Cult Of Luna - Vertikal

Review

Bei manchen Band mag man bei beinahe viereinhalb  Jahren ohne volles Album von einer langen Dürreperiode sprechen können, doch bei CULT OF LUNA wäre das recht anmaßend. Zum einen sind die Schweden in dieser Zeit eine ganze Menge getourt, zum anderen haben sie mit „Eviga Riket“ (2010) ein Hörbuch sowie eine Live-DVD als  Überbrückung auf ihren letzten Hochkaräter „Eternal Kingdom“ folgen lassen. Zwar ist in der Zwischenzeit die Beliebtheit des Post Metals enorm gestiegen, doch CULT OF LUNA gelten bei vielen Newcomern als Referenz, und der Zenit des eigenen Schaffens (den Zenit des eigenen Schaffens gibt es immer nur einmal) ist bei weitem nicht in Sicht. Das beweist „Vertikal“ absolut eindrucksvoll!

Bereits in den ersten Sekunden des Openers „I: The Weapon“ zeigen die Schweden, dass sich jede Minute der Wartezeit mehr als gelohnt hat. Erneut setzen die tonnenschweren Gitarren mächtige Akzente, die mal ebenso kräftig tönenden, dann wieder fast schwebenden Synthies wirken unterstützend, und die immer wieder aufkommenden, ruhigen, melancholischen Momente sind zum Niederknien bestechend. Was schon der Opener aufzeigt, findet sich immer wieder auf „Vertikal“, auch seltene, aber deshalb nicht weniger betörende Clean Vocals (neben den energetischen, leicht heiseren Brülleinlagen) finden ihren Platz. CULT OF LUNA zeigen, wie wunderbar Kontraste harmonieren können, wie rasant und doch fließend die Stimmung immer wieder umschlagen kann. Wie finstere, plättende Gitarrenwände sich unbeugsam auftürmen und dann beinahe sanft in einem zerbrechlichen melodischen Part münden, dessen Intensität von innen heraus zerfrisst. Immer wieder bauen sich die Songs auf, gestalten sich dynamisch, dramatisch und absolut mitreißend.

Einzelne Highlights auszumachen ist schwer, da „Vertikal“ in sich völlig geschlossen und abgerundet ist. Ein meist stampfender Rhythmus stellt die Grundlage, auf der sich ein pulsierendes musikalisches Leben abspielt, das atmet, variiert und mit vielen Nuancen ein beeindruckendes Erlebnis bildet. Natürlich ist das kein leicht verdauliches, schnell ins Ohr gehendes Machwerk, das auf kurzfristige Unterhaltung setzt. Für „Vertikal“ braucht es Konzentration, um es in seinem vollen Umfang zu erfassen, wenngleich es schon oberflächlich extrem mächtig wirkt. Doch Feinheiten wie z.B. im eher beklemmenden „Mute Departure“ könnten ohne die nötige Aufmerksamkeit schnell überhört werden – dabei sind sie die Essenz des Album. Einen absoluten Glanzpunkt setzt aber der sich langsam entfaltende, immer weiter steigernde, fast zwanzigminütige Koloss „Vicarious Redemptiom“, der nahezu alle Stärken des Albums in sich vereint.

Selbstredend sind alle genannten Songs nur Beispiele, denn „Vertikal“ lässt nie nach, fordert mehr als eine Stunde die Aufmerksamkeit des Hörer und belohnt ihn dafür mit überragendem Songmaterial, das für Langeweile erst gar keinen Platz bietet. So sehr CULT OF LUNA oberflächlich auch an vertrauten Zutaten festhalten, so erfrischend gestalten sie ihre Songs. Leidenschaftlich zeigen die Schweden so viele Facetten von sich, dass einem kaum etwas anderes als „beeindruckend“ über die Lippen kommen kann. Leidenschaftlich, brodelnd, verspielt, schön, beängstigend, traurig und noch vieles mehr trifft auf „Vertikal“ zu und bietet trotz so vieler Beschreibungsmöglichkeiten ein zusammenhängendes Bild, ohne auch nur im Ansatz überladen zu wirken. Alle, die CULT OF LUNA schon in der Vergangenheit etwas abgewinnen konnten, kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Post Metal-Jünger. Nicht nur ein grandioses Album, sondern ein Beleg, weshalb diese Band mit zu den wichtigsten Referenzen des Genres zählt, eine absolute Lehrstunde für alle, die darüber nachdenken, ein Post-Metal-Album aufzunehmen – so wird es gemacht!

Auf der Limited Edition findet sich mit „The Flow Reversed“ noch ein Bonus-Song.

23.01.2013

Chefredakteur

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