Fear Factory - Archetype

Review

Die Industrial-Hardcore-Metaller aus dem sonnigen Kalifornien melden sich im Jahre 2004 mit einer neuen Platte zurück…melden? Nein! Sie treten dir die Tür ein, knüppeln dich windelweich, spalten dir den Schädel, reißen dir die Ohren ab und stopfen dir die neuen Songs mit Gewalt in deine Birne! Wie der Name „Archetype“ schon sagt, intendiert FEAR FACTORY mit dem neuen Album ihre Vorreiterrolle in der Szene wieder zurückzuerobern , der Welt zu zeigen, dass sie das Prototyp-Modell sind, wovon die anderen sich inspirieren lassen. Nicht einfach, nach einem lang andauernden Zwist innerhalb der Band und mit der Plattenfirma, welcher der Band fasst den Todesstoß versetzt hätte. Dem amerikanischen Teil von Roadrunner Records werfen sie vor, ihre Bands zu melken und wie Dreck zu behandeln, es sei denn, man heißt Nickelback und bringt seine Lieder ins Radio (hört man auch nicht zum ersten Mal). Deshalb wechselten sie zu Liquid 8 Records. Bei uns hat sich Roadrunner (- Deutschland!) jedoch die Vertriebsrechte gesichert.

Auch bandintern musste man nach dem Grund für die miese Stimmung suchen, und schon bald wurde Gitarrist Dino Cazares dafür verantwortlich gemacht. Heute nennen sie ihn nur noch hochachtungsvoll „den anderen“. Bassist Christian Olde Wolbers übernahm seinen Part an den Brettern und übergab Bryon Stroud, ex- Strapping Young Lad, den Bass. Nahezu als Frustbewältigung scheinen die ersten drei Lieder des Albums („Slave Labor“, „Cyberwaste“, „Act Of God“) zu dienen. Raymond Herrera, der alte Knüppel-Gott, zeigt hier wieder sein ganzes Können und zwingt jeden mit seinen Doublebass-Attacken in die Knie. Wolbers an der Gitarre und Stroud am Bass machen den Sound richtig fett. Vor allem bei dem Opener schaffen es dezente Keyboardelemente und das leidenschaftliche Shouting von Burton C. Bell eine bedrohliche Atmosphäre zu kreieren, vielleicht auch, weil sie in den Lyriks kaum ein gutes Haar am Großteil der Musikindustrie lassen. Nicht genug des Geknüppels, wird in „Cyberwaste“ und „Act Of God“ der Vorschlaghammer ausgepackt. Hardcore vom feinsten, gepaart mit groovigen Brettern und einem – zum Glück – sehr verärgerten und stimmgewaltigen Burton dominieren den Sound und lassen das Trommelfell ausschlagen.

Aber auch die FEAR FACTORY -typischen Clean Vocals durften nicht fehlen. Auf der einen Seite hart, aber auf der anderen Seite doch eindringlich melodiös und ohrwurm-lastig kommen die nächsten Songs herüber, insbesondere der Titeltrack macht da eine gute Figur. Die Halb-Ballade „Bite The Hand That Bleeds“ kommt hingegen ganz ohne Schlagzeugattacken und Gegrunze aus. „Undercurrent“ packt dann aber wieder den fetten Sound aus und spätestens in der Mitte des Songs bebt der Raum. Denn dieser Fear Factory- typische „Urknall“, der groovige Riffs unterstreicht und einem bei entsprechender Lautstärke das Toupet vom Kopf bläst, schlägt wieder zu. „Bonescraper“ macht seinem Namen alle Ehre. „Human Shields“ ist in seinen Stimmungen sehr sphärisch und anklagend, spricht es doch inhaltlich über Menschen, die (auch aktuell) versuchen sollten, Kriege als menschliche Schutzschilder zum Aufhören zu zwingen. Das Outro „Ascension“ nimmt die Melodie des Vorgängers kurz auf und entfaltet seine hypnotisierende Wirkung durch melancholische Keyboardsounds. Nach meinem Geschmack sind jedoch sieben Minuten etwas zu lang. Als Bonus liefern uns FEAR FACTORY ein NIRVANA-Cover, „School“, was bewusst sehr nach FEAR FACTORY klingen sollte und auch tut.

Ein kleiner Beitrag zur Diskussion: Was mich etwas an FEAR FACTORY stört, ist, dass sich Burton Bell nie wirklich traut bei den vor allem lang gezogenen Clean-Vocals diesen eingespielten Hall in seiner Stimme abzustellen. Manchmal klingt mir das etwas zu billig. Ich möchte zu gern wissen, ob es auch ohne ginge. Ergo: Ähnlich wie MACHINE HEAD im letzten Jahr schafft die Fabrik des Schreckens ein beeindruckendes Comeback, indem sie an ihre Wurzeln zurückkehren, sie aber nicht sinnlos kopieren, sonder konsequent weiterentwickeln. Zum Schluss bleibt mir nichts anderes übrig als Mr. Wolbers zu zitieren: „…die Songs haben einfach wieder Eier und eine Menge Kraft.“

18.04.2004
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