

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Zwei Jahre nach dem Debüt stand im November 1990 das HEXENHAUS-Zweitwerk „The Edge Of Eternity“ in den Läden. Bevor es allerdings soweit war, setzte Gitarrist Per Mickael Vikström aka Mike Wead zum großen Rundumschlag bei den Schweden an – beziehungsweise kam eins zum anderen: Zunächst verabschiedete sich der alte Sänger Nick Johansson wieder aus der Band, da er in Zukunft das Mikrofon wieder gegen seine Gitarre eintauschen wollte. Dann verschwanden nach und nach auch die anderen Mitglieder, da sie – so die Aussage des Gitarristen – das Interesse an Technical Thrash Metal verloren.
Rundumschlag bei HEXENHAUS
Mike Wead musste also neue Kräfte rekrutieren. Schließlich hatte Wead aber mit Marty Marteen (Bass), Marco A. Nicosia (Gitarre) und Johan Billerhag (Schlagzeug) eine schlagkräftige Gruppe beisammen. Als Sänger verpflichtetet er zudem Tommie Agrippa (später Thomas Lyon, eigentlich Thomas Lundin), der ähnlich variabel wie mit seinen Namen mit seinen Stimmbändern umging: Egal ob rauhes Shouten oder spitze Schreie, Thomas hatte es drauf und passte zum HEXENHAUS-Sound deutlich besser als sein Vorgänger Nick; dessen Gesang musste ja noch durch eine ganze Batterie von Effekten gehen, um aggressiv zu klingen.
Zu diesem Zeitpunkt war Drummer Martin Eriksson schon nicht mehr mit dabei – rückblickend sicherlich das außergewöhnlichste Engagement, immerhin sollte er später als E-TYPE die Musikwelt Schwedens aufmischen. Wohlgemerkt ganz unmetallisch als schwedische Eurodance-Antwort auf DJ BOBO.
Technical Thrash Metal vs. Eurodance und Synth-Pop
Vielleicht ist es aber auch ganz gut, dass diese Liaison wieder auseinander ging – wer weiß, wie „The Edge Of Eternity“ sonst geklungen hätte? So haben wir ein Album, das seine Verbindung zu MEKONG DELTA oder WATCHTOWER nicht versteckt. Außerdem hat Gitarrist Mike Wead zu diesem Zeitpunkt viel MEGADETH gehört und, wie er selbst mutmaßt: vielleicht ein bisschen zu viel? Jedenfalls steckt im Solo von „Toxic Threat“ nicht wenig „Hangar 18“ drin.
Aber da war noch die Sache mit dem Produzenten und dem Studio, denn die Plattenfirma Active Records bzw. Music For Nations machte ordentlich Kohle locker und vermittelte die Schweden an Produzent Rex Gisslén. Der hatte in Schweden einen brillanten Ruf, wenngleich nicht im Metalbereich, schipperte seine ehemalige Band SHANGHAI doch eher in Synth-Pop-Gewässern. Also setzten HEXENHAUS vorab auf das Urteil der Wahlqvist-Brüder Ragne und Styrbjörn, die sich vom neuen Material begeistert zeigten. Mit dieser Bestätigung im Rücken ging es dann schließlich zu Rex Gisslén in die Montezuma Studios, um „The Edge Of Eternity“ final aufzunehmen.
Und das Album hat es in sich: Gegenüber dem Debüt „A Tribute To Insanity“ klingen die sechs neuen Songs (plus Intro sowie Instrumental) nicht nur druckvoller, sondern sind auch im Songwriting gestrafft. Jedenfalls wenn es darum geht, die Soli und Tempowechsel noch besser in Szene zu setzen. Denn an Wendungen und verwinkelten Instrumentalpassagen mangelt es „The Edge Of Eternity“ keineswegs.
Gitarristen wieseln hakelig über die Saiten
Allerdings auch nicht am metallischen Anteil, weswegen auch die flink inszenierten Riffs absolut hörenswert sind. Bereits im Opener „Toxic Threat“ wieseln die Gitarristen hakelig über die Saiten, während Drummer und Bassist entweder im Stechschritt folgen oder ein neues Tempo vorgeben. Und bei Sänger Tommie Agrippa kommt zu keiner Zeit der Verdacht auf, dass er nur schmückendes Beiwerk ist. Er drückt den Songs mit seinem kernigen Gesang seinen Stempel auf.
„Prime Evil“ driftet bisweilen in flowiges Schreddern ab, während „Home Sweet Home (Ward Sweet Ward)“ sogar einen echten Chorus auffährt. Wer will, hört hier auch ein wenig ANNIHILATOR raus, wenn es nämlich um die fließende Verbindung von Thrash-Riffs mit barocken Gitarrenarpeggien geht. Die Stimmung bleibt auf „The Edge Of Eternity“ allerdings durchgehend bedrohlich. „The House Of Lies“ beginnt mit militärischer Präzision, um dann in futuristischen Battle-Tech-Thrash überzugehen.
Militärische Präzision und Battle Tech
Die zweite Seite beginnt mit dem instrumentalen „A Temple For The Soul“, bei dem allerdings volle Instrumentierung aufgefahren wird (und vor allem doppelstimmige Gitarrenleads). Richtig zur Sache geht es dann bei „The Eternal Nightmare – Act I“, bei dem wieder im besten Thrash-Sinn drauflos gedroschen wird, wenn nicht gerade verschärft schnelle Gitarrensoli abgefeuert werden. Das abschließende „At The Edge Of Eternity“ ist wiederum ein ausschweifend aufgebautes Kunstwerk von über 13 Minuten Länge, bei dem sich jeder der Musiker auszeichnen kann. Wer das Debütalbum noch im Ohr hat, wird sich vielleicht an „As Darkness Falls“ erinnert fühlen.
HEXENHAUS machen auf ihrem Zweitwerk also alles richtig: Die Songs sind noch prägnanter, die Umsetzung noch tighter, die Soli noch abenteuerlicher – und gerade Mike Wead ist als „Evil Malmsteen“ wirklich ein Meister seines Fachs. Außerdem hat er die Not des Mitgliederschwundes mit neuen, kompetenten Mitstreitern zu seinen Gunsten gewendet. Sollte es da nicht zum endgültigen Durchbruch gereicht haben? Leider nein, denn die Band versäumt es zu touren – und wenn sie dann mal auftritt, dann nur innerhalb Schwedens. Dadurch fehlt HEXENHAUS ein entscheidender Faktor hinsichtlich der Albumpromotion. Da können die Reviews noch so euphorisch sein, HEXENHAUS kommen über den Status eines Geheimtipps nicht hinaus. Daran ändert auch nicht das dritte Album „Awakening“, das bereits im Jahr darauf erscheint – auch hierzu wird es zu gegebener Zeit in dieser Serie noch eine Würdigung geben.
„The Edge Of Eternity“ ist prägnant, tight, abenteuerlich
Solltet Ihr allerdings jetzt angefixt sein: Die ersten drei HEXENHAUS-Scheiben „A Tribute To Insanity“, „The Edge Of Eternity“ und „Awakening“ wurden über ROAR/Reigning Phoenix Music sowohl als Vinyl als auch CD just neu aufgelegt.
Großartiges Album, Review trifft den Nagel auf den Kopf! Eieiei, was hab ich die damals gerne gehört, die waren zusammen mit Coroner, Annon Vin, Psychotic Waltz und den erwähnten Watchtower und Mekong Delta meine Ohrenöffner für progressiven Thrash Metal. Muss ich unbedingt mal wieder anhören, danke für’s „in Erinnerung rufen „!