Moonspell
Eine subjektive Biografie

Special

Sänger und Songschreiber Fernando Ribeiro bezeichnete MOONSPELL in einem Interview einmal als „(eines der Mittel, um) die Leute wissen zu lassen, dass es keinen Gott neben dem Menschen gibt.“ Poetisch? Ja. Philosophisch? Vielleicht. Dabei wirken Musik und Lyrics auf gewisse Weise wie die verbotene Frucht: erfrischend rein mit einer Ahnung süsser Bitternis und dunkelschwerer Sinnlichkeit – verlockend und verführerisch. Natürlich ist sich die Band ihrem mediterranen Charme bewusst und kokettiert diesbezüglich mit harten Riffs und schwerer Düsternis mit einem Genre, zu deren Mitbegründer die Portugiesen unbedingt zu zählen sind. Nachfolgend für euch eine Biografie, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, da der Text rein subjektiver Natur ist und meinem persönlichen Empfinden entspricht. Doch als Fan bin ich mir sicher, werden einige von euch garantiert Ähnlichkeiten feststellen können.

Während „Anno Satanae“ (1993) noch fest im Black Metal norwegischer Prägung verankert liegt, strotzt bereits „Under The Moonspell“ (1994) der nordischen Schroffheit auf schmalem Grad zwischen subtiler Verführungskunst und ungestümer Dunkelheit mit Growls und klarem Gesang, weiblichen Vocals und akustischen Gitarren. Das Wichtigste an dieser Veröffentlichung ist jedoch die unglaublich dichte Atmosphäre, die den Jungs einen Major-Deal sichert.

Als satanische Band reizen MOONSPELL das Klischee voll und ganz aus: erst nach der Veröffentlichung von „Wolfheart“ (1995) legen Sänger Langsuyar Tenebrarum Rex, Bassist Tetragrammaton Tremendae Majestatis, Mantus Iberius Daemonium (Gitarre), Tanngrisnir Imperator Ignis (Gitarre), Keyboarder Passionis und Nisroth De Occulta Fraternitatis an den Drums ihre Black-Metal-Identitäten ab. „Wolfheart“, ein Album zwischen Alptraum, Tanz und Aggression, katapultiert die Band schnell an die Spitze der aufkeimenden Gothic- und Dark-Metal-Szene und auch heute noch gehört ein Song wie „Vampiria“ zu den bedeutendsten Klassikern der portugiesischen Vorzeigeband Nummer Eins. Nach einer Tour mit TIAMAT und MORBID ANGEL dreht sich das Besetzungskarussel und die beiden Gitarristen werden durch Ricardo Amorim ersetzt, der seinen Job mehr als nur adäquat erledigt.

Mit „Irreligious“ (1996), auf dem sich alle Eigenschaften von „Wolfheart“ zu einem Höhepunkt tiefster Emotionalität verdichten und mit Songs wie „Opium“ – der auch als Video auf MTVIVA gespielt wird, bis ein paar Schnarchnasen auf die Idee kommen, der Song könnte in irgendeiner Art und Weise Drogenkonsum verherrlichen und damit auf sämtlichen Fernsehsendern in Deutschland ein Sendeverbot erwirken – „Mephisto“ und „Full Moon Madness“, die Live in keiner Setlist fehlen dürfen, erzielen MOONSPELL den bisher größten Erfolg. Das verschafft der Band den endgültigen Durchbruch.

Anstatt auf dem sicheren Erfolgspfad zu wandeln, führt MOONSPELLs rastlose Kreativität in eine Phase der Suche. Die Band verbringt viele Stunden im Studio und veröffentlicht mit „Sin/Pecado“ (1998) ein Album, das man fast als seltsam verhalten und dunkel bezeichnen kann und viele Fans verschreckt. Doch obwohl ich Songs wie „Magdalene“, „Mute“ und „Dekadance“ immer wieder gern höre, ist dieser Longplayer deutlich der schwächste ihrer Karriere.

Zu alter Stärke schaffen es MOONSPELL auch mit „The Butterfly Effect“ (1999) nicht: das Album fällt durch brachial-elektronische Experimente auf und stößt erneut alle Fans der ersten Stunden vor den Kopf, so dass sich einige Leute verarscht vorkommen und der Band letztendlich den Rücken kehren. Dabei ist dieses Album härter und rockiger als der Vorgänger, andererseits jedoch sehr viel schwerer verdaulich. Rückblickend haben MOONSPELL mit diesem Album zwar kein Meisterwerk, wohl aber sehr interessantes und vor allem innovatives Material abgeliefert, denn hier verknüpft das Fünftett aus Lissabon modernen Metal und dessen gotische Schlagseite mit Electrosounds, die an amerikanische Erfolgscombos der Marke NINE INCH NAILS („Lustmord“) oder FEAR FACTORY („I Am The Eternal Spectator“) erinnern.

