Crematory - Antiserum

Review

Seinerzeit waren „Pray“ mit seiner wunderbaren Melancholie und „Infinity“ echte Knülleralben, auch wenn es, wie es bei CREMATORY eben so üblich zu sein scheint, in der Presse deutlich gegensätzliche Meinungen gab. Dabei kann man diese Polarisierung schon beinahe als Markenzeichen der fünf Musikusse auffassen.

Nun ist also Anno 2014 „Antiserum“ erschienen. Es erwarten den Hörer zehn vollwertige Tracks, die von dem stimmungsvollen Intro „Apocalyptic Vision“ eingeleitet werden. Schon hier tritt die Ausrichtung der Scheibe zu Tage: Es wird deutlich elektronischer, denn CREMATORY haben sich mit „Antiserum“ das Ziel gesetzt eine Art EBM-Metal-Album zu erschaffen.

Tritt dies im ersten richtigen Song „Until The End“ nur am Rande zu Tage – er ist in erster Linie eine typische CREMATORY-Nummer -, so bietet das anschließende „Shadowmaker“ dank der elektronischen Untermalung durchgehend eine hervorragende Tanzbarkeit, die dem Gothic-Disko-Gänger ein freudiges Grinsen bescheren sollte. Auch im Liveeinsatz ist „Shadowmaker“ eine durchaus gelungene Nummer, die der Stimmung auf Konzerten bisher keinen Abbruch getan hat.
„If You Believe“ schaltet den EBM-Gang wieder herunter und beschränkt sich in dieser Hinsicht auf Scratching-Geräusche im Hintergrund, die der Strophe noch einmal zusätzlichen Pep verleihen. Natürlich ist dann „Inside Your Eyes“ wieder gespickt mit Elementen elektronischer Tanzmusik. Auf die Spitze wird das Ganze aber bei „Kommt Näher“ getrieben, welches das Fremdschämbarometer beinahe zum Platzen bringt, denn mit diesem Liedchen befördern CREMATORY ihre deutschsprachigen Peinlichkeiten, die sich auch schon auf vorherigen Alben gefunden haben, in eine neue Liga, die kaum noch zu ertragen ist. Allein Textzeilen wie „Komm jetzt her und tanz mit mir!“ scheinen von jeder deutschen Gothic-Kapelle schon besungen worden zu sein. Diese lyrische Einfallslosigkeit lässt sich aber auch in anderen Stilen unserer heißgeliebten Lieblingsmusik feststellen und soll daher ein nicht allzu großer Negativpunkt für CREMATORY sein.

Die folgenden Stücke „Irony Of Fate“, „Virus“ und „Back From The Dead“ wandeln dann auf denselben Pfaden, die die vorhergegangenen Lieder ausgetreten haben, bleiben aber etwas blass. Einzig ein seltsam an SCOOTER erinnernder Teil in „Virus“ sei eine Erwähnung wert. Da möchte man fast schon zum Jumpstyle ansetzen…

Erfreulicherweise setzen „Welcome“ und „Antiserum“ gegen Ende noch zwei schöne Schlusspunkte, die mit wunderbaren Refrains aufwarten. Besonders das Titelstück ist wieder ein tolles Stück melancholischen Gothic-Metals, der trotz aller seltsamer Fehltritte dem langjährigen CREMATORY-Hörer einen versöhnlichen Abschluss bietet.

Wie soll man nun dieses Album einer der dienstältesten Gothic-Veteranen Deutschlands einordnen? Zum einen bietet es unverkennbare CREMATORY-Merkmale, wie die tiefe und etwas behäbige Strophenarbeit von Frontgrunzer Felix, sowie das klare Organ des Gitarristen Matthias, welcher bei jedem Album aufs Neue tiefsinnige Momente zu setzen weiß. Zum anderen folgt das Album einer unverkennbar elektronischen Ausrichtung, die mal mehr und mal weniger zum Tragen kommt. Dies ist zwar nicht gänzlich neu, da CREMATORY auch schon in früheren Zeiten einmal in Richtung Düstertanztempel geschielt haben, wurde aber vorher nicht in dieser Vehemenz betrieben, wie es nun der Fall ist. Dabei haben die Musiker die Stilelemente des EBM größtenteils gekonnt in ihren typischen Sound eingebunden.

Auf was es aber letzten Endes ankommt sind die Songs. Hiervon gibt es auf „Antiserum“ sehr Gelungene, wie „Antiserum“ oder „Shadowmaker“, sowie weniger Gelungene, wie etwa „Kommt Näher“. Das Liedgut dazwischen bietet größtenteils durchschnittliche CREMATORY-Kost. Beim Hören fällt auf, dass deutlich Weniger hängen bleibt, als bei den Vorgängeralben. Boten „Pray“ und „Infinity“ noch wunderbare Klanglandschaften, in die man nur allzu gerne eintauchte, so rauscht „Antiserum“ leider sehr zügig an einem vorbei.

21.02.2014
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