
Wir haben die verschiedenen Schaffensphasen der Prog-Legende KING CRIMSON ja schon das ein oder andere Mal angerissen. Dabei zählt die Album-Trias bestehend aus „Discipline“, „Beat“ und „Three Of A Perfect Pair“ sicher zu den – sagen wir mal: vieldiskutierten Schaffensabschnitten der Band um Robert Fripp, nicht zuletzt, weil man diese Platten gerne platt als die New Wave-Phase der Band abtut. Dabei finden sich zwar zugegeben poppigere, schon typisch nach Achtziger klingende Stücke auf speziell den beiden letztgenannten Alben, Songs wie „Heartbeat“ oder „Man With An Open Heart“ kommen da in den Sinn. Aber es war auch genug „weird stuff“ hierauf vertreten. Dieser Schaffensphase widmete eine Supergroup namens BEAT eine ganze Revival-Tour, von der ein Konzertmitschnitt unter dem Titel „Neon Heat Disease Live In Los Angeles“ nun auf Konserve in Ton und Bild gebannt veröffentlicht wird.
BEAT bringen eine vieldiskutierte Schaffensphase von KING CRIMON auf die Bühne
Und es ist nicht irgendeine Supergroup. Zuvorderst sind mit Adrian Belew an Gitarre und Gesang und Tony Levin am Tieftöner zwei der Musiker vertreten, welche die gegenständliche Schaffensphase ihrer einstigen Band proaktiv miterlebt und -gestaltet haben. Damit hebt sich dieses Projekt kraft Authentizität schon mal über den Status eines faden Tribut-Acts hinaus. Verstärkung erfuhren die beiden durch keine Geringeren als einen erfreulich songdienlich spielenden Steve Vai sowie den hünenhaften TOOL-Drummer Danny Carey. Geboten wird eine Auswahl an 19 Tracks aus diesen Alben inklusive dem Ausreißer „Red“ vom gleichnamigen Album der vorausgehenden Bandphase. Der Sound ist schön direkt und druckvoll und das Songmaterial wird wie aus einen Guss kommend herunter gezockt. Am wichtigsten jedoch: Die vier Virtuosen haben eine wahnsinnige Chemie, dank der das Unterfangen nahezu vollständig gelingt.
Dabei orientieren sich BEAT recht treu an den Originalen, ohne sie zu sehr mit irgendwelchen neuen Arrangements oder Egotrips der beteiligten Musiker zu verzerren, wenn nicht gerade bewusst Freiraum dafür gelassen wird. Die Novität hinter „Neon Heat Disease Live In Los Angeles“ liegt damit vor allem in der Präsentation des Songmaterials im modernen Klanggewand. Dabei wirkt die Darbietung der beteiligten Musiker zu keiner Zeit ausnehmend straff gezogen, sondern sehr lebendig. Das Spiel der Herren weist durchaus rauere, geradezu ungeschliffen rockende Momente (v. a. „Thela Hun Ginjeet“) auf, welche bei aller Virtuosität aber vor allem die Menschlichkeit und letztlich den Live-Charakter hinter alledem unterstreichen.
„Neon Heat Disease“ profitiert zudem von einer intimen Live-Atmosphäre
Adrian Belew klingt am Mikrofon praktisch unverändert großartig, so als sei seine Stimme in den letzten 40 Jahren kaum gealtert – ein paar wenige Momente der Ungenauigkeit in den höheren Stimmlagen muss man allerdings hinnehmen. Seine dramatischeren Gesanglinien jagen dem Verfasser dafür ein ums andere Mal eine Gänsehaut über den Rücken, unsereins hätte sich aber gewünscht, dass die Spoken Word-Passagen in „Neurotica“ nicht vom Band abgespult worden wären, zumal Belew diese in „Elephant Talk“ wiederum selbst live darbietet. Die haben nämlich eine ähnlich Cartoon-artige Qualität wie jene Passagen eines Les Claypool. Doch auch so lassen PRIMUS und speziell deren progressivere Stücke der Marke „Professor Nutbutter’s House Of Treats“ hier und da mal herzlichst grüßen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die intime Atmosphäre, die „Neon Heat Disease Live In Los Angeles“ ausstrahlt. Das Publikum wird praktisch kaum zur Gimmick-Krücke, sondern trägt – wahrscheinlich eher zufällig – mit wohldosierten Beifallsimpulsen zum Gelingen eines „Waiting Man“ beispielsweise bei, das von Danny Carey und Adrian Belew via Perkussion adaptiert wird, bevor der Song Stück für Stück in seine ursprüngliche Beschaffenheit zurück geführt wird. Und natürlich dürfen die instrumentalen Einzelleistungen nicht außer Acht gelassen werden, ohne die das Ganze nicht funktionieren würde – aber das ist bei einem solchen Lineup im Grunde schon eine Selbstverständlichkeit. Polyphonie, Polyrhythmik und auch sonst alles, was Musiktheoretikern Spaß bereitet, wird hier gleichstehend mit einigen der poppigeren Momente der KING CRIMSON-Diskografie gebührend gefeiert.
BEAT klingen bei aller Virtuosität doch erfrischend spontan
„Neon Heat Disease Live In Los Angeles“ ist experimentell, progressiv wie nix Gutes und steckt voll von all den Dingen, mit denen Kollegen wie Herr Werner oder unsereins gern mal so richtig abnerden und den Kollegen Kleemann bei Bedarf aus dem Redaktionsbüro jagen können. Natürlich muss man an dieser Stelle anerkennen, dass die kreative Vorarbeit größtenteils schon vor über vierzig Jahren geleistet worden ist. Ein paar kleinere Veränderungen haben es in die Stücke geschafft, neben der erwähnten Adaption von „Waiting Man“ sticht auch „The Sheltering Sky“ hervor. Der im Original von „Discipline“ stammende Track wurde kraft reichhaltiger Improvisation auf fast das Doppelte der ursprünglichen Trackspielzeit gebracht. Aber die rohe Live-Energie bringt jeden einzelnen Song einfach so wunderbar auf dieser Trackliste zusammen, dass sich das Album trotz seiner knapp zwei Stunden elegant im Stück herunter hören lässt.
Der begleitende Konzertfilm zeigt, was für einen Spaß die beteiligten Musiker bei alledem gehabt haben mussten – und lässt erahnen, was für ein Erlebnis es gewesen sein musste, dem als Freund des Wirkens von KING CRIMSON in Person beizuwohnen. Die dichte Atmosphäre liefert auf ganzer Linie Gänsehautmomente für Proggies. Und die Trackliste ist so gut ausbalanciert, sodass sich die Waage zwischen eingängigeren und ausgefrippten Cuts stets wie von selbst austariert. „Neon Heat Disease Live In Los Angeles“ ist alles in allem ein wunderbares Ton- und Bilddokument, das diese noch so vieldiskutierte Schaffensphase von KING CRIMSON im bestmöglichen Licht erscheinen lässt und durch die Live-Energie vor allem deren improvisatorische Charakteristik betont. Wer die dazugehören Alben noch nicht kennt, kann sich hier einen exzellenten Crashkurs abholen.

Michael































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