Protector
Interview mit Martin Missy

Interview

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Die Achtziger haben PROTECTOR veröffentlichungstechnisch erst in der zweiten Hälfte miterlebt. Nach den im Underground zu Recht gefeierten Platten “Golem” und “Urm The Mad” verließ Sänger Martin Missy die Band, was PROTECTOR zurück warf und ihnen den (durchaus möglichen) Durchbruch verwehrte. Die Band veröffentlichte bis 1993 noch zwei Qualitativ sehr gute Longplayer, konnte aber nicht an die Erfolge der großen deutschen Thrash-Bands anschließen. Nach dem endgültigen Split 2003 keimte im Laufe der Jahre in Ursänger Martin die Idee PROTECTOR wieder zu beleben. Zunächst als Coverband seiner eigenen Musik (MARTIN MISSY AND THE PROTECTORS), entschloss man sich doch relativ schnell unter dem einstigen Banner wieder Musik zu machen. Das Ergebnis hört auf den Namen “Reanimated Homunculus” und konnte allerorts gute Kritiken einfahren. Martin selbst ist ein angenehmer Gesprächspartner der sich im Interview sowohl optimistisch, als auch selbstkritisch gibt. Dass ihm die neue Platte sehr gut gefällt, steht da außer Frage.

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Ja, ich persönlich bin sehr zufrieden mit dem neuen Album. Nicht nur, weil PROTECTOR wieder da sind, sondern auch, weil ich zu diesem Album zum ersten Mal in meiner Karriere zwei Stücke beisteuern konnte. Den Großteil der Riffs und Songstrukturen haben aber die Jungs aus der Band geschrieben und ich habe die Texte hinzugefügt. Unser primäres Ziel war es ein Album zu veröffentlichen, dass zwar old-schoolig, trotzdem nicht nach anderen Bands klingt. Die Vorgabe war es, ein Album zu veröffentlichen, dass auch die ursprünglichen PROTECTOR möglich gewesen wäre. Anders hätte es auch nicht funktionieren können. Wer will schon Keyboards oder New-Metal-Sounds auf einer PROTECTOR-Platte hören?

Vermutlich niemand. Ich finde eure Platte ebenfalls sehr gelungen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass der moderne Drumsound – Stichwort Trigger – konträr zu den Old-School-Riffs steht und nicht so recht passen will.

Puh, ich war bei den Drumrecordings lediglich beim letzten Song im Studio, weil es recht weit von meinem Wohnort entfernt ist. Ich glaube aber schon, dass unser Drummer mit Trigger gearbeitet hat.

Meiner Meinung nach macht der Drumsound so den guten Gesamteindruck der Platte und das schöne Old-School-Flair an der Stelle ein wenig kaputt und klingt etwas zu modern.

Hmm…ja. Jetzt, wo du es sagst, mag das wohl stimmen. Wobei ich aber gestehen muss, dass ich nicht unbedingt ein Spezialist für Sounds bin. Mir ist eher wichtig, wie sich die Riffs anhören. Es gibt eine Menge Produktionen aus den Achtzigern, die klingen, als hätte man sie in einer Höhle aufgenommen, weil da sehr viel Hall verwendet wurde. Wenn die Riffs trotzdem genial sind, macht einem das beim Hören nichts aus. SODOMs “Obssessed By Cruelty” ist ein gutes Beispiel hierfür. Die hatte teilweise einen ganz seltsamen Sound. Ich kann aber nachvollziehen, wenn Leute wie du, die sich auch mit Sounds auseinander setzen, einen solchen Eindruck gewinnen.

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Die Achtziger sind ein gutes Stichwort. Ich finde, dass “Reanimated Homunculus” ein gelungener Brückenschlag in deine Vergangenheit mit PROTECTOR geworden ist. Du hast ja nur die Hälfte der Alben eingesungen. Geht der stilistische Kurs auf deine Kappe oder wollten sich die anderen Jungs in Richtung “Golem” bewegen?

Das ist schwer zu sagen. Da muss ich kurz überlegen. Wir haben 2006 als Coverband (MARTIN MISSY AND THE PROTECTORS – cb) angefangen und zunächst die alten Songs quer durch Europa gespielt. Den Namen PROTECTOR wollten wir nicht direkt für uns beanspruchen. Irgendwann war der Wusch eigene Songs zu schreiben aber zu groß. Zu dem Zeitpunkt haben wir uns entschlossen unter dem alten Banner zu firmieren. Vorher habe ich mich noch mit Hansi (Müller, Gründungsmitglied von PROTECTOR – cb) kurz geschlossen und ich gefragt, was er von der Idee hält. Er fand die Idee unter dem alten Bandnamen wieder etwas zu machen super. So stand uns im Prinzip nichts mehr im Weg. Wir haben später beim Songwriting, vielleicht sogar nur unterbewusst, schon grob in die Richtung gearbeitet. Das neue Album sollte wie PROTECTOR klingen und nicht in die Black- oder Death-Metal-Ecke abdriften.

