Entombed - Wolverine Blues

Review

ENTOMBED haben mit dem Debüt „Left Hand Path“ und dem Nachfolger „Clandestine“ zwei makellose Klassiker des Death Metal erschaffen. Wer das infrage stellt, ist wahlweise Ignorant, Poserin, Wimp, taub, nicht aus Metall/Stahl oder alles zusammen. Dennoch ist das beste Album der Schweden ihr drittes: „Wolverine Blues“.

Die Band nimmt das monströse Werk im Sunlight Studio in Stockholm auf, was noch keine Neuerung darstellt. Die Gitarren sägen daher wie gewohnt im typischen HM2-Sound. Das Tempo ist aber gedrosselt, auf „Wolverine Blues“ regiert durchgängig der Groove. So geht das Ganze nicht nur in den Nacken, sondern auch ins Bein. Zudem ist L-G Petrov zurück und röhrt verständlicher wie auch melodiöser als auf dem Einstand ENTOMBEDs. Das wiederum geht direkt ins wild hämmernde Herz. Vollends zu verantworten ist das zwar nicht, aber: „Death ’n‘ Roll“ erblickt mit blutunterlaufenen Augen die kaputte Welt.

„Wolverine Blues“ ist ein tollwütiger Elch mit Wildsau im Stammbaum

Zwar gibt es auf den Vorgängerscheiben bereits Passagen mit pechschwarzem Punk als Terrortreibstoff, insgesamt aber sind die frühen Statements eher musikalische Inkarnationen der Welt jenseits des Lebens. „Wolverine Blues“ wirkt vitaler, kompakter und noch angriffslustiger. Als Tier wäre sie weniger ein Vielfraß als ein räudiger, tollwütiger Elch mit Wildsau in direkter Stammbaumlinie, der marodierend durch das Unterholz der menschenverachtenden Untergrundmusik pflügt. Nach zehn Songs in einer guten halben Stunde hängen als Trophäen, zerfetzt, an seinem Geweih: Szenepolizei, Liebe, Langeweile und der Vorsatz, diesmal wirklich nicht schon wieder die Inneneinrichtung auseinanderzunehmen und schon gar nicht die (strenggenommen) unschuldigen Nachbarn.

ENTOMBED erschaffen eine dreckige Platte für die Bestenliste

Alle Stücke sind auf ungewaschene Weise catchy und besitzen eine nachgerade beunruhigende Anziehungskraft. Nach wenigen Durchläufen rezitiert man bereits unwillkürlich zentrale Elemente („Humanity is the biggest cancer ever to be seen!“/„I’m full of heeell!“/„Vicious mammal, the blood is my call, pound for pound, I am the most vicious of all!“). Es hilft zum Glück alles nichts. Einzelne Stücke hervorzuheben erübrigt sich ausnahmsweise, hier sitzt jede Attacke.

Nützlich kann es aber sein, die Erkenntnisse herauszustellen, die zur Übernahme von „Wolverine Blues“ in die persönliche Bestenliste führen werden:

1. „Wolverine Blues“ ist in nichts extrem, außer im Coolsein. Die vergleichbare Platte, sie existiert nicht. CARCASS kommen mit ihrem verzweifelten „Swansong“ nicht in die Nähe, PUNGENT STENCH ebenso wenig. Und METALLICA erkennen, wie man ohne Blamage bremst.

2. Es ist fortgesetzt nicht möglich, die Platte nicht am Stück zu hören.

3. Oder nur einmal.

4. L-G war nie besser. Niemand interveniert.

5. Die Sekunde von 2:52 bis 2:53 des zweiten Songs „Rotten Soil“ bleibt göttlich und gehört zu den überlebenswichtigen Details des Rock.

6. „Das Album ist an ein Buch von James Ellroy mit dem Titel The Big Nowhere (dt. Blutschatten) angelehnt, das von einem psychopathischen Mörder handelt, der von einem Vielfraß besessen ist.“ (Wikipedia)

ENTOMBEDs Dritte veredelt das nächtliche Gedenken an L-G Petrov

So weit, so unbestreitbar. Doch niemals geht es nur bergauf: Nach „Wolverine Blues“ werden ENTOMBED auf „Too Ride, Shoot Straight And Speak The Truth“ noch rockiger. Dann steigt Nicke Andersson aus, gründet die HELLACOPTERS und seine alte Band gerät immer weniger innovativ und fesselnd. Besitzen sollte man dennoch das Gesamtwerk ENTOMBEDs, auch in der Version mit dem A.D. als rechtlich bedingtem Anhängsel.

Die Trinität bleiben indes „Left Hand Path“, „Clandestine“ und „Wolverine Blues“, mit Letzterem als Krönung. Alle drei sollten beim Lars-Göran-Petrov-Gedenken alle 24 Stunden selbstverständlich in Gänze zum Selbstgebrannten verinnerlicht werden. Sinnvoller ist die Zeit nach Mitternacht schlicht nicht zu nutzen.

03.12.2025
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