Havok - Conformicide

Review

HAVOK beweisen mit „Conformicide“, dass es sich auch 2017 noch lohnt, Thrash Metal zu hören. Fingerfertigkeit und kreative Beweglichkeit der vier Amerikaner sind durchweg im oberen Bereich zu verorten, und darüber hinaus wird auch das vierte Album wieder von Spielfreude und zielstrebigen Arrangements dominiert. Will man unbedingt Referenzen zu den mächtigen Big 4 ziehen, dann bringt man HAVOK am ehesten mit MEGADETH in Verbindung. Das arglos anmutende Intro von „F.P.C.“ täuscht, HAVOK liefern mit ihrem vierten Album mit Abstand ihr bestes bis dato ab. Thrash-Fans aufgepasst, „Conformicide“ knallt wie die guten alten Achtziger und ist trotzdem modern und frisch.

HAVOK haben einen Bass – und sie benutzen ihn!

Was HAVOK von den heutigen Ergüssen der großen Thrash-Legenden abhebt, ist der Hunger nach Innovation und die Bereitschaft, vom Üblichen abzuweichen. Bassist Nick Schendzielos würde Flea (RED HOT CHILI PEPPERS) schon im Opener „F.P.C.“  die Freudentränen in die Augen treiben, er slapt sich erfreulich funky durch „Conformicide“. Klanglich stets präsent und durchweg dem Song dienlich und trotzdem eigenständig ist er maßgeblich dafür verantwortlich für eines der Trademarks von HAVOK. Dicht gefolgt wird er von Schlagzeuger Pete Webber, der eben nicht nur genretypisch nach vorne drischt, sondern auch trickreiche Überraschungen einfädelt.

David Sanchez wütet klar verständlich und hektisch nach vorne, lediglich im „Circling the Drain“ bedient er sich erfolgreich eines etwas melodischeren Knurrens – einer der wenigen Momente, in denen HAVOK in Richtung METALLICA tendieren. Unerwartet gibt es progressive Einschübe, mehrere Riffs klatschen sich in einem Song ab, auf „Conformicide“ scheint außer Langweile alles möglich zu sein. Immer wieder gibt es neue Haken, Ausbrüche und Freiflüge zu entdecken, dank der glasklaren Produktion kann der Hörer einen Sound genießen, der alles offen legt und kein Instrument benachteiligt.

Klare Aussagen, befeuert von explosivem Thrash Metal

HAVOK beherrschen aber nicht nur in musikalischer Hinsicht ihr Handwerk, auch textlich wird hier überragend abgeliefert – Musik und Inhalt gehen auf „Conformicide“ bis auf die letzte Note Hand in Hand. Political Correctness, die jede Diskussion im Keim erstickt und ein wirkliches Miteinanderreden unmöglich macht, da sie mit Schlagwörtern und Totschlagargument sofort beendet werden kann. Hat da eben jemand Jehova gesagt?

Religiöser Herdentrieb, der keine Ansage in Frage stellt, solange sie von ganz oben kommt. Geschmierte und bewusst falsche Berichterstattung, die Otto Normalverbraucher vom Denken abhalten und von wahren Problemen ablenken soll. Der Frieden, von dem alle reden, der schon von Tag zu Tag immer möglicher wird? HAVOK thematisieren alles schonungslos und befeuern ihre Thesen mit perfekt darauf abgestimmtem Thrash.

Denken, statt Bier verschütten

Wenn es überhaupt ernsthaft etwas an „Conformicide“ zu kritisieren gibt, dann ist das die Masse an Eindrücken und die damit verbundene Länge. HAVOK machen es dem Hörer nicht leicht, und selbst wenn alles nachvollziehbar und grandios arrangiert ist, so ist man von den ersten drei Durchläufen noch immer erschlagen. Nach „Circling The Drain“ erwartet man rein dramaturgisch und auch von der Zeit her den Schlussapplaus. Stattdessen schmacken HAVOK noch das knappe hektische „String Break“ in die Ecke und schließen dann erst mit einem weiteren Highlight, dem ultraeingängig groovenden „Slaughtered“. „Conformicide“ ist ein wahre Thrashperle, inhaltlich und musikalisch bockstark. Denken, statt Bier verschütten.

12.03.2017
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