Corvus Corax - Gimlie

Review

Seit einer gefühlten Ewigkeit, genauer gesagt seit 24 Jahren, treiben die Berliner CORVUS CORAX in der deutschen Mittelalter-Szene ihr Unwesen. Dieses zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die sieben Jungs eben nicht den aktuellen Trends folgen, sondern immer ihr eigenes Ding machen.

Ähnlich ist das auch mit dem neuen Album „Gimlie“. Während Genre-Kollegen wie IN EXTREMO oder SUBWAY TO SALLY immer mehr Metal-Elemente in ihre Musik aufnehmen und ihre Herkunft aus der mittelalterlichen Marktmusik so mehr und mehr verwässert, bleiben sich die Raben auf ihrer neuen Scheibe treu. Das lässt sich ganz simpel schon daran erkennen, dass die Texte weiterhin auf Latein, Gälisch oder anderen „alten“ Sprachen abgefasst sind, die der moderne Hörer wohl kaum auf Anhieb verstehen dürfte. Dafür fällt es ihm jedoch wesentlich leichter, in die cineastisch anmutenden Klangwelten der 13 Songs abzutauchen, bei denen auch der Gesang häufig als Instrument eingesetzt wird. Mit seiner Hilfe wird eben nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern er trägt auch seinen Teil zum individuellen Sound des jeweiligen Liedes bei.

Inhaltlich kann „Gimlie“ dabei als eine Fortsetzung des Vorgänger-Albums „Sverker“ angesehen werden. Erneut geht es um die nordische Mythologie. Doch wo die Band in der Vergangenheit in düsteren Farben das Weltenende Ragnarök vertonte, sind jetzt deutlich schönere Töne zu hören. Kein Wunder; denn schließlich geht es dieses Mal um das darauf folgende goldene Zeitalter, das eben „Gimlie“ heißt. Dementsprechend ist auch die Musik deutlich fröhlicher, tanzbarer und hat eher einen Marktcharakter; auch wenn natürlich die für die Combo typischen mystisch-dunklen Elemente keinesfalls zu kurz kommen. Sie werden nur eben ergänzt und immer wieder in gute Laune aufgelöst.

Wie gewohnt sind auch die erzählten Geschichten wieder sehr vielschichtig. So finden sich auf dem neuen Langspieler gleich drei Triologien wieder. „Der Schrei“, „Königinnen werden ihr neiden“ und „Derdriu“ beschreiben die Legende der schönsten Frau des nordischen Altertums. Während dieser Stoff dem modernen Menschen eher unbekannt ist, sollte ihm die Legende von Beowulf auch dank zahlreicher Verfilmungen wesentlich geläufiger sein. Diese wird in den Songs „Grendel“, „Béowulf is mín nama“ und „Sigeléasne sang“ beschrieben. Einmalig in der Geschichte des Septetts ist hingegen die Tatsache, dass sich mit einer Verarbeitung von „Twilight Of The Thundergods“ von AMON AMARTH das erste Mal ein Coversong auf eine ihrer Veröffentlichungen geschlichen hat.

Zusammenfassend ist „Gimlie“ also genau das, was alle Fans von einem weiteren CORVUS CORAX Album erwartet haben. Es ist cineastisch, düster und vor allem Mittelalter pur. Dafür ist es jedoch auch sperrig und nicht direkt beim ersten Durchgang zugänglich. Trotzdem dürfte kein Genre-Liebhaber an dieser Scheibe vorbei kommen.

08.11.2013
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