Brainstorm - Liquid Monster

Review

Man ist mit richtig Vollstoff auffer linken Autobahnspur, meilenweit kein Verkehr (weder rückwärtig noch davor) nur in rund fünf Kilometern Entfernung ein Lkw ganz rechts. Dahinter ein 45 PS Polo, der auch schön die ganze Zeit hinter dem Brummi klebt… und just in dem Moment, wenn man fast auf gleicher Höhe ist, zieht die dumme Sau im Polo links rüber und bremst einen völlig aus; denn wenn man ihn überholt hätte, würde er ja nie mehr hinter dem Lkw, den er schon 5 Stunden vor sich hat, vorbeikommen.

Oder anders: Man ist gerade so schön beim Vögeln, da ruft irgend so ein verwirrter Vollbluttarzan mittendrin an… oder ein völlig Beschossener klingelt an der Haustür.

Noch anders: Man sitzt entspannt in der heißen Wanne und bekommt den Kälteschock, wenn man drin einpennt.

Oder noch ein bisschen anders, aber noch viel schlimmer: Man zieht sich die nahezu geniale Mucke von Brainstorm rein und kurz bevor der einsetzende Bewegungszwang übermächtig wird und man sich gerade dazu anschickt, das Wohnzimmermobiliar über den Jordan zu schicken, wird die Lautstärke abgedreht und eine bekiffte Stimme kommt mit dem perversen Spruch: „Nu Bränstoam album „liquet monsta“ in stores forss of äbril dusausendfeif.“ Und das auf jedem verdammten Lied (außer dem schon auf der Bandpage „erhältlichen“ Single „All Those Words“).

Vielen Dank auch an die Journailletypen, die die Promos schon vor dem Streetdate ins Netz stellen. Jetzt haben wir die Quittung in Form dieser beschissenen Audio Stamps vor den Latz geknallt bekommen. Tolle Wurst!
Fein, dass ich als „BS“ Fan ohnehin bald drauf das nett aufgemachte Digibook plus die olle Single in den klammen Pfoten halten durfte. Abgesehen davon, dass die Optik bei dem Büchlein ne recht feine ist, ist da auch die „richtige“ Platte drin! Ätsch!
Und was können die Schwaben nun wirklich neben soliden Autos mit hohem Wiederverkaufswert bauen und Spätzle fressen?
Einfache Antwort : den besten Power Metal machen, den man sich in deutschen Landen und weit, weit darüber hinaus geben kann.

„Liquid Monster“ IST der große Wurf, den Andy B. Franck, Herr Ihlenfeld und Co. angestrebt haben. Zunächst scheint die Hitdichte nicht ganz so hoch zu sein, wie auf dem Hammeralbum „Metus Mortis“. Doch das liegt nur daran, dass der Fünfer anno 2005 noch nen Tacken verspielter und vielschichtiger als auf besagter Scheibe und noch experimentierfreudiger zuwerke geht als auf dem bärenstarken „Soul Temptation“. Das flüssije Monster (könnte Bier sein, wie man munkelt) braucht ein, zwei Anläufe, um durchzuzünden, doch dann gibt es kein Halten mehr. Das Songwriting ist noch überzeugender, ausgereifter, gewachsener als auf den beleibe nicht üblen Vorgängern, verbindet noch treffender die großen Stärken der Band, thrashige Härte, knackige Riffs mit einfühlsamer Melodie und erinnerungswürdigen Chören zu kombinieren. So ergeben sich Kleinodien, die aktuelle Priest blass aussehen lassen und zeigen, wohin Blind Guardian sich ihren klebrigen Bombast mal kräftig reinstecken können.

Und auch das Monster hat sie noch : die typischen BS Hymnen, die zu keiner Zeit aufgesetzt und pathetisch wirken. „Painside“ (nur um einen Track mal zu nennen) ist so eine Granate, die zunächst mit charakteristischem Gehirnstürm Riffing aufwartet, um dann wieder einen dieser höchst eingängigen Chöre abzufeuern, den man nach spätestens dem zweiten Durchlauf verinnerlichen und mitträllern kann. Aber auch die Dampframmen kommen nicht zu kurz… so ist mit dem flotten „Despair To Drown“ oder dem vertrackt-schwermütigen „Invisible Enemy“ eine mächtige Attacke auf sämtliche Bangerknochen angesagt.
Und was wären Gehirnstürm ohne ihren begnadeten Andy Franck? Sicher immer noch eine saustarke Powermetaltruppe, aber seien wir ehrlich! Es ist der bekennende Egoshooter-Maniac, der die Songs mit seiner Ausnahmestimme adelt und auf eine ganz besondere Stufe hebt. Neben den furiosen Soli, die allerdings nie zum Selbstzweck verkommen und im Gegensatz zu den alten Langrillen noch überzeugender ausfallen, sorgen vor allem Francks Vocallines für Gänsehaut und manches Mal für ein Tränlein im Augenwinkel. So geschehen auf der Ballade „Heavenly“, die nicht eine Sekunde peinlich wird. Reife Leistung! Auch das kommerzieller ausgerichtete „All Those Words“ (siehe Single) ist schlicht und einfach wunderschön (!!!) geraten.

Einzig das streckenweise für BS Verhältnisse zu geradlinige Drumming (das an anderen Stellen dafür aber auch bestens überzeugen kann) ärgert und vor allem die missratende DVD im Digibook, die die Band albern, besoffen(?!?) und schlafend auf Tour zeigt, hätte man sich sparen können. Da sind Aufnahmen von Kinderkommunionsfeiern erquicklicher.

Aber „Liquid Monster“ ist kurzum gesagt DIE Power Metal Scheibe des Jahres. Punktum!
Was kann jetzt noch kommen?

Achja : Ich weiß jetzt, zu was ihr Schwäblis alles imstande seid. Nur eines könnt ihr zum Verrecken nicht : HOCHDEUTSCH!

15.04.2005
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