Insomnium
metal.de goes Finnland für "Heart Like A Grave"

Special

Fast genau drei Jahre nach ihrem epochalen Werk „Winter’s Gate“ werden INSOMNIUM am 04.10.2019 ihr achtes Studioalbum „Heart Like A Grave“ veröffentlichen. Wie nicht anders zu erwarten, wird es auch auf diesem Album wieder äußerst melancholisch zugehen. Ein wenig Sorgen machte man sich nach dieser Albumankündigung aber schon um die Jungs:

„Das Konzept des Albums ist es, tief in das Herz der finnischen Melancholie einzutauchen. Wir wurden von einigen der trostlosesten und traurigsten Songs, Gedichten und Geschichten inspiriert, die wirklich die Essenz der nordischen Schwermut einfangen. Das Land, in dem der Frost die Ernte verwüstet und in die Seelen kriecht, der Sommer endet, bevor er überhaupt beginnt, deine Frau dich verlässt, dein kleiner Bruder am Weihnachtsmorgen im Schnee stirbt, und die goldenen Tage deiner Jugend für immer vergangen sind. Hier schwingen Harmaja, Rautavaara, Vainio, Peltoniemen Hintriikka und natürlich unsere eigenen belanglosen, elenden Leben mit.“ – INSOMNIUM

Auf nach Finnland zu INSOMNIUM!

Na, wer hat jetzt Bock, da noch tiefer einzutauchen? Wir natürlich! Deshalb ging es Mitte August auch dorthin, wo „Heart Like A Grave“ das Dunkel der Welt erblickte. INSOMNIUM luden in ihr Studio in Finnland ein, und diesem Ruf folgten wir nur zu gerne. Anders als man vielleicht erwarten könnte, führte uns der Trip jedoch nicht in die südfinnische Metropole Helsinki, sondern in die Heimatstadt von INSOMNIUM, das in Nordkarelien gelegene Joensuu. Neben der eigentlichen Listening Session hatte die Band in Kooperation mit dem lokalen Tourismusunternehmen Visit Karelia aber noch einige weitere Programmpunkte für uns geplant. Spoiler alert: Trübsinnig ging es dabei so gar nicht zu.

In Helsinki besteigen wir eine Propeller-Maschine, die uns nach ziemlich genau einer Stunde Flugzeit nach Joensuu bringt. Dort angekommen, finden wir uns auf einem leeren Rollfeld irgendwo im Nirgendwo wieder. Der Terminal gleicht eher einem Busbahnhof als einem Flughafen und außer unserer Maschine ist weit und breit kein Flugzeug zu sehen. Der Flughafenbus ist ein Zehnsitzer und fährt immer dann ab, wenn der Terminal leer ist. Praktischerweise ist die Endstation der Busroute unser Hotel. Dieses ist direkt neben der Insel Ilosaari gelegen, von der das Ilossarirock Festival seinen Namen hat. Kaum in der Lobby angekommen, entdecken wir zudem ein Banner für ein weiteres Metal-Festival, das einige Tage später stattfinden wird. Finnland wird seinem Ruf als metalfreundlichstes Land also wirklich gerecht.

Am nächsten Morgen sammeln wir uns brav vor dem Hotel. Neben Pressevertretern aus Deutschland, Finnland, Großbritannien, Belgien und Spanien sind auch die vier Gewinner des Fotowettbewerbs dabei, den INSOMNIUM anlässlich der Albumvorstellung veranstaltet haben. Zusammen mit Management und Reiseveranstalter machen wir uns in bester Klassenfahrt-Manier zu ca. fünfzehnt auf den Weg raus aus der Stadt und Richtung Koli-Nationalpark, unserer ersten Station. Im Radio läuft natürlich Metal. Eines fällt jedoch auf: wo sind INSOMNIUM?! Wie wir bald erfahren, müssen wir diese erst einsammeln. Mitten im Nirgendwo stehen sie dann plötzlich am Straßenrand, wie bestellt und (noch) nicht abgeholt.

