Dornenreich - In Luft Geritzt

Review

Ständige Entwicklung, steter Wandel, das bisherige Schaffen DORNENREICHs gleicht einer andauernden Reise; doch statt verschiedene Erdteile zu erkunden, erzählen Eviga und Inve vom inneren Ich in all seinen Facetten. Indem sie diesen Weg konsequent weiterverfolgen, haben sich die beiden Innsbrucker Ausnahmekünstler großen Respekt verdient, wäre es doch zu einfach, bisherige Erfolge wie bspw. „Her von welken Nächten“ zu wiederholen. Durch den langjährigen Entwicklungsprozess und die Offenheit ihrer Musik bleiben sie dabei stets authentisch. Und so gestaltet sich schon die Frage nach der Kategorisierung, nach der Einordnung der Klangwelten dieser Formation in ein bestimmtes Genre, als eine äußerst schwierige.

„In Luft geritzt“ – das ist DORNENREICH pur, durch und durch, und doch wieder etwas anders. Reduziert auf die Essenz ihres musikalischen Schaffens, sind die Stücke zwar vordergründig eher schlicht gehalten, aber doch voller wertvoller Elemente. Gänzlich akustisch, fast schon Instrumental minimalistisch, vorgetragen mit Gesang, Gitarre, Violine und Schellenkranz wirken die neuen Songs nicht nur aufgrund dessen, dass sie Live in der Vila Stapf, einem alten Tiroler Gemäuer, eingespielt wurden, sehr organisch und authentisch. Alle Stücke sind beseelt von einer starken Leidenschaft, klingen mystisch, ungezwungen, manchmal zerbrechlich, und trotz des vollkommenen Verzichts auf elektrische Spielereien keinesfalls locker luftig sondern mitunter äußerst kraftvoll und auch mal bedrohlich. Gerade durch das forcierte Arbeiten mit Dynamik, die für DORNENREICH so typischen Breaks sowie Tempiwechsel und der sich stets den Worten entsprechend lebhaft spiegelnden Stimme Evigas, wird die Spannung über die gesamte Albumlänge stets aufrecht gehalten. Durch diese starke Verzahnung von Musik und den wenigen, außergewöhnlich formulierten Worten entsteht eine besondere Bildhaftigkeit.

Stilistisch irgendwo zwischen düsteratmosphärischer Weltmusik, Avantgarde und Neo-Folk angesiedelt, gehen die einzelnen Elemente eine wunderbare Symbiose ein. Inve entlockt seiner Violinie melancholische, sehnsuchtsvolle, verstörende, aufwühlende aber auch mal euphorische Melodien. Als Fundament dient die akustische Gitarre, die treibenden Momente werden manchmal durch den Schellenkranz unterstützt. Der emotionale Gesang versteht sich nunmehr eher als Instrument; Eviga zischt, faucht, singt, wispert, grollt, zittert, raunt oder schreit, wodurch die Worte enorm an Ausdruckskraft gewinnen. Auch aggressive Momente finden sich auf diesem Album. Wenn Black Metal mehr ist als Kreischgesang, verzerrte Gitarren und Blastbeats, wenn Black Metal sich auch durch besonderes Feeling, durch gewisse Atmosphäre auszeichnet, dann ist das reißende Stück „Jagd“, in welchem der Wolf erwacht, mehr Black Metal als all der Plastikmüll, welcher sich in den CD-Regalen als solchen verkaufen möchte. Auf weitere Lieder wird hier nicht eingegangen, an dieser Stelle sei auf den Bericht über die Listening-Session sowie die „Song By Song“ – Kommentare von Eviga hingewiesen.

„In Luft geritzt“ ist ein aufwühlendes Spiel mit den Dynamiken, vielen Facetten und Nuancen, dessen Kompositionen mit Metal oder Rock im herkömmlichen Sinne kaum noch etwas gemeinsam haben, allerdings auch fern jeglicher Neo-Folk Klischees ist. Hintersinnig, tiefgründig, anspruchsvoll, intensiv, atmosphärisch – Worte welche versuchen, das Werk dem Leser ein wenig näher zu bringen. Doch können diese Worte dieses Album und seine besondere Stimmung, die verschiedenen Gefühlslandschaften, die Bilder vor dem eigenen Auge, nur ungenügend beschreiben. Erlebe, fühle es selbst!

01.05.2008

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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