Karg - Traktat

Review

Mit „Traktat“ schließen KARG einen Albenzyklus ab, den J. J., nicht nur Fronter, sondern einziges festes Mitglied und alleiniger Schreiber, als Trilogie bestehend aus „Weltenasche“, „Dornenvögel“ und eben „Traktat“ beschreibt. Hauptsächlich unterwegs auf Tour und aus einer depressiven Episode heraus geschrieben, zieht es den Hörer immer tiefer in einen bodenlosen Abgrund. Besser als in diesen acht Stücken hätte man die Verzweiflung tatsächlich kaum in musikalische Form gießen können. Ähnliches schrieben bereits die rezensierenden Kollegen der letzten beiden Alben bei dem Versuch, das sich aus sehnsuchtsvollen Melodien und wütenden Ausbrüchen ergebende Klangbild in Worte zu überführen.

Ruhig und melodisch beginnt „Traktat“ mit „Irgendjemand wartet immer“, das mit seinen gut zehn Minuten nur der drittlängste Song des Albums ist. Nach und nach stimmen die Instrumente in die von der ersten Sekunde an melancholische Melodie ein. Was vor allem live überzeugt, funktioniert auch auf Platte: Die sich ergänzenden Gitarrenspuren, die mal die gleiche und mal unterschiedliche Melodien spielen und so nicht nur für einen dichten und vielschichtigen Sound sorgen, sondern auch für eine verträumte, obgleich aussichtslos traurige Stimmung. Neben solch melodischen, zum Teil instrumentalen Passagen liefern KARG aber auch von Rage getriebenes Geballer.

Musikalisch alles top auf „Traktat“

Stilistisch muss zu KARG vor allem wegen ihrer Vokalisten-Personalunion mit HARAKIRI FOR THE SKY und der bisher erschienenen und entsprechend besprochenen Alben wenig gesagt werden. Weit entfernt sich „Traktat“ nicht von seinen Vorgängern und bietet eine Salzburger Melange aus Black Metal, verschiedenen Genres mit der Vorsilbe Post- und Shoegaze. Musikalisch sei „Traktat“ damit weitgehend abgefrühstückt. Bleiben noch die Vocals. Diese stellen eine kleine Herausforderung dar, denn, wie in der Review zu „Weltenasche“ angemerkt, werden diese eher gesprochen (oder gebrüllt) als gesungen und klingen wie eine über die Musik gelegte Wutrede. Das ist auf Dauer sehr anstrengend, denn ein sich in die Vocals Vertiefen, wie es bei der Musik geschieht, ist unmöglich. Stattdessen stören sie sogar das Klangerlebnis, wobei dies ein eindeutiger Fall von Geschmackssache ist.

KARG sagen ganz laut „Aaaaah“

Am Mikro mangelt es nicht an Können; der Gesangsstil ist zweifelsohne eine stilistische Entscheidung. Bei den KARG-Fans, wie auch bei jenen von HARAKIRI FOR THE SKY, dürfte diese durchaus ankommen. Andere dagegen haben wahrscheinlich schon nach wenigen Stücken genug davon. Auch auf den sich immer wieder wiederholenden „Aaaah!“-Schrei, der auf „Traktat“ ganze 15 Mal vorkommt und zu sicherlich ungewollter Komik führt, hätte man gerne verzichtet. Dies ist zwar der einzige wirkliche Kritikpunkt, er zieht sich aber konsequent über die 76 Minuten des Albums. Ein weiterer Punkt sei zwar erwähnt, ist aber eher Jammern auf hohem Niveau. Die vielschichtigen Melodien, über die man sich bei KARG wie erwähnt besonders freut, verlaufen oft ein wenig ineinander, da der Hall der einzelnen Gitarrenspuren die jeweils anderen überlagert.

Insgesamt hat „Traktat“ das Potenzial, den Hörer in weite und tiefe Gefühlswelten mitzunehmen, und erreicht dies auch über große Strecken. Je nach Gusto hapert es dann eben aber an den Vocals. Ein wenig kürzer hätte das Album ebenfalls sein dürfen, jedoch nicht, weil es auf Dauer langweilen würde, sondern, weil es am besten in voller Länge gehört werden sollte und man dafür nicht immer mal eben 76 Minuten Zeit hat. KARG haben hier also wieder gut abgeliefert, wenn auch mit Abzügen.

23.02.2020

headbanging herbivore with a camera

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