Darkthrone - A Blaze In The Northern Sky

Review

„We are a blaze in the northern sky
The next thousand years are OURS“

Knapp dreißig Jahre nach Veröffentlichung von „A Blaze In The Northern Sky“ von DARKTHRONE sind wir natürlich weit davon entfernt, das Ergebnis dieses postulierten Ziels zu kennen. Da das Album aber seit letztem Jahr Teil des Nationalmuseums in Oslo ist – neben Roald Amundsens Brief vom Südpol, König Magnus Lagabøtes (König 1263-1280) Gesetzeswerk und Edvard Griegs Partitur – ist zumindest die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man sich auch noch in geraumer Zeit an das Zweitwerk der Band aus Kolbotn (einem Vorort von Oslo) erinnert. Neben der Tradierung innerhalb der Metalhörerschaft natürlich.

Als DARKTHRONE das Album aufnahmen, war jedoch noch nicht abzusehen, welch einen nachhaltigen Eindruck es erreichen würde. DARKTHRONE starteten als Death-Metal-Band und veröffentlichten im Januar 1991 das im übrigen vorzügliche Album „Soulside Journey“. Als die Band aber Demos zum zweiten Album aufnahmen, hatten die Mitglieder eine Art „Erweckungserlebnis“. Sie hörten in den Pausen zwischen den Proben eigentlich andere Platten, und für sie fühlte es sich irgendwann falsch an, technisch zu spielen, nachdem sie gerade HELLHAMMER oder alte BATHORY gehört hatten.

Adios Death Metal

Zu dieser Zeit hatte sicherlich MAYHEM-Gitarrist Euronymous den größten ideologischen Einfluss auf die Szene. Er war Gitarrist einer Vorreiterband, die bereits etwas vorzuweisen hatte, und schließlich bot er mit seiner Helvete-Plattenboutique eine Heimstatt für den Black-Metal-Nachwuchs und drückte ihnen dort seine Regeln auf: Weiße Turnschuhe? Du kommst hier nicht rein! Jogginghose? Hau ab! In Interviews betonte er, dass Death Metal zu kommerziell geworden sei und nicht auf MTV gespielt werden sollte. Und er postulierte einen musikalischen Unterschied: Death Metal war Euronymous zu technisch. Black Metal sollte dagegen den Fokus auf die jeweilige Stimmung legen, auf primitive Riffs und einen unterproduzierten Sound. Nur das sei „echt“. Das gab es natürlich schon einmal mit der ersten Welle um VENOM, HELLHAMMER und CELTIC FROST, aber diesmal sollte es richtig gemacht werden und nicht verwässert werden.

DARKTHRONE legten sich also fortan Pseudonyme zu und eine dicke Schicht Corpsepaint auf. Und die Demos (die 1996 schließlich unter dem Titel „Goatlord“ quasi als Zeitdokument veröffentlicht wurden) kloppten sie in die Tonne und begannen noch einmal neu: Diesmal weniger technisch, dafür primitiv und roh. Und statt das Album in Schweden aufzunehmen, gingen sie in das Creative Studio in Kolbotn, wo bereits MAYHEM aufgenommen hatten. Nocturno Culto erzählt in einem späteren Interview, dass er natürlich vor der Frage stand, wie er die Sache mit dem Gesang lösen sollte: Growlen passte ja nicht mehr zur Musik, und er habe auch nicht vor dem Spiegel gestanden, um zu üben. Also dimmten sie im Studio das Licht, um in die richtige Stimmung zu kommen, zündeten Kerzen an, und dann machte er einfach sein Ding.

DARKTHRONE kloppen die Demos in die Tonne

Die erste Reaktion bekamen sie von ihrem Plattenlabel Peaceville, wo man sich irritiert auf die geschickten Masterbänder zeigte. Auf die daraufhin gestellte Forderung, alles noch einmal neu abzumischen oder am besten gleich neu aufzunehmen, antworteten DARKTHRONE allerdings barsch: „Wenn ihr das Album nicht genau so veröffentlicht, macht es halt jemand anders.“ Friss oder stirb. In diesem Fall wurde es ein „Friss“.

Aber die gezeigte Konsequenz macht dieses Album so besonders: Das schwarz-weiße Cover mit dem im Corpsepaint geschminkten Gitarristen Zephyrous besaß eine ungekannte Anziehungskraft. Und die darauf enthaltene Musik strahlte Mystik und etwas Nichtirdisches aus. Das komplette Gegenprogramm zum Death Metal. Wenn wir aber vom Gegensatzpaar Death Metal/Black Metal sprechen, müssen wir auch konstatieren, dass sich das vor allen Dingen auf Inhalte bezog und nicht auf den Stilnamen – anders hätten DARKTHRONE in den Linernotes kaum folgende Widmung untergebracht: „This album is eternally dedicated to the king of death/black metal Euronymous.“ (Hervorhebung des Verf.)