Insomnium steigen zu – dann kann die Party ja steigen.

Nach dem festen Einstieg des langjährigen Live-Gitarristen Jani Liimatainen nun zu fünft, steigen INSOMNIUM beladen mit Bier zu uns in den Bus und wackeln brav für eine Begrüßungsrunde durch den Gang. Nun kann es also so richtig losgehen. Da während des ganzen Tages aber vor allem an unser leibliches Wohl gedacht wurde, geht es zuerst Richtung Mittagessen. Dieses gibt es im putzigen Gästehaus Kolin Keidas (zu Deutsch Koli-Oase), das auf der Mattila-Farm mitten im Nationalpark liegt und neben dem Haupthaus aus einer alten Scheune und einem Plumpsklo besteht. Ein sehr unbeeindruckter Hund und ein paar Hühner runden die rustikale Erfahrung ab. Nachdem wir unsere Schuhe vor der Tür abgestellt haben, erhalten wir im Inneren ein wirklich leckeres, traditionelles Essen, das uns ausreichend für die bevorstehende Wanderung stärkt. Dazu gibt es Geistergeschichten über die Spukhaus-Vergangenheit des Anwesens.

Insonnenblumium, Pardon, Insomnium sind (von links): Ville Friman, Jani Liimatainen, Markus Hirvonen, Niilo Sevänen, Markus Vanhala.

Der erste (und buchstäbliche) Höhepunkt des Tages eröffnet sich uns, nachdem wir ein Stück weitergefahren sind und auf dem höchsten Punkt entlang der steilen Klippen des Pielinen-Sees stehen. Dieser ist mit fast 900 Quadratkilometern einer der größten Seen Finnlands und hat je nach Quelle ca. 1500 bis 2000 Inseln. Hier haben INSOMNIUM ein Video zu einem noch unveröffentlichten Song gedreht. Nachdem sich jeder mal auf den Original-Felsen stellen durfte, folgt eine kleine Fotosession mit der Band, die mal ernster und mal weniger ernst für die Kameras post und sich dabei nicht vom immer wieder einsetzenden Regen aus der Ruhe bringen lässt. Mit ein paar IMMORTAL-Fotos endet die improvisierte Fotosession und es geht langsam wieder ins Tal. Ohne Fotos wären es übrigens rund 15 Minuten Fußweg gewesen.

Insomnium nicht so ernsthaft.

Was macht man mit einem Haufen Leute, die sich erst einige Stunden kennen? Genau, man lässt sie sich halb nackig machen. Hier ist aber keine böse Absicht am Werk. Neben zahlreicher Outdoor-Aktivitäten bietet der Koli-Nationalpark nämlich auch ein Spa, in dem wir bereits angemeldet sind. Alle, die die Infomail des Managements aufmerksam gelesen haben, haben auch ihre Badehose dabei. Die anderen erhalten eine an der Rezeption. INSOMNIUM sind natürlich bestens vorbereitet und scheinen ihre Schwimmbuxen zu einem Statement machen zu wollen. Vor allem Markus Vanhalas KISS-Höschen im Radlerhosen-Stil, das er zudem ausgiebig mit Gepose zur Schau stellt, ist ein Hingucker und kassiert reichlich neidische Blicke und anerkennendes Nicken.

Während es einige zuerst in die Sauna (natürlich die heißeste) zieht, beschlagnahmt der Rest von uns die im Außenbereich befindlichen Hot Tubs. Dort werden die Sektflaschen geköpft, die es beim Check-in dazu gab. Mit einem atemberaubenden Blick über den See und auf Russland am Horizont wird über so einiges sinniert. Unter anderem wird es politisch, denn gerade die Nähe zu Russland bringt Finnland ökonomisch und politisch in eine Zwickmühle zwischen Ost- und Westorientierung. Auch der Brexit ist ein Thema, das vor allem für Gitarrist Ville Friman relevant ist, denn der forscht und lehrt an der University of York. Die Kollegen vom britischem Metal Hammer haben zu dem Thema natürlich auch einiges beizutragen.

