Thy Catafalque - Vadak

Review

Zehn Alben in etwas über 20 Jahren ist für heutige Zeiten schon ein relativ strammer Veröffentlichungsrhythmus. Aber die Kreativität scheint eben nur so aus Tamás Kátai herauszusprudeln. Fast anderthalb Jahre nach „Naiv“ lässt er mit seinem Projekt THY CATAFALQUE nun die Wildlinge los. Das nämlich bedeutet der Titel des neuen Albums „Vadak“. In gewisser Weise ist der Titel eine selbsterfüllende Prophezeiung, aber wer die Arbeit Kátais bereits etwas länger verfolgt, dürfte so etwas erwartet haben. Ebenfalls erwartungsgemäß rückt Kátai wieder mit einer ganzen Armada an Gastmusikern an, von denen einige mittlerweile so etwas wie angestammtes Personal sein dürften, allen voran natürlich Gastsängerin Martina Veronika Horváth.

Die Härteschraube wird wieder angezogen

Für die Uneingeweihten: Geboten wird ein Mix, der noch leicht im Black Metal verwurzelt ist, darüber hinaus jedoch verschiedene Einflüsse zulässt und von Kátai selbst als Avantgarde Metal bezeichnet wird. Das kann man so stehen lassen, man kann das aber tatsächlich noch etwas weiter präzisieren. Gesang spielt neben der Musik eine eher untergeordnete Rolle. Traditionelle Folk-Elemente spielen im Sound von THY CATAFALQUE dagegen eine zentrale Rolle. Dazu kommt ein stilistisches Potpourri, da mit Electronica, Ambient, Pop, Jazz und sogar vereinzelten Spoken-Word-Passagen umhergewirbelt wird – alles eingefasst in ein metallisches Korsett. Das ganze wird durch zwingende Rhythmen vorangetrieben und mit den eigentümlichen Melodien ausgekleidet, wie man sie mittlerweile nicht anders erwartet.

Im Gegensatz zu „Naiv“, bei dem die folkige Seite stark in den Vordergrund gerückt worden ist, packt „Vadak“ wieder bedeutend härter zu und gerät bisweilen sogar richtig heavy. Das zeigt sich bei Songs wie „Gömböc“ oder „Móló“, in denen stampfende Midtempo-Parts prominent mit ultrabeefigen Gitarren unterfüttert werden, fast als wäre Kátai von Ungarn in die US-Südstaaten umgezogen. Charakteristisch artet aber praktisch jeder Song der Platte wieder in einem metallisch-experimentellen, ungarischen Tanz aus, der Veteranen des Sounds zwar selten wirklich aus der Ruhe bringt, nichtsdestotrotz richtig viel Spaß macht. Der Grund dafür ist die pure Energie, die hinter jeder einzelnen Komposition steckt und diese mit reichlich Leben füllt.

„Vadak“ ist wild – sowohl inhaltlich als auch musikalisch

Gleichzeitig bekommt jeder Track durch die reichhaltige, vielschichtig arrangierte Instrumentierung seinen eigenen Charakter verpasst. Zusammengehalten wird das alles durch eine klare, druckvolle Produktion, die den Gitarren ordentlich Biss verleiht, während filigranere Arrangements transparent herausgearbeitet sind. Und das kommt dem Album an praktisch allen Stellen zu Gute, denn mit einer Stunde Material fällt „Vadak“ nicht gerade knapp aus. Aber tatsächlich ist THY CATAFALQUE das Kunststück gelungen, diese eine Stunde ausgesprochen unterhaltsam zu gestalten. Auch wenn die Komplexität eines „Meta“ nicht ganz erreicht wird, schließt „Vadak“ qualitativ mit hervorragendem, stringentem Songwriting auf, wobei Kátai natürlich das ein oder andere, schräge Ass im Ärmel präpariert hat.

Die beiden Longtracks „Móló“ und „Vadak (Az Átváltozás Rítusai)“ halten gewissermaßen als Beweis her für das geschickte Händchen, das Kátai mit „Vadak“ beweist. Beide Songs sind wahre Achterbahnfahrten, was das Songwriting angeht, beginnend im Metal mit regelmäßigen Feinjustierungen der Intensität. Wie bereits erwähnt inkorporiert „Móló“ richtig fette Riffs, die den begleitenden Mitdtempo-Groove breitbeinig durchs Gemüse stampfen lassen. Der Gesang von Gábor Veres faucht bedrohlich durch den Song, mittendrin werden Härte und Tempo fleißig variiert. Und dann folgt ein Cut und der Rest des Tracks endet in einem fast Synthwave-artigen Ambient-Part, der aus einem atmosphärischen WAVESHAPER-Jam stammen könnte.

THY CATAFALQUE verlässt sich höchst erfolgreich auf Bewährtes

Und das alles wird so gut miteinander verknüpft, dass der Song einfach nur wunderbar dahinfließt. Selbstredend stehen dem die kürzeren Tracks in nichts nach. Der Opener „Szarvas“ beispielsweise beginnt nach kurzem Intro mit wildem Geknüppel, wandelt sich dann in einen Track im klassischen THY CATAFALQUE-Galopp um und wird zum Ende hin sogar durch eine starke Hook gekrönt. „Kiscsikó (Irénke Dala)“ wählt einen etwas schrägeren Ansatz, der fast so klingt, als hätte Kátai seine folkigeren Ansätze in einen luftigen Jive reingestopft. Mittendrin erheben sich sogar triumphale Bläser, die den abschließenden, melodischen Schlenker des Hauptmotivs so richtig schön in Szene setzen. Irgendwie also alles beim Alten – und doch liefert THY CATAFALQUE mit „Vadak“ hochqualitative Klangkunst ab.

Die praktisch tadellose Durchführung, bei der einfach jeder Kniff sitzt, macht das neue Album des wieder frisch nach Ungarn gezogenen Tamás Kátai zu einer musikalischen Wundertüte, die man nicht verpassen sollte. Speziell die eigentümliche Fusion von Folk mit Metal macht ihm so schnell keiner nach, ganz zu schweigen von den zusätzlichen Ingredienzien, die wie selbstverständlich in den Sound eingewoben werden. Und mit dem wieder hochgeschraubten Härte-Anteil gerät „Vadak“ richtig zwingend und direkt, bis hin zum von sanften Klaviertupfern geprägten, ruhigen Rausschmeißer „Zúzmara“, bei dem Kátai allerdings auch nichts anbrennen lässt. „Vadak“ mag für THY CATAFALQUE nichts weltbewegend Neues machen, aber bei einer solchen, qualitativen Konsistenz wird dieser „Kritikpunkt“ schnell zur Randnotiz.

29.06.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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