Wie schnell hattet ihr anschließend das Material für das neue Album fertig?

2011 haben wir ein erstes Demo aufgenommen und eigentlich gar nicht sofort an eine neue Platte gedacht. Nach zwei Splits (mit ERAZOR und UNGOD – cb) war das Feuer aber gelegt und wir wollten unbedingt eine neue Scheibe machen. Das muss so 2012 gewesen sein.

Was war es für dich für ein Gefühl nach so langer Zeit wieder unter dem Namen PROTECTOR ein Album aufzunehmen?

Ich finde es klasse noch einmal die Chance zu bekommen ein PROTECTOR-Album aufzunehmen. Hätte mir das jemand in den Neunzigern gesagt, hätte ich ihn für komplett verrückt gehalten. Vor allem nicht, nachdem die Band 2003 endgültig aufgelöst wurde. Von daher freut es mich unglaublich, dass es nun doch geklappt hat und ich das noch einmal machen darf. Auf der anderen Seite schwingen hier auch gemischte Gefühle mit, denn man weiß im Vorfeld ja nie, wie die Fans eine neue Scheibe aufnehmen werden. In unserem Fall kommt noch hinzu, dass ich das einzige Originalmitglied bin und wir nicht wissen, ob die Fans die Band auch in der Konstellation akzeptieren. Deshalb bin ich auch etwas nervös, was den Release angeht. Ansonsten finde ich es aber genial, dass die Band wieder existiert, weil auch die Jungs total gut drauf sind. Man hat das Gefühl, als holte man sich ein Stück Achtziger wieder zurück.

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Mit High Roller Records habt ihr euch eine sehr fähige Plattenfirma ausgesucht. Was versprichst du dir von dem Deal?

Wir haben von vornherein nicht auf Gedeih und Verderb versucht bei einem Major unter zu kommen, weshalb wir auch gar nicht viele Demos verschickt haben. Uns war wichtig bei einer Firma zu unterschreiben, die im Mittelfeld steht und gute Arbeit leistet. Den Tipp, mal bei High Roller Records anzuklopfen, haben wir von Tormentor (DESASTER-Drummer – cb) bekommen. Letztlich hat sich dieser Tipp als goldrichtig erwiesen, da wir sofort intensiven Kontakt mit dem Label hatten und auch von deren Ideen bezüglich einer Veröffentlichung begeistert waren. Das hat es uns sehr einfach gemacht bei High Roller Records zu unterschreiben.

Siehst du es auch als Teil der Wertschätzung von Seiten der Plattenfirma PROTECTOR gegenüber, dass sie euch ein Necrolord-Cover spendiert haben? Kristian Wåhlin ist bekanntlich ein gefragter Künstler in der Szene und wird nicht ganz billig gewesen sein.

Die Idee, von Kristian das Cover zeichnen zu lassen, kam von uns. Ebenso wie der Vorschlag die Platte von Tomas Skogsberg produzieren zu lassen. High Roller haben beiden Vorschlägen sofort zugestimmt, was ich total super fand. Die geben sich wirklich Mühe mit der Band. Ich kenne auch die andere Seite der Medaille und weiß, wie schwer es ist mit einer Undergroundband auf Demo-Niveau einen Plattenvertrag an Land zu ziehen. Da heißt es in solchen Kontrakten dann meist, dass die Band Studioaufnahmen und das Cover selbst bezahlen muss. Da ist die Situation mit PROTECTOR dann doch eine andere.

Das stimmt wohl. Viel Geld werdet ihr mit PROTECTOR schätzungsweise aber trotzdem nicht verdienen, obwohl sich viele Fans die Reunion gewünscht haben.

Nein, wahrscheinlich nicht. Da machen wir uns aber auch keine Illusionen. Dass man durch Musik leben kann, ist heute schwerer als früher. Ich denke, dass es Beispiele wie METALLICA,  die mit ihrer Musik Millionen verdient haben, heute nicht mehr gibt. Wir machen das Ganze, weil wir Spaß daran haben.

Touren sind im Zeitalter der rückläufigen CD-Verkäufe bei vielen Bands mehr denn je ein wichtiges Standbein geworden. Wie haltet ihr es mit Gigs? Wollt ihr “Reanimated Homunculus” mit einer Tour supporten oder lieber Einzelgigs?

