Warbringer
Die Dunkelheit herauslassen

Interview

WARBRINGER waren jahrelang von ständigen Wechseln in der Bandbesetzung geplagt. Seit „Woe To The Vanquished“ ist bei der Band einigermaßen Ruhe eingekehrt, wenn man von einem Neuzugang am Bass absieht. Nichtsdestotrotz haben sie mit „Weapons Of Tomorrow“ wieder ein gnadenloses Thrash-Brett abgeliefert. Frontmann John Kevill berichtet von den düsteren Themen, die er auf der Platte verarbeitet und warum manche Menschen einfach gehen müssen.

Das neue WARBRINGER-Album trägt den Titel „Weapons Of Tomorrow“. Auf welche Waffen bezieht sich der Titel?

John: Einfach alle! Die aktuellsten Formen von Lenkraketen, satellitengesteuerten Informationsnetzwerken, unbemannten Drohnen, Kampfjets, intelligenter Munition und Werkzeuge der politischen Manipulation und sozialer Kontrolle. Es geht um das Gesamte Werkzeugset des 21sten Jahrhunderts und darüber hinaus.

Die Farbe Blau dominiert das Artwork und es einen starken Science-Fiction-Look. Es fühlt sich wie ein Kontrast zu euren früheren Artworks an, die oft düster waren und manchmal aussahen, als kämen sie aus einem Albtraum. Warum habt ihr euch für diese visuelle Richtung entschieden?

John: Wir haben uns Bewusst für das Blau entschieden, weil es so anders aussieht. WARBRINGER waren normalerweise immer eine sehr rote Band und dieser offensichtliche Kontrast ist eine Art, der Hörerschaft zu visualisieren, welche Veränderung und Evolution auf diesem neuen Album stattfindet. Außerdem passt es gut zu den futuristischen Themen einiger Songs und dem übergeordneten Thema der Angst vor dem Morgen. Das futuristische Cover sieht glatt und klar aus, wirkt aber gleichzeitig dystopisch und böse.

Der neue Chase

Das ist aber nicht die einzige Neuerung auf dem Album. Mit Chase Bryant habt ihr einen neuen Bassisten. Warum hat Jessie Sanchenz die Band verlassen und wie habt ihr Chase entdeckt?

John: Das war der einzige Mitgliedswechsel, den wir durchführen mussten und das lag an Sanchez‘ Verhalten, durch das die Band einige wichtige Shows nicht durchziehen konnte, wie das Heavy Montreal Festival und eine Europatour mit SEPULTURA. In dieser Situation hatten wir als Band keine andere Wahl als einen anderen Bassisten für diese Gigs zu suchen und das war Chase Bryant. Unser Schlagzeuger Carlos Cruz lernte ihn durch einige seiner Prog- und Fusion-Freunde kennen, die ihm Chase als technisch versierten Musiker empfahlen, der den Job kurzfristig übernehmen konnte. Doch er war viel mehr als das. Er hat einen tollen Sinn für Musikalität und spielt für die Songs und ist allem in allem ein feiner Typ.

Vor „Woe To The Vanquished“ hattet ihr ebenfalls einige Besetzungswechsel. Wie fühlst du dich mit diesen regelmäßigen Veränderungen im Line-up?

John: Es freut mich, dass wir damit anscheinend durch sind. Wir hatten während der ersten vier Alben sehr viele Wechsel, doch seit unserer Wiedergeburt vor „Woe To The Vanquished“ sind wir sehr stabil. Das möchte ich einmal hervorheben.

Hat sich die Veränderung im Line-up auf das Songwriting für „Weapons Of Tomorrow“ ausgewirkt?

John: Nein, unser Songwriting-Kern besteht aus mir, Carlos Cruz und Adam Carroll und war durchgehend intakt und wir haben auf eine sehr ähnliche Weise gearbeitet wie bei „Woe To The Vanquished“. Wir sind also auf eine sehr komfortable und gewohnte Weise an „Weapons Of Tomorrow“ herangegangen.

