Accept - Balls To The Wall

Review

Am 05. Dezember 1983 veröffentlichen ACCEPT ihr fünftes Studioalbum „Balls To The Wall“. Vor 40 Jahren waren die Gepflogenheiten andere und mit einem Cover, worüber heute niemand diskutieren würde, konnten Bands bereits anecken. Ein männlicher Unterkörper in kurzer Hose, dazu Songs mit Namen „London Leatherboys“ oder „Love Child“. Die Band muss doch homosexuell sein oder die Texte homosexuelle Menschen betrachten, oder?

Ein Cover, zwei Songs und die Diskussion um Homosexualität

Ein Teil des Erfolgs und der Aufmerksamkeit des Albums in Europa wird durch die kontroverse „Gay-Metal-Diskussion“ erzielt, welche in den USA entbrannt. Später sagt Gitarrist Wolf Hoffmann dazu: „Ihr Amerikaner seid so verklemmt. In Europa war das nie eine große Sache. Wir wollten einfach kontrovers und anders sein und diese heiklen Themen ansprechen, weil es uns eine gute Presse beschert und es hat fabelhaft funktioniert.“

Schlagzeuger Stefan Kaufmann erklärt, dass viele der Themen auf dem Album von unterdrückten Minderheiten im Allgemeinen handeln. Bei „London Leatherboys“ geht es zum Beispiel um Biker, in „Love Child“ geht es um schwule Menschen, welche unterdrückt werden.

Musikalisch ragt der Titeltrack heraus und ist einer der großen Hits von ACCEPT. Inhaltlich behandeln Dirkschneider, Hoffmann und Co. das Thema Menschenrechte. Wer den Song nicht kennt und sich für klassischen Heavy Metal interessiert, sollte diese Bildungslücke umgehend schließen. Als Einstieg in eine LP herausragend, bedeutet aber im Umkehrschluss eine sehr hohe Messlatte für das weitere Material.

„Balls To The Wall“, ein Song für die Ewigkeit

Aber auch hier können ACCEPT direkt nachlegt. Das bereits erwähnte „London Leatherboys“ mit dem Ohrwurmrefrain folgt, ein weiterer Klassiker, aber im Schatten des Titelsongs. Weniger bekannt, aber mehr als nur hörenswert sind „Fight It Back“ und vor allem „Head Over Heels“ mit einem herausragenden Refrain. „Losing More Than You’ve Ever Had” erinnert von den ersten Riffs an “Princess Of The Dawn” und bildet die Brücke zum Vorgänger „Restless And Wild“.

Die B-Seite startet mit „Love Child”, der zweite Song, der in den USA für kontroverse Diskussionen sorgt. Musikalisch gibt es typische ACCEPT-Kost der frühen 80er, welche mit einem einprägsamen Refrain und messerscharfen Riffs zum Headbangen einlädt. Das weitere Material wie „Turn Me On“, „Losers And Winners” oder „Guardian Of The Night” sind allesamt stark und liefern die ACCEPT-Trademarks der 80er Jahre, aber ein zweiter Überflieger wie der Titeltrack ist nicht dabei. Mit dem balladesken „Winter Dreams“ dreht sich “Balls To The Walls” seinem Ende entgegen.

ACCEPT sind oben angekommen

Ein Überflieger, einige Kracher und eine Handvoll starker Nummern. ACCEPT sind mit „Balls To The Wall“ auch von den Verkaufszahlen oben angekommen. Für eine Scheibe, welche in der Vorweihnachtszeit auf den Markt kommt, ist „Winter Dream“ der Marketinggesichtspunkt. Musikalisch fällt die Nummer gegenüber den neun weiteren Tracks auf der Scheibe klar ab und kann als Ausfall verbucht werden.

„Balls To The Wall“ ist das erste Album von ACCEPT, welches in den USA in die Charts kommt (Platz 74), auch in Deutschland schafft die Band den Sprung in die Hitparade (Platz 59). ACCEPT gelingt ein starker „Restless And Wild“-Nachfolger. Die LP gehört zu den goldenen Zeiten der Band, welche jeder Heavy-Metal-Fan im Schrank stehen haben sollte. „Winter Dream“ verhindert das Gleichziehen mit „Restless And Wild“. Wer beim Blick ins Booklet über den Namen Deaffy beim Songwriting stolpert: Gaby Hoffman, die Frau von Wolf Hoffman, agiert unter dem Pseudonym.

„Balls To The Wall“ feiert in wenigen Wochen seinen 40. Geburtstag. Am kommenden Wochenende stehen Udo Dirkschneider und Peter Baltes mit einem ACCEPT-Only-Set beim Keep It True Rising III in Würzburg auf der Bühne. Werden die Herren den anstehenden Geburtstag des Klassikers würdigen?

04.10.2023

Ein Leben ohne Musik ist möglich, jedoch sinnlos

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