Wir tendieren eher zu Letzterem. Wie gesagt, ziehen wir das Ganze hobbymäßig auf und  in dem Fall müssen wir Konzerte natürlich mit unseren Berufen und Familien in Einklang bringen. Wenn wir einen Vertrag bei einem großen Label wie Nuclear Blast oder Century Media unterzeichnet hätten, sähe die Sache vermutlich anders aus. Wir fokussieren uns lieber auf einzelne Konzerte, denn das Problem ist, dass ich nicht fliege und wir so immer mit dem Auto oder der Bahn nach Deutschland zu den Konzerten reisen müssten. Das wäre ein zu großer Aufwand von Stockholm aus gesehen. Es ist aber nicht so, dass wir Gigs gegenüber generell abgeneigt wären. Wir haben schon auf dem “Way Of Darkness”-Festival gespielt oder auch beim “Chris Witchhunter Tribute”-Konzert mitgemacht. Das waren beides schon recht große Geschichten. Ein Traum wäre es, einmal auf dem “Rock Hard Festival” oder dem “Party San Open Air” zu spielen. Mehr als drei, vier Gigs außerhalb von Skandinavien zu spielen wird aber sehr schwer. Wie erwähnt, müssen wir dafür aber ziemlich viele Dinge unter einen Hut bekommen.

In einem Interview hast du gesagt, dass du während deiner ersten Amtszeit bei PROTECTOR mit der Band nur 13 Konzerte gespielt hast. Würdest du sagen, dass das auch mit ein Grund dafür ist, warum PROTECTOR in den späten Achtzigern nicht richtig durchstarten konnten?

Das ist bestimmt mit ein Grund dafür, klar. Allerdings muss ich dazu sagen, dass die Jungs nach meinem Ausstieg in Bezug auf Touren nachgelegt haben. Sie waren damals u.a. mit KREATOR, WEHRMACHT und NAPALM DEATH unterwegs. Als ich in der Band war, mussten wir alles alleine organisieren. Support von der Plattenfirma gab es da keinen und wir konnten nicht mal eben via E-Mail Gigs absprechen. Das ging alles per Post oder über viele Telefonate. Heute ist es wesentlich einfacher Konzerte zu buchen und zu spielen.

Ich glaube aber, um auf deine Frage zurück zu kommen, der Grund warum wir vielleicht nicht so bekannt wie die großen Vier des deutschen Thrash wurden, lag wahrscheinlich auch darin, dass wir unser erstes Demo erst 1986 veröffentlicht haben. Das Debütalbum kam ein Jahr später. Das war der Zeitpunkt, als aus jeder Ecke eine Thrash-Band auf den Markt drängte und eine erste Übersättigung stattfand. Auch unser Ruf, eine der extremsten Combos in dem Bereich zu sein, hat uns nicht wirklich geholfen, da wir für viele Leute einfach zu extrem waren durch die Einflüsse aus dem Death-Metal-Bereich. Vielleicht hätte die Sache anders ausgesehen, wenn wir mit unserem Demo schon 1984 am Start gewesen wären und mehr Gigs gespielt hätten. Im Nachhinein ist das aber sehr schwer zu beurteilen.

Also ein ganz klares ‘vielleicht’…

Ja, ein ganz klares ‘vielleicht’. Die Ausführung bis dahin hat zwar zehn Minuten gedauert, aber wir schließen die Frage mit einem ganz klaren ‘vielleicht’ ab (lacht).

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Würdest du eigentlich der These zustimmen, dass PROTECTOR die unterbewertetste Thrash-Metal-Band Deutschlands sind?

Oje,…(lacht). Da muss ich erst einmal überlegen, wie viele andere Bands mit uns gestartet sind, die vielleicht auch unterbewertet sind. Puh, das ist echt schwer zu sagen.

Ich bin im Netz immer wieder über diesen Satz gestolpert, wenn es um das Thema PROTECTOR ging.

Stimmt, wo du es gerade erwähnst. Das habe ich auch schon häufig in Artikeln, sei es Online oder Print, gelesen. Persönlich finde ich es aber trotzdem schwer, eine passende Antwort auf die Frage zu geben. Es ist ja nicht so, dass die Hallen immer leer sind, wenn wir spielen. Zudem werden wir auf Festivals immer für recht hohe Spielpositionen gebucht. Von daher denke ich schon, dass es einige Leute gibt, die unsere Musik mögen und das schätzen, was wir da tun. Sicher, es ist immer schön noch mehr Fans zu erreichen, aber ich bin mit den Fans die wir haben sehr glücklich, denn sie stehen zu einhundert Prozent hinter der Band. Eigentlich fühle ich mich mit der Band also nicht unterbewertet und genieße die Situation, wie sie ist.

Da du ja tief in den Achtzigern verwurzelt bist, kommt zum Schluss noch die Kardinalfrage: CD oder Vinyl?

Fiese Frage (lacht). Ich muss zugeben, dass ich in den Neunzigern gar keinen Plattenspieler hatte. Einen neuen habe ich mir erst wieder so 2004/2005 zugelegt, um die alten Schätzchen mal wieder zu hören. Vom Sound her fällt die Entscheidung ganz klar pro Vinyl aus. Von der Einfachheit her, liegt die CD vorne, weil sie praktischer ist. Eine leichte Tendenz geht bei mir aber in Richtung der CD, eben weil sie einfacher zu handhaben ist (lacht).

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21.10.2013

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