Katatonia - Night Is The New Day

Review

Es ist nicht mal zwei Jahre her, seit Kollege Olvido mit seinem Review „Night Is The New Day“ zu einem der besten Alben 2009 erhob. Nun schreiben wir das Jahr 2011, und die Band hat sich entschlossen, angesichts ihres 20 jährigen Jubiläums das Album (und „Last Fair Deal Gone Down“) in einer Special-Edition neu aufzulegen. Neues Artwork, die „Longest Year“ EP als musikalischen Bonus, und doch komme ich nicht dahinter, was KATATONIA dazu bewogen hat, gerade ihr aktuellstes Album noch mal herauszubringen. Aber immerhin gibt mir das die Gelegenheit, meine Sicht des Albums noch mal kundzutun, und zum Glück habe ich zum Hören des Materials mehr als ein Jahr Zeit gehabt.

Dabei macht der Anfang in Form von „Forsaker“ und „The Longest Year“ zunächst einmal eine großartige Figur. Der Opener besticht durch seine gewaltigen Gitarren, die den Hörer schwungvoll erfassen und sich mithilfe des einprägsamen Refrains zu einem wahren Opus der Melancholie aufschwingen. „The Longest Year“ bietet da fast Kontrastprogramm: zwar sind die Gitarren ähnlich mächtig, doch in den Strophen herrscht dank sanfter Synthie-Klänge und zarten Gesangs ein Gefühl der Einsamkeit, das viele Post-Rock-Bands gern ihr Eigen nennen würden. Aber spätestens bei „Idle Blood“ entgleitet mir das Geschehen etwas, ich kann mich mit den stark am Kitsch kratzenden Klängen und dem die Grenze zum Pathos schon überschrittenen Refrain einfach nicht anfreunden.

Das bleibt zwar zum Glück ein Einzelfall, doch auch im restlichem Ablauf des Albums schleichen sich ein paar kleine Schönheitsfehler ein, allerdings auf sehr hohem Niveau, wie ich festhalten möchte. Da wären zum Beispiel „Liberation“ und „Day And Then The Shade“, welche die Stimmung von tollen Stücken wie „Onward Into Battle“ und dem sich im Refrain zu düsteren Gewitterwolken aufbauenden „Nephilim“ nicht ganz halten mögen. Aber es wären nicht KATATONIA, wenn sie nicht zum Ende hin noch mal ihre Ausnahmestellung rechtfertigen würden. Dabei wirkt „Departer“ zunächst sehr unscheinbar. Mit seinen ruhigen Tastentönen könnte es fast ein Outro sein. Doch dann setzen Jonas Renkses zerbrechliche Vocals ein, das Schlagzeug agiert dramaturgisch geschickt im Hintergrund, nur um dann den Synthies zu weichen, die Renkse auf einem emotionalen Trip begleiten, der beinahe klaustrophobisches Empfinden im eigenen Körper erzeugt, den Hörer zumindest mit einer tiefen Wehmut erfüllt zurücklässt.

Danach ist auf der normalen Albumversion Schluss, doch auf dem Re-Relase gibt es jetzt noch Bonusmaterial. Die „The Longest Year“ EP, allerdings ohne den titelgebenden Song selbst. Diesen ersetzt „Ashen“, um Dopplungen zu vermeiden. Dabei sind es tatsächlich „Ashen“ und „Sold Heart“ die man wirklich als Bonus bezeichnen kann, erfassen sie die Grundstimmung des Albums wunderbar und lassen tatsächlich Zweifel daran aufkommen, warum diese nicht auf der regulären Version bereits enthalten waren. Anders verhält es sich da mit dem Frank Default Mix von „Day And Then The Shade“, der dem Song mit seinen flotten Beats eine Unruhe verleiht, dass die Stimmung erheblich leidet, eher weniger gelungen. Dasselbe gilt für „Idle Blood (linje 14)“, der in dieser leicht veränderten Version noch eine Schippe mehr Schmalz abbekommen hat und für mich nun ganz klar zum unteren Qualitätslevel KATATONIAs gehört.

Bei aller vorsichtig geübten Kritik ist „Night Is The New Day“ ohne Frage ein gewohnt emotionales Album geworden, das die Klasse der Schweden unterstreicht. Ein Klassiker in der bandeigenen Diskographie wird es aber zumindest für mich nicht werden, dazu reichen die sich immerhin in der Überzahl befindlichen starken Nummern einfach nicht aus. Für Noch-nicht-Besitzer von „Night Is The New Day“ ist die Neuauflage sicher rentabel, alle anderen müssen sich gründlich überlegen, ob sie für zwei brauchbare Bonussongs und ein überarbeitetes (aus meiner Sicht deutlich schwächeres) Artwork tatsächlich noch mal den vollen Preis löhnen möchten.

21.07.2011

Chefredakteur

Exit mobile version