Dann lass uns mal über die Texte sprechen. „Heart Of Darkness“ ist eine berühmte Geschichte von Joseph Conrad, die unter anderem den Film „Apocalypse Now“ inspirierte. War sie ebenfalls eine Inspirationsquelle für den gleichnamigen WARBRINGER-Song?

John: Ja, und zwar sehr direkt. Ich finde den Roman sehr spannend, weil er Kolonialismus und Imperialismus aus einer kolonialen Perspektive heraus kritisiert. Ich finde, es ist eine sehr brutale Geschichte, welche die Psychologie hinter der Ausbeutung anderer Menschen erkundet. Der Roman entstand rund um reale Geschehnisse im belgischen Kongo-Freistaats, der alles andere als frei ist, es ist wahrlich furchteinflößender Stoff und wird jeden traurig stimmen, der davon erfährt. Diese Ereignisse spielen in der Zivilisation eine große Rolle. Es ist ein Song über die hässlichen und bösen Seiten der menschlichen Seele.

Die Kathedrale von Notre Dame wurde 2019 beinahe durch einen Brand zerstört. Steht dieser Vorfall mit den Lyrics von „Notre Dame (King Of Fools)“ in Verbindung?

John: Genau, der Song fokussiert sich zuerst auf Quasimodo und seine Ablehnung durch die Welt. Stellenweise symbolisiert der Gesang in diesem Song die Stimmen der Meute, der zweite Teil symbolisiert Quasimodo, der in der Kathedrale Zuflucht sucht. Der dritte Abschnitt, der nach dem Interlude gegen Ende des Songs beginnt, betrachtet den Brand der Kirche und stellt die Frage: Jetzt da die Kathedrale nicht mehr ist, was wird aus den Geschichten, die dort passiert sind? Werden sie verschwinden? Das Thema der persönlichen Isolation geht in dem Song in Gedanken über die Zeit und Vermächtnisse auf.

WARBRINGER blicken in den Abgrund

„Unraveling“ beginnt mit der Textzeile „This world I see/ Has no place for me/ This sense of isolation/ Always Haunting“. Später heißt es dann „One shot to the head to leave the world behind“. Klingt alles ganz schön depressiv. Welche Geschichte steckt hinter dem song?

John: Der Song handelt von Suizid und ich wollte, dass es eher erschreckend als depressiv rüberkommt. Es ist ein verdammt schnelles Monster von Song und die Lyrics versuchen, Hörenden die Gedanke einer Person näherzubringen, die sich selbst hasst und ihr Leben beenden will. Es ist ein Trommelfeuer aus negativen Emotionen und Hoffnungslosigkeit. Ich denke, viele Menschen fühlen sich hoffnungslos und fühlen diese Art von Emotionen an ähnlichen Punkten in ihren Leben und in dem Song wollte ich die Intensität und die Hässlichkeit und die erschreckende Natur solcher Gefühle einfangen.

Denkst du, dass der Song Menschen mit solchen Problemen helfen kann? Gerade in Zeiten des Coronavirus und den daraus resultierenden Restriktionen, fühlen sich viele Menschen zur Zeit allein und isoliert.

John: Dieser Song und „Defiance Of Fate“ behandeln beide Themen wie persönliche Isolation und das Gefühl, vom Rest der Welt getrennt zu sein. In „Defiance“ überwindet der Protagonist seine Probleme, in „Unraveling“ nicht. Ich hoffe, dass solche Songs Menschen helfen, finstere Gefühle wie Einsamkeit und Isolation zu verarbeiten, über so etwas zu schreiben ist ein Teil meiner Art, das zu verarbeiten. Metal gibt uns die Möglichkeit, einen Teil der Dunkelheit herauszulassen, die wir durch das Leben in einer imperfekten Welt fühlen, die manchmal gleichgültig und ungerecht ist.

29.04.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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