Der verheißungsvolle Titel „Darkness And Hope“ (2001) läutet für MOONSPELL schließlich eine Wiedergeburt ein. Man konzentriert sich wieder mehr auf die Gothic-Seite und entdeckt erneut die Leidenschaft. Zum ersten Mal produziert die Band unter der Ägide von Hiili Hiilesmaa (SENTENCED, HIM) in den Finnvox Studios im finnischen Helsinki. Das Resultat ist ein erweitertes, atmosphärisches Klangbild, welches die emotionalen Stärken der Portugiesen erneut voll zur Entfaltung bringt.

Für „The Antidote“ (2003) greifen MOONSPELL für die Vorproduktion im heimischen Inferno Studio auf die Dienste ihres alten Produzenten Waldemar Sorychta zurück, der alle Alben von „Wolfheart“ bis „Sin/Pecado“ betreute. Und so finden sich auf diesem Album erneut heftige Ausbrüche von harschem Ungestüm wie bei „In And Above Men“ oder „The Southern Deathstyle“, die fast verloren schienen. Für die Aufnahmen geht es jedoch erneut zu Hiili Hiilesmaa in die Finnvox Studios, was den phänomenalen Klang atmosphärischer Songs vom Schlage des Single- und Videotracks „Everything Invaded“, „Lunar Still“ oder der Gänsehaut-Nummer „Capricorn At Her Feet“ ausmachen dürfte. Der lange Reifungsprozess, den MOONSPELL trotz ihrem kontinuierlichen Ausstoß neuer Alben ebenso erlebten wie erlitten, äußert sich in der üppigen Detailfülle und den dynamischen Spannungsbögen, welche „The Antidote“ durchziehen. Fernando Ribeiros Gesang zieht inzwischen jedes Register seiner Ausdruckskraft, von geflüsterter Furcht oder schwerer Melancholie bis zu krasser Härte. Mit der Einführung einer neuen, südländisch-tänzerischen Rhythmik erschließt Schlagzeuger Miguel „Mike“ Gaspar den Portugiesen letztendlich ein weiteres unverwechselbares Markenzeichen: Tribal-Drums. Dazu liefert die Saitenfraktion die jeweils nötige Untermalung zwischen akustischer Zartheit und tödlichem Tosen, von Hiili transparent in Szene gesetzt. Damit gehört „The Antidote“ definitiv zu den besten und wirkungsvollsten Alben MOONSPELLs.

Mit „Memorial“ (2006) feiern MOONSPELL ein großes Comeback. Wie für „Wolfheart“ geht es für die Aufnahmen diesmal wieder nach Hagen, während Waldemar Sorychta auch einige Male nach Portugal kommt, um mit den Jungs im heimischen Studio an Songs zu arbeiten. „Memorial“ schafft es schließlich, alte als auch neue Fans zu vereinen und überrascht all jene die meinen, dass MOONSPELL zu goth oder zu poppig geworden sind.

Nach einem Album wie „Memorial“ ist „Under Satanae“ (2007) ein logischer Schritt zurück in die Zukunft. Denn mit diesem Werk besinnen sich MOONSPELL mit atmosphärisch extrem dichten, von Tue Madsen in den dänischen Antfarm Studios druckvoll produzierten Neuaufnahmen der Songs von „Anno Satanae“, „Under The Moonspell“ und dem Track „Serpent Angel“ aus alten MORBID GOD-Zeiten auf ihre Wurzeln und ebnen so den Weg für „Night Eternal“ (2008), auf dem sich Sänger Langsuyar (Fernando Ribeiro), Drummer Nisroth (Miguel „Mike“ Gaspar), Gitarrist Morning Blade (Ricardo Amorim), Keyboarder Passionis (Pedro Paixao) und Bassist Ahriman (Aires Pereira) in überragender, zu keiner Zeit besseren Form offenbaren, endlich wieder Gänsehaut verursachen und somit auch letzte Zweifler Lügen strafen.

„I am the moment, the soul
The moment that ends it all
I am the second, the will
The serpent, the one you last recall“

– Memento Mori / „Memorial“ (2006)

 

03.05.2008
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