Des Koenigs Halunken - Irrfahrt

Die größte Überraschung des Mittelalterjahres ’09 liefern ohne Zweifel die Schweizer von DES KOENIGS HALUNKEN mit ihrem Zweitwerk „Irrfahrt“. Haben SALTATIO MORTIS mit „Wer Wind saet“ allerhöchstens Erwartungen befriedigt und SCHELMISH in „Die hässlichen Kinder“ noch mehr enttäuscht, schafft es die mir bis dato völlig unbekannte Truppe das ganze Genre auf eine herrlich ehrliche Art aufzumischen. Reduzieren Bands wie SCHANDMAUL das Mittelalter noch auf eine unhistorische Niedlichkeit, die die Musik zu profanem Gedudel abwertet, gehen die Schweizer musikalisch und auch textlich mitunter mit einer Derbheit vor, die definitiv neue Maßstäbe setzt.

Und wer sich jetzt darüber aufregt, dass im großartigen Song „Wunschpunsch“ sechs Minuten lang mit „bück-dich“-Sprechchören eine Fee vergewaltigt wird, der soll sich erst mal informieren, wie beliebt dieses Motiv im mittelalterlichen Märchen war. Selten hab ich diese zwiespältige Epoche in einem musikalischen Werk so gut umgesetzt gesehen, wie auf „Irrfahrt“.
Und das heißt nicht, dass man sich musikalisch in eine CORVUS-CORAX-artige Intellektualität begibt. E-Gitarren werden mit brachialen Riffs immer wieder geschickt in die filigranen und meist sehr lebhaften Kompositionen eingearbeitet, ohne jedoch eine gewisse Dynamik und zahlreiche Tempowechsel missen zu lassen. Gleich der namensgebende Opener zieht mit flottem Getrommel und detailverliebter Eingängigkeit alle Register, bevor der „Feentrunk“ dann als fünfter Song erstmals einen mystischen Dreivierteltakt hinzuzieht um dann in erwähnter Feenvergewaltigung den Crossover der 90er Jahre zu zitieren. Nett ist auch, dass die Band gegen Ende die typisch-dudeligen Trötenmelodien etwas beiseite legt und mit „Der tiefe Fall“ und „Fermeture“ sehr entspannt und stimmungsvoll aus dem Album leitet.
Gerade in diesen rein unplugged gespielten Nummern zeigt sich aber auch, was für ein Potential man mit der mittelmäßigen Abmischung verschenkt hat. Klar ist es schwer, so viele verschiedene Instrumente in ein akustisches Korsett zu zwängen aber die E-Gitarre so weit in die Mittenfrequenzen zu schieben war sicherlich suboptimal. Man gewöhnt sich dank der guten Kompositionen zwar recht schnell daran, aber dennoch kann „Irrfahrt“ in dieser Hinsicht nicht mit den transparenten und differenzierten Klangbildern diverser Genrekollegen konkurrieren. Abgemischt wurde es übrigens von Lutz Demmler, der schon die ersten Alben von SALTATIO MORTIS mischte, damals aber offensichtlich weniger Instrumente unterzubringen hatte.

Was aber auch alles nicht viel heißen will. „Irrfahrt“ ist ein unglaublich gutes Album das (ab einem gewissen Lebensalter) von allen Mittelalterfreunden gekauft und gehört werden sollte. Wer sich musikalisch und auch textlich so sicher in diesem Genre bewegt, ohne jedoch zum Eskapismus zu neigen, muss einfach lobend hervorgehoben werden. Das ich nicht zur Höchstwertung gegriffen hab, hat lediglich mit der Abmischung und meinem Wesen als Skeptiker zu tun. Bitte, kauft und hört dieses Album!

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