Und dennoch: „A Blaze In The Northern Sky“ gilt als grundlegendes Werk des Black Metals, vielen sogar als Neubeginn. Stunde eins. Viele Black-Metal-Bands zogen später erst nach, teilweise mit gehörigem Donner: IMMORTAL, MARDUK, MAYHEM, EMPEROR, ENSLAVED, SATYRICON… ja, BURZUM gehören hier auch in die Reihe.

„A Blaze In The Northern Sky“ als Neubeginn

Und „A Blaze In The Northern Sky“ entspricht den postulierten Merkmalen. Es ist mystisch: Man nehme nur das raunende und beschwörende Intro, über das Nocturno Culto abgehackte Botschaften krächzt. Es ist primitiv: Die britzelig verzerrten Gitarrenriffs sind teilweise über den Amboss gezogen und zurechtgeklöppelt, bis jede Feinheit aus ihnen herausgeschlagen wurde. Die Soli sind anders als auf dem Debüt den tiefsten Achtzigen entlehnt, als ein chaotischer Stil bar jeglicher musikalischer Grundregeln salonfähig wurde. Aber das passt natürlich zu den immer wieder auflodernden Einflüssen aus der ersten Black-Metal-Welle.

Und Fenriz spielt wesentlich straightere Rhythmen als zuvor, benutzt auch schon mal die Cowbell, um den Takt vorzugeben. Das ist schon fast Rock’n’Roll oder punkig. Und das hat mit der verachteten Komplexität des Death Metals wirklich eher am Rande zu tun. Trotzdem merkt man manchmal, dass Fenriz nicht aus seiner Haut heraus kann und doch noch einige Kniffe einbaut, wo er eigentlich noch viel einfacher spielen könnte. Bemerkenswert ist aber auch, dass das Album nicht nur im Blizzard-Beasts-Tempo gehalten ist, sondern in Teilen im gemäßigten Tempo stattfindet.

Mystisch, primitiv, kalt

Wie gesagt: Es zählt die Stimmung und das Feeling. Und „A Blaze In The Northern Sky“ transportiert Stimmungen: Es strahlt Mystik aus und legt die surreale Morbidität des Debüts nicht gänzlich beiseite. Es klingt aber durch die Verzerrung, die primitivere Herangehensweise und die Disharmonien abweisend und kalt. „Where The Cold Winds Blow“ halt.

Die Texte sind forsch antireligiös und satanistisch: Da wird die heidnische, vorchristliche Zeit heraufbeschworen, die letzten tausend Jahre als Zeit des verlorenen Stolzes und Lust verdammt, eine neue Zeitrechnung propagiert, da werden Ziegen geküsst, unheilige Jünger herbeigerufen und die Knechte des weißen Lichts in die Flucht geschlagen. Wobei die Texte gewiss nicht ungeschickt geschrieben sind.

Der Brand im nordischen Himmel

Jedenfalls erzielte „A Blaze In The Northern Sky“ überwiegend musikalisch, aber vor allem als Statement Wirkung. Nicht nur in der norwegischen Black-Metal-Szene rund um Euronymous‘ Helvete. Das Album machte seinem Namen also alle Ehre, und viele der Protagonisten folgten diesem Brand im nordischen Himmel auf ihre ganz eigene und handfeste Weise. Tote, abgefackelte Kirchen und viele Gefängnisstrafen später kehrte in der Szene allerdings wieder etwas Ruhe ein. DARKTHRONE hielten sich aus diesen Eskapaden weitgehend raus, waren mit ihrer Entwicklung aber noch lange nicht am Ende: Das im folgenden Jahr veröffentlichte „Under A Funeral Moon“ beispielsweise war noch primitiver, pechschwarz und hatte einen noch sumpfigeren Necrosound. Das ist allerdings wieder eine andere Geschichte, genauso wie die Sache mit ihrem „Transilvanian Hunger“.

Den größten Eindruck haben sie allerdings mit „A Blaze In The Northern Sky“ gemacht – einem Brand, der ganz offensichtlich nicht spurlos an Norwegen vorbeigegangen ist. Und wer weiß schon, wie sich die kommenden 970 Jahre noch einfügen werden.

27.01.2021

- Dreaming in Red -

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