Death - Symbolic

Review

Mit „Symbolic“ hat Chuck Schuldiner – und wer 1995 eben zu DEATH gehört hat – ein Album veröffentlicht, das für mich persönlich zu den besten DEATH-Scheiben und zu den besten Metalalben überhaupt gehört.

Nach den beiden sehr komplexen und progressiven „Human“ und „Individual Thought Patterns“ ist „Symbolic“ wieder deutlich zugänglicher, ohne aber an Komplexität einzubüßen. Zu verdanken ist das hauptsächlich den grandiosen Melodien. „Symbolic“ ist voll gepackt mit Hits, bei denen es schwer fällt, einzelne hervorzuheben. Der Titeltrack ist mit seinem einleitenden Riff so etwas wie das „Raining Blood“ – oder besser: das „Postmortem“ – des progressiven Metal. Es gibt wenige so prägnante Intros. „Empty Words“ oder „Crystal Mountain“, man tut sich keinen Gefallen, sich hier entscheiden zu wollen.

Wie schon auf den vorangegangenen Alben ist das textliche Konzept von „Symbolic“ am Menschen und seinem kläglichen Dasein orientiert, beleuchtet aber nicht nur innere Zustände charakterlicher und psychologischer Natur, sondern auch Sozialkritisches. Ein Songtext wie der von „1,000 Eyes“ hat heute mehr und eine subtilere Aktualität, als Chuck das sicher jemals gedacht hätte: „Plunging into a new found / Age of advanced observeillance / A world-wide, foolproof cage / Privacy and intimacy as we know it / will be a memory“. In Zeiten, in denen die Diskussion um Privatsphäre vs. Post-Privacy schon in der Vergangenheitsform geführt werden muss, kann sich diese Passage 1:1 auf die idiotensicher zu bedienenden Endgeräte von Apple oder Dienste von Google oder Facebook übertragen lassen, und man würde damit nicht einmal etwas zum zitierten „foolproof cage“ hinzudichten. Dass wir uns diesen Käfig einmal selbst aussuchen würden, hätte sich Chuck sicher nicht ausgemalt.

Das sind zwar alles Momente, die auch ein George Orwell schon vor Jahrzehnten prophezeit hat – nur hat der sie lange nicht so wundervoll vertont. Gene Hoglan – an den Drums ein ebensolches naturwissenschaftliches Wunder wie die Tatsache, dass Hummeln fliegen können – rattert in einer Geschwindigkeit und Präzision, die einen nur staunen lässt. Dabei schafft er es, in jeden Song eine Fülle an Fills einzubauen, die einen bei seinem filigranen Beckenspiel an die Tonspur eines Mantel-und-Degenfilms denken lässt, bei dem D’Artagnan gerade Kardinal Richelieus Palastwache filetiert. Das ist großes Kino.

Ganz zu schweigen von Chuck himself, der sich Melodien zum Niederknien ausgedacht hat und sie in Taktfolgen verpackt hat, die man selbst nach dem x-ten Mal noch nicht begreifen kann. Wer einmal versucht hat, bei Songs wie „Symbolic“ oder „Zero Tolerance“ fehlerfrei den Takt mitzuzählen, wird sich danach gewünscht haben, Telekolleg II Mathematik nicht immer nur belächelt zu haben.

„Symbolic“ ist das perfekte Zusammenspiel von Technik und grandiosen Melodien und eine Platte, bei der die Musiker mit ihrem Gewichse nicht zeigen, was sie AUCH können, sondern ohne das die Platte gar nicht möglich wäre. Die Songs leiden aber nicht unter der unglaublichen Detailverliebtheit, sondern werden dadurch so vielschichtig, dass man selbst nach Jahren noch tiefer in die Platte einsteigen kann. Jemand, der mit DEATH noch nicht in Berührung gekommen ist (soll’s geben), hat mit dem Album sicher einen guten Einstieg. Und wird nicht mehr davon loskommen.

17.12.2011
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