Fear Factory - Mechanize

Review

FEAR FACTORY standen schon zwei Mal ganz nah am Abgrund, zwei Mal haben sie sich wieder zusammengerafft. Das eine Mal ohne Dino Cazares und dieses Mal mit ihm. Jawohl, Dino is back, Raymond Herrera und Christian Olde Wolbers sind draußen, die Anwälte streiten sich um Namensrechte, und von allen Seiten kommt nun die dreckige Wäsche geflogen, mal mehr, mal weniger. War dieser Kindergartenzirkus der letzten Monate eher verwirrend, peinlich und einer Band solchen Ranges nicht würdig, machte das neue Killer-Line-Up mit Byron Stroud und Gene „The Machine“ Hoglan Nägel mit Köpfen.

„Powershifter“ gelangte als erster Song vor Wochen an die breite Öffentlichkeit und setzte gleich mehrere Ausrufezeichen: 1. FEAR FACTORY sind nicht ARKAEA. 2. Burton und Dino haben sich wieder lieb. 3. Ein neues Album wird kommen, und soll alle Fans zufriedenstellen, die seit „Demanufacture“ jedes Mal aufs Neue darüber diskutieren, warum die Nachfolgewerke nicht dem Klassiker gerecht werden können.
Ob geplant oder kreative Fügung, eins wird schon in den ersten Minuten von „Mechanize“ klar: Das Album, in einem Interview mal als „missing link“ bezeichnet, passt haargenau zwischen „Demanufacture“ und „Obsolete“ – das eine der unangefochtene, innovative Klassiker, das andere das erfolgreichste Album der Bandgeschichte. Schon der Titeltrack weckt mit seinem Sample-Intro und dem unbarmherzigen Stakkatoüberfall sofort Erinnerungen an „Demanufacture“, während das nachfolgende „Industrial Discipline“ den Schwenk zu „Obsolete“ vollführt.

Die musikalische Gangart erinnert indes an das Debütwerk „Soul Of A New Machine“. „Mechanize“ ist brutal und größtenteils ziemlich schnell. Kann Hoglan Herrera ersetzen? Ja, kann er, und als hired gun war es natürlich zu erwarten, dass sein Stil, seine persönliche (Fuß-)Note einfließen. Ganz deutlich wird das bei „Fear Campaign“: Weniger übermechanisiertes Stakkato-Gewitter, dafür etwas mehr Dynamik, wie man es von der Atomuhr schon seit frühen SYL-Zeiten kennt.

„Mechanize“ ist aber auch deutlich gitarrenorientierter. Dino dominiert diese Platte so, als wolle er sagen: „I’m back with a thousand bangs!“ Synthesizer und Sampling werden deutlich reduzierter, subtiler eingesetzt, aber auch die teils exzessiven melodischen Parts, wie z.B. in alten Songs der Marke „Replica“, „Zero Signal“ oder „Pisschrist“ sind auf „Mechanize“ eher rar gesät. Ausnahmen sind da „Designing The Enemy“, welches einen ganzen Gang runterschaltet, und vor allem der ungewohnte Schlußtitel „Final Exit“, der sich als ein stiller Hit des Albums entpuppt. Nicht so episch und orchestral aufgeladen wie „Therapy For Pain“ oder „Timelessness“, aber mit dem vertrauten, Hall-gestärkten Klargesang Burtons, der den Rest der Platte mit seinen gewohnt markigen Shouts veredelt.

Klingt alles nach einem Mordsteil, und fürwahr, in gewisser Weise wird „Mechanize“ diesem Eindruck auch gerecht. Das Album ist stark, aber auch irgendwie zu geradlinig, zu engmaschig aufgebaut. Symptomatisch für den Schritt zurück, der eigentlich ein Schritt vorwärts sein soll, sind Songs wie „Controlled Demolition“: Genau so hören sich die typischen, starken B-Seiten-Tracks von FEAR FACTORY an, aber ein Album voller B- oder Gerade-mal-so-A-Seiten wird eben kein Knüller. „Archetype“ war damals für mich ein Paradebeispiel, wie eine Band mit einem Signaturstil, wie ihn FEAR FACTORY nun einmal haben, sich frischen Wind einhauchen und ein wahres Feuerwerk abfackeln kann. Das lag aber nicht daran, dass Dino nicht mehr da war, oder dass man die bei „Digimortal“ so stark kritisierten Hip-Hop und Nu-Metal-Einflüsse zurückgefahren hatte. Es war das Kraftpaket aus allen Elementen, die FEAR FACTORY in sich vereint.

Wenn Burton und Dino „Archetype“ im Nachhinein als „seelenlos“ oder gar „Kopie“ betrachten, dann frage ich mich ernsthaft, was „Mechanize“ sein soll. Es wird eine Menge Fans geben, langjährige wie neue, die endlich das Album bekommen, worauf sie seit Jahren gewartet haben. Sie werden es lieben – und das ist auch gut so. Es wird aber auch Fans geben (zu denen ich mich zähle), für die „Mechanize“ zwar der geglückte Versuch ist, den alten Spirit, die musikalische Chemie wieder einzufangen, aber letztlich können auch Dino und Burton die Uhr nicht zurückdrehen. „Mechanize“ ist nicht „Demanufacture“. „Mechanize“ ist nicht „Obsolete“. Es fehlen die ganz großen, prägenden Momente, von denen die Vorgänger lebten, ja, durch die sie ihre eigene Seele erhielten, und die „Mechanize“ trotz aller Vorsätze und wiederbelebter Freundschaften leider nicht vorweisen kann. „Mechanize“ ist im Prinzip das, was sich Dino und Burton sicherlich nicht unter dem „missing link“ vorgestellt hatten: Stagnation auf höchstem Niveau.

15.01.2010
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