen. Die saßen alle wie an Bierbänken da mit ihren Masken und das ist als Band auf der Bühne natürlich auch ein wenig komisch. Wir kamen uns vor wie auf einem Oktoberfest oder so und waren auch anfangs skeptisch. Aber das war alles nach dem ersten Song wie weggeblasen, die sind an ihren Bierbänken richtig abgegangen und waren begeistert, die Energie war da. Man hat da einfach gemerkt, wie ausgehungert die Leute nach so etwas waren und nachdem wir den Gig gespielt haben würde ich sagen: Jederzeit wieder, war echt gut.

metal.de: Experiment also geglückt. Das wäre es soweit von mir.

Fabian: Danke dir fürs Interview, wir hoffen das Album gefällt und hoffentlich sieht man sich demnächst auf Tour!

Quelle: Necrotted, Reaper Entertainment
16.03.2021
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