Galerie mit 25 Bildern: Insomnium - "Heart Like A Grave" Listening Session in Finnland

Die Saunakultur wollen wir uns aber natürlich auch ansehen, und so sitzen wir wenig später bei rund 80° Celsius zusammen und quetschen INSOMNIUM über die Traditionen ihres Heimatlandes aus. Ob es denn stimme, dass man in der Sauna nicht reden soll, fragt ein Kollege. Fronter Niilo Sevänen verneint und erklärt – während er einen weiteren Aufguss macht und für ordentlich „löyly“ sorgt – „die Sauna ist der einzige Ort, an dem finnische Männer über ihre Gefühle sprechen“. So ein wenig kommt nun also doch die angekündigte Düsternis durch, denn er sagt es ohne erkennbares Augenzwinkern oder Anzeichen von Sarkasmus. Betretenes Schweigen unsererseits.

Doch da steht unser Reiseleiter schon vor der Glastür und tippt sich ungeduldig auf die Uhr. Wir haben schließlich einen engen Zeitplan und sollten zum Dinner vorzugsweise angezogen erscheinen. Ein finnischer Kollege kippt zum Abschluss den ganzen Bottich über den Steinen aus und sorgt damit kurz für Atemnot und für die dringend angebrachte Aufbruchsstimmung. Wieder salonfähig begeben wir uns in das dem Spa angeschlossene Restaurant. Anschließend machen wir uns auf den Rückweg und steuern dem eigentlichen Grund unseres Besuches entgegen. Es geht – mit einem kurzen Zwischenstopp an der Tanke, zwecks Bierkaufs – ins Studio, wo das neue INSOMNIUM-Album „Heart Like A Grave“ auf uns wartet.

SF Sound Studio Außenansicht.

Wir werden am gleichen Feldweg rausgeschmissen, wo wir INSOMNIUM zuvor eingesammelt haben. Ein kurzer Marsch durch den Wald bringt uns auf eine große Lichtung, die das Gelände des SF Sound Studios darstellt. Hier hat sich Eigentümer Kimmo sehr hübsch eingerichtet. Das Studiogebäude ist komplett als solches konstruiert und hat auf dem weitläufigen Grundstück zudem eine Blockhütten-Sauna, einen Grillplatz mit Hot Tub und ein Trampolin. Letzteres haben wir leider nicht ausprobiert, doch in den Genuss der anderen Einrichtungen sollten wir an diesem Abend noch kommen. Nach unserer Ankunft versammeln wir uns aber zuerst im Kontrollraum des Studios, wo INSOMNIUM eine Runde Salmiakki-Wodka (der Gute von Koskenkorva) austeilen und endlich das heiß ersehnte „Heart Like A Grave“ auflegen. Einige Eindrücke davon gibt es bereits hier, ins Detail werden wir in unserer Review gehen (folgt).

Der Kontrollraum im SF Sound Studio.

Als der Opener „Wail Of The North“ beginnt, sinken alle Blicke andächtig auf das für Notizen bereitgelegte Papier oder gehen konzentriert ins Leere. Das Stück beginnt mit einem ruhigen Intro und kommt in seiner Gänze ohne wirklich rasante Stellen aus. Das darauffolgende, bereits als Single ausgekoppelte „Valediction“ legt dagegen einen Zahn zu. Der auf „Heart Like A Grave“ nur sehr sparsam vertretene Klargesang führt hier durch einen Großteil des Stücks, das gegen Ende mit einem an „The Primeval Dark“ erinnernden Part stark punktet. Emotional wird es sowohl bei „Neverlast“ als auch bei „Pale Morning Star“, was – wie könnte es auch anders sein – hauptsächlich den sehnsüchtigen Melodien geschuldet ist. „And Bells They Toll“ steht dem in nichts nach und ist ein gutes Beispiel für den Einsatz eines Elements, das INSOMNIUM auf diesem Album sehr oft verwenden: Die Akustikgitarre.

Im Laufe des Albums verziehen sich die INSOMNIUM-Jungs nach draußen in den Hauptraum. Dort läuft das Teil auch, und außerdem kennen sie es ja auch schon. Unter den wachsamen Augen der Musiker dem neuen Werk zu lauschen und Notizen zu machen, ist aber auch jedes Mal aufs Neue merkwürdig, was die Band sicher ähnlich sehen dürfte. Die zweite Hälfte von „Heart Like A Grave“ bietet mit „The Offering“ einen sehr eingängigen Song und mit „Mute Is My Sorrow“ einen, dessen Rhythmus und Flow sich nicht so leicht erschließen. „Twilight Trails“ wirkt fast ein wenig black-deathig angehaucht, der Titelsong „Heart Like A Grave“ dagegen wieder sehr viel ruhiger. Mit dem Instrumental „Karelia“, dessen Intro man aus dem ersten Albumteaser kennt, geht die Scheibe nach einer guten Stunde gewohnt melodisch, gefühlvoll und auch ein wenig verträumt zu Ende.

Insomnium – Heart Like A Grave Cover

Eigentlich noch total geplättet vom Album, muss man viel zu schnell wieder mit der Realität klarkommen. Glücklicherweise ist das aber eine sehr angenehme. Bis zum Interviewtermin ist noch Zeit, also ab in die Sauna. Diesmal in die urige, selbst gezimmerte Variante in der Blockhütte, vorbei am Froschteich. Auch hier erweisen sich 80° Celsius als die Wahltemperatur. Vor der Tür liegt zudem ein 12° kalter Fluss, in dem man sich nach dem Saunagang abkühlen kann. Das kostet zwar ein wenig Überwindung, aber spätestens nach dem ersten Umrunden der Boje fragt man sich, wie man eigentlich bisher ohne dieses Erlebnis existiert hat.

Die drei Bestgekleideten: Jani Liimatainen (l) und Markus Vanhala in ihren Lieblingshemden, metal.de-Autorin Angela im metal.de-Shirt.

Für unser INSOMNIUM-Interview geht es später in die Küche des Studios. Vielleicht ist das der Grund, wieso die beiden Markusse und Jani trotz ernster Fragen am Ende nur noch über Currywurst reden können. Nachdem mit den Interviews der offizielle Teil des Abends vorbei ist, klingt dieser gemütlich mit Sauna, Hot Tub und geselligem Beisammensein aus. Beim Sauna-Fotoshoot, den der britische Metal Hammer veranstaltet, fallen bei INSOMNIUM dann auch die letzten Hüllen. Jemand wirft den Grill an und es gibt einige weitere Leckereien. Aus der Gruppe, die sich zum Großteil an diesem Vormittag erst kennengelernt hat, ist eine eingeschworene Gemeinschaft geworden.

Insomnium-Gitarrist Ville Friman, EMP-Kollege Jan und metal.de-Autorin Angela auf dem Rückflug.

Gemeinsam wird deshalb auch zusammengeräumt, als es gegen 2:00 Uhr nachts Zeit wird, den Rückweg zum Hotel anzutreten. INSOMNIUM wohnen ein paar Tage im Studio und bleiben dort zurück, nur Ville fährt mit in die Stadt, denn er fliegt morgen mit uns zurück nach Helsinki. Die Küche, die trotz unserer besten Bemühungen einem Schlachtfeld gleicht, dürfen dann morgen wohl die Jungs aufräumen. Doch so ist das nun einmal, wenn man Leute zu sich nach Hause einlädt.

Nicht verpassen: Die von metal.de präsentierte INSOMNIUM „Tour Like A Grave“ mit THE BLACK DAHLIA MURDER und STAM1NA.

Quelle: Insomnium, Century Media
02.09.2019

headbanging herbivore